In den Neunzigern hatte das Ox sein HQ in Essen-Steele, und unser „Hometurf“ war das Ruhrgebiet, von Dortmund bis Duisburg und Venlo, von Marl und Münster bis Wuppertal und Wermelskirchen und Köln reichte unser Konzertbesuchsradius. In dieser Rubrik wird nun auf „Konzertläden“ eingegangen, die lange schon nicht mehr oder nicht mehr in dieser Funktion oder mit dieser Zielgruppe existieren.
Vor unserer Haustür in Steele gab es das JZ Hüweg. Wie wir dazu kamen, dort Konzerte zu veranstalten, habe ich vergessen, aber wir machten da eine Menge Shows, inklusive MUFF POTTER und TURBO AC’S, die dort ihre erste Deutschlandshow überhaupt spielten. So richtig Bock hatte der Sozialarbeiter auf auswärtige Punkbands nie, am liebsten wären dem die ewig gleichen Lokalbands gewesen. Auch in Laufentfernung war das Julius-Leber-Haus der AWO, mit einem großen Saal oben und einem muckeligen Keller unten. Sogar ein Ox-Festival machten wir dort, die Anwohner*innen hassen uns dafür sicher noch heute. Anfang der Neunziger war in Essen-Kupferdreh der Alte Bahnhof eine wichtige Anlaufstelle. Meist am Montag fanden dort Konzerte statt, viele Dischord-Bands (NATION OF ULYSSES!), oft schwach besucht, und obwohl man nur zu zehnt war, kannte man sich nicht mal und stellte oft erst Jahre später fest, dass man da Schulter an Schulter stand (Hallo, Mille!). Mit dem Bookingteam (Susi, Betsi!) endete auch die Konzertkarriere dort, die von Betsi in Oberhausen im Zentrum Altenberg fortgesetzt wurde. Ein gewisser Spiller war da dann auch irgendwie involviert. Laden existiert noch, Rock oder gar Punk ist da aber nicht mehr geboten. Den gab und gibt es ein paar Meter weiter im alten Druckluft, das schon in den Neunzigern, noch unrenoviert und mit legendär ekligen Klos, ein Punkrock-Hotspot war.
Von Kupferdreh war es nicht weit nach Velbert ins Sonic, eine echte Punk-Kneipe, in der fast jede Woche Bands spielten, doch ohne Auto war hier kein Hin- oder Wegkommen. Mit dem Wirt/Pächter endete dort auch die Konzertkarriere. Zurück in Essen spielte eine Weile auch die Schleifmühle in Rellinghausen eine Rolle. EA80 und BOXHAMSTERS spielten da mal zu Uschis Dreißigsten ein Überraschungskonzert, und auch GREEN DAY gastierten hier auf der ersten Tour und erwiesen sich hinterher als nervige Übernachtungsgäste. Sonic wie Schleifmühle existierten noch einige Jahre weiter, aber mit Besitzerwechsel und/oder Nachbarnärger war es irgendwann mit Shows vorbei.
Sehr viele Konzerte – OFFSPRING, vor dem Durchbruch! – fanden eine Weile lang unter der Ägide von Booker Stefan in der Kaue in Gelsenkirchen statt, entweder im großen Saal oder im kleinen Hinterzimmer. Irgendwann Ende der Neunziger begann aber auch hier der Niedergang, der lange vor dem Comedy-Trend für viele „soziokulturelle Zentren“ eine Alternative zu nervigem besoffenem Punkerpack waren: „Herz beißt Haifisch“ hießen die Verkupplungspartys, die mehr Profit und weniger Ärger bedeuteten. Eine Option, die auch die Zeche Carl in Altenessen zog, die seit den Achtzigern eine legendäre Punk-Hochburg gewesen war und das auch in den Neunzigern noch war. Heute finden Konzerte für unsereins dort nur noch sporadisch statt.
Noch etwas weiter nördlich lag Marl, und dort, versteckt im Wald in einem ehemaligen Zechengebäude, der Schacht 8. Viele tourende Bands schlugen dort auf, beste Bedingungen durch fehlende Nachbarn waren gegeben, und eines der Ox-Festivals fand dort statt, unter anderem mit LOST LYRICS und ... BUT ALIVE. Ein paar Schlaumeier zündeten beim Herumlungern im nahegelegenen Weizenfeld selbiges an, und unter anderem war das wohl der Sargnagel für Konzerte dort. Manche Punks haben eben noch nie verstanden, dass man nicht dort scheißt, wo man isst.
Entlang der S1, die in Steele hält, reihte sich eine ganze Reihe von Clubs auf, die somit leicht zu erreichen waren und eine entsprechend gesellige Anreise ermöglichten. Das alte FZW in Dortmund-Dorstfeld gehörte dazu, bei Sommerhitze unerträglich, aber mit immer exzellentem Booking und meist gutem Sound und einer Crowd, die man irgendwann fast durchweg kannte. Mit dem Umzug verschwand all das, leider.
In Bochum gab es bis in die Neunziger in einer dieser hässlichen Seventies-Passagen das Logo, ein typischer Achtziger-Kellerclub – EA80 habe ich auch da mal gesehen. Später flackerte das Licht des Ladens in den Nullern kurz auf, mancher wird sich an AT THE DRIVE-IN hier erinnern. Viel wichtiger war aber natürlich der Zwischenfall in Langendreer, direkt an der S-Bahn. Alles spielte hier, gefühlt vier Tage jede Woche, nur am Wochenende war Goth-Disco angesagt. Ex-Betreiber Norbert ist eine Legende, veranstaltet bis heute Konzerte. Vor einigen Jahren brannte der Laden ab, damit war das Aus besiegelt.
In Richtung Westen ging’s von Essen aus nach Duisburg in die Fabrik in der Grabenstraße. Ein legendärer AZ-liker Hinterhofladen im ersten Stock, gerne fingen die Shows hier etwas später an. Zig Bands dort gesehen, man war immer „unter sich“ als linke Punks. Weiter ging es mit der S1 nach Düsseldorf, wo einst das alte Tube und der Dschungel in der Altstadt relevant waren, aber irgendwie spielte die für uns relevante Musik – vom bis heute existenten AK47 abgesehen – gefühlt immer eher um Düsseldorf herum als in der Landeshauptstadt. Zum Beispiel ein paar Kilometer weiter südlich im Sojus 7 in Monheim, in den späten Neunzigern und weit in die Neunziger hinein ein Hotspot, wo gefühlt vor 100 Leuten alles spielte, was später große Hallen füllte. Und nicht weit von da war das Haus der Jugend (?) in Leverkusen-Opladen, direkt neben dem Standort des heutigen KAW. Und auf gar keinen Fall vergessen werden darf das Geschwister-Scholl-Haus in Neuss mit seinem großen Garten, wo ebenfalls unzählige Bands spielten und die DIY-Kultur blühte.
Noch weiter im Westen war/ist Venlo und das alte OOC – vor „Schengen“ war das durchaus ein Abenteuer, mit fünf Leuten in einem alten Auto nach Holland zu fahren ... Ein paar Kilometer hinter Grenze, eine halbe Stunde hinter Duisburg, war das immer eine Art Mini-Urlaub für einen Abend: anderes Bier, andere Sprache, andere Leute – und Pommes Special.
Mit Sicherheit habe ich diverse Clubs, AZ, JZs etc. vergessen – sachdienliche Hinweise bitte an mich.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #151 August/September 2020 und Joachim Hiller