LOOKIT, MARTIANS!

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Außerirdischer Pop-Punk

Mit LOOKIT, MARTIANS! gibt es einen verheißungsvollen neuen Stern am deutschen Pop-Punk-Himmel, der gleich doppelt das Prädikat außerirdisch verdient. Denn der Vierer mit Fee (gt, voc), Sid (bs, voc), Coli (gt) und Sven (dr) gibt als Heimatadresse neben Mannheim auch noch den Mars an und bietet darüber hinaus zudem außerirdisch guten Pop-Punk. Gerade der wechselnde Gesang von Fee und Sid begeistert sowohl Fans als auch Kritiker. Im Dezember ist das Debütalbum „Space Boogie“ erschienen.

Boogie oder Pogo – was ist aktuell angesagter?

Sid: Ganz klar Boogie. Auf dem Mars ist Pogo zur Zeit nicht so en vogue. Wir brauchen gute Laune und gute Beats, und deswegen haben wir uns ganz dem Boogie verschrieben und uns gedacht, hier auf der Erde bei der aktuellen Tristesse könnte das auch ganz gut funktionieren.

Wo ist es eigentlich öder, in Mannheim oder auf dem Mars?
Sid: Wir fühlen uns in Mannheim so wohl, weil es genauso kacke ist wie auf dem Mars. Wir haben uns tatsächlich Mannheim als Landepunkt ausgesucht, weil es den Bedingungen auf dem Mars sehr ähnelt. Da laufen nur schräge Vögel rum. Als Marsianer fällt man in Mannheim gar nicht auf.

Ihr seid keine unbeschriebenen Blätter in Sachen Pop-Punk, einige von euch haben sich schon bei den BARBECUTIES Pop-Punk-Meriten erspielt. Sind die nun Geschichte oder kommt da noch was?
Sid: Die BARBECUTIES sind nicht die aktivste Band, wir sind sogar eher faul geworden. Aber aufgelöst ist die Band noch nicht und wir versuchen, immer mal wieder was zu machen. Übrigens haben wir auch noch den einen oder anderen BARBECUTIES-Song auf unserer Setlist.

Sven und Fee waren nicht bei den BARBECUTIES dabei. Können sie auch schon Erfahrungen in anderen Bands aufweisen?
Sven: Ich habe schon in diversen Bands gespielt, ich stamme aber aus der Metal-Szene, so Metalcore, Deathcore, diese Richtung.
Sid: Das macht sich natürlich super bei Boogie. Perfekte Kombination, Death Boogie, haha.
Sven: Und Fee kommt eher so aus dem Bereich Progressive Rock.
Sid: Sie hat aber auch schon in Punkbands gespielt.

Was zeichnet LOOKIT, MARTIANS! aus, wo liegen die maßgeblichen Unterschiede zu den BARBECUTIES?
Sid: Wir wollten ja gerade nicht die BARBECUTIES 2.0 machen, obwohl es natürlich immer noch Pop-Punk ist. Es ist von den Rhythmen her, dank Svens Input, sehr anspruchsvoll. Wir haben in den letzten zwei Jahren auch sehr viel alte Musik gehört, Oldies und Rock’n’Roll, und das hört man auch auf dem Album. Wir versuchen schon, eine größere stilistische Bandbreite abzubilden. Wichtig ist uns dabei, es muss eine Gute-Laune-Musik sein mit einer positiven Grundbotschaft.

Rein auf gute Laune fixiert zu sein, kann man euch da nicht auch Eskapismus und Oberflächlichkeit vorwerfen?
Sid: Diesen Eindruck kann man natürlich bekommen. Aber wir haben auch politische Songs wie „Misanthropogo“. Da geht es um die aktuelle Situation mit Verschwörungsgläubigen und Schwurblern und dass uns diese Leute mächtig auf den Keks gehen. Im Pop-Punk gibt es schon sinnfreie Texte. GRIM DEEDS haben zum Beispiel schon mal ein Lied dazu geschrieben, wie man den perfekten Pop-Punk-Song schreibt. Erzähl den Leuten, dass du gestern mit deinen Freunden die perfekte Party gemacht hast und heute dein Skateboard schnappst und dein Mädchen vermisst. Und schon hast du einen Song. Das passt dann auch zu dieser melodischen Grundstimmung der Songs. Aber wir nehmen da auch kein Blatt vor den Mund. Wir sind ganz klar links, wir sind sozialisiert in der Punk-Szene und bekennen uns auch zu solchen Werten wie Anti-Sexismus, allein dadurch, dass wir eine Sängerin in der Band haben, die auch selbst schon als Musikerin mit misogynem Verhalten konfrontiert wurde. Da sind wir auch als Band überhaupt nicht bereit, irgendwelche Kompromisse einzugehen. Wenn jemand kommen und Fee anpöbeln würde, dann würde er aber einen ordentlichen marsianischen Kinnhaken zu spüren bekommen.

Vor eurem Debütalbum gab es bereits eine 3-Song-CD-EP, die von den Kritikern hoch gelobt wurde. Insbesondere der zwischen Fee und Sid wechselnde Gesang wurde enorm abgefeiert. Wie habt ihr die positive Kritik aufgenommen?
Sid: Wir waren in der Tat überrascht von der grandiosen Resonanz. Das Ganze ist gestartet als Spaßprojekt während der Corona-Pandemie. Fee hat eine unfassbar schöne Stimme. Es war uns schon bewusst, dass das gut rüberkommen würde, aber es hat uns doch auch ein bisschen überrollt und auch dazu ermutigt, das Album aufzunehmen. Erst war es irgendwie ein Nebenprojekt, jetzt ist es zu unserer Hauptband geworden.

Generell gibt es aktuell ja die Diskussionen über den geringen Anteil von Frauen in Punkrock-Bands, auch im Bereich Pop-Punk. Wie nehmt ihr das wahr?
Sid: Das ist in der Tat ein Thema, das uns beschäftigt. Ich selbst als Vater zweier Töchter versuche auch, beide an die Musik heranzuführen. Es gibt einfach zu wenige Frauen, die in Bands Musik machen. Es ist unglaublich bereichernd und es gibt nichts Schöneres für mich als Songwriter als „girl meets boy vocals“. Das wertet einen Song einfach ungemein auf. Deshalb ist es uns auch so wichtig, Fee mit dabei zu haben. LOOKIT, MARTIANS! ist dahingehend schon auch als Statement zu sehen. Es ist ja schon was anderes, zusammen mit einer Frau Musik zu machen. Es gibt andere Befindlichkeiten, ganz andere Finessen. Es gibt Dinge, auf die Fee mehr Wert legt als die Männer der Band und da müssen wir uns auch dran gewöhnen.

Wo liegen jetzt aber genau die Gründe, dass so wenige Frauen in Punkrock-Bands aktiv sind?
Sid: Ich glaube tatsächlich, dass es da auch diesen abschreckenden Moment in der Musikszene gibt, auch im Bereich der alternativen Musik. Frauen haben da schon einen viel schwereren Stand. Denk einfach mal an folgende Situation: Warum sollten Mädels nicht auch stagediven? Da musst du dich als Frau schon fragen: Springe ich jetzt von der Bühne, wenn ich genau weiß, dass mir dann jemand an den Hintern fassen wird. Fee hat auch schon von Promotern berichtet, die sie angesprochen haben, was sie denn im Backstageraum verloren hätte. Und dann musste sie erklären, dass sie die Gitarristin und Sängerin der Band sei. Dass solche Sachen passieren, auch in der alternativen Szene, finde ich sehr bedenklich. Und so was kann dazu führen, dass Mädchen sagen: Hey, das ist nicht meine Welt. Zudem in der Musikwelt auch immer noch sehr viel Proletentum existiert, gerade auch im Bereich Metalcore, da gibt es immer noch frauenverachtende Lyrics. Sven schüttelt zwar gerade mit dem Kopf. Das trifft natürlich nicht auf alle Bands dieses Genres zu, aber da gibt es schon noch genug Beispiele. Es gibt da auch eine Dissertation zu Misogynie im Metal und Metalcore. Wenn du das liest, dann hast du schon einen Kloß im Hals. Wo du dir denkst, ihr habt doch auch alle Mütter, wieso macht ihr dann so einen Scheiß? Das gilt jetzt nicht nur für die Musikszene, das hast du in vielen anderen Bereichen auch. Da gibt es immer noch viel zu tun, da muss man mit aufräumen, dass es Frauen in vielen Bereichen tendenziell immer noch deutlich schwerer haben.

Euer Album erscheint auf mehreren Labels als Gemeinschaftsproduktion, darunter auch bei Outloud! und Monster Zero, zwei absoluten Schwergewichten im Pop-Punk.
Sid: Kevin von Monster Zero kennen wir ja schon sehr lange und pflegen auch ein freundschaftliches Verhältnis. Insofern lag es natürlich auf der Hand, bei ihm unterzukommen. Outloud! haben wir einfach angeschrieben, das Label hat sofort geantwortet. Und das ist genau das, was ich an der Pop-Punk-Szene so liebe. Man erfährt so viel Unterstützung und Hilfe. Da gibt es selten so etwas wie Neid. Da hilft man sich untereinander, jeder hilft jedem.

Das Album ist aktuell nur als CD verfügbar. Gibt es auch Pläne für Vinyl?
Sid: Unser Wunsch ist es schon, für Europa das Album auch als LP zu veröffentlichen, aber die Lage mit den Presswerken ist sehr heikel im Moment. Wir müssen prüfen, wie wir das in die Tat umsetzen können. Ich bin selbst schon immer absoluter Vinyl-Fan und ich finde, dass es das genialste Medium ist. Ich mag es, mich der Musik zu widmen, nicht nur Musik zu konsumieren. Und das Cover unseres Albums, das großartig von Ole O’Brian gezeichnet wurde, wirkt mit Sicherheit im LP-Format noch viel stärker als auf CD.