LOOKIT, MARTIANS!

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Marsianischer Ideenklau

Die inzwischen zum Quintett mutierte marsianische Band aus Mannheim hat in den vergangenen Jahren mit tollen Pop-Punk-Releases und mitreißendem Songwriting sowohl Fans als auch Kritiker verzückt. Da ist es erstaunlich, dass auf dem gerade erschienenen neuen Album „The Great Cover Conspiracy“ vorwiegend Coverversionen präsentiert werden. Im Gespräch mit Frontmann Sid und Drummer Sveno wird aber schnell klar, dass das neue Album entgegen des Titels kein Verschwörungsprodukt ist. Vielmehr geht es um eine marsianische Verneigung vor großartigen Songschreiber:innen, vor allem der goldenen Ära der Jukeboxen und Cadillacs.

Was ist los bei euch? Ein ganzes Album voller Coverversionen, gehen euch die Ideen aus?

Sveno: Das war eine recht spontane Idee, als wir auf der großen Düne am Olympus Mons auf dem Mars saßen und ein paar Weizen gezischt haben. Nebenbei hörten wir Oldies, wir stehen halt total auf die irdische Musik der 1950er und 1960er Jahre. Da kam uns der Gedanke, aus Spaß eine Cover-EP aufzunehmen. Doch dann wurden es immer mehr Songs und wir dachten: Pfeif drauf, dann machen wir eben einen Longplayer und garnieren das noch mit einigen eigenen Songs, die stilistisch dazu passen.

Coverversionen spalten die Musikfans. Die einen feiern sie ab, für andere sind sie die Wurzel alles Bösen.
Sveno: Ich sehe das nicht ganz so eng, denn ich habe es schon immer abgefeiert, wenn eine Band mal einen Song covert. Das lockert mitunter auch das Repertoire ein wenig auf.
Sid: Absolut! Trotz allem verstehen wir da natürlich auch die kritischen Stimmen, gerade weil manche Songs einfach bis zum Erbrechen nachgespielt werden. Wenn beispielsweise eine hauptamtliche Coverband „Sweet home Alabama“ nachklimpert und man weiß, dass es eigentlich nur darum geht, die Leute irgendwie notdürftig bei Laune zu halten, dann ist auch für uns eine Grenze erreicht. Alles in Maßen gilt daher auch hier auf dem Mars.

Für viele Fans sind Coverversionen nicht unbedingt Ausdruck einer großen kreativen Leistung. Für sklavische Kopien ist das sicher nachvollziehbar. Aber wenn eine Band versucht, Lieder aus fremder Feder zu eigenen Songs zu machen, stecken schon Arbeit und Kreativität dahinter, oder?
Sid: Es gibt ein Geheimrezept, das immer funktioniert: Behalte das Originaltempo bei, aber verändere die Arrangements. Dann hast du einen Song, den die Leute feiern, und es ist es zugleich eine echte Hommage an den Songwriter. Denn nichts anderes sollte ein Cover sein.

Wie gut ist euch das auf dem Album gelungen? Gehen die fremden Stücke auch als LOOKIT, MARTIANS!-Songs durch?
Sid: Egal, ob in der Musik, der Kunst oder der Wissenschaft: Ideenklau ist ein Kapitalverbrechen, insofern maßen wir uns natürlich nicht an, das Ganze als eigenes Material darzustellen. Vielmehr wollen wir mit „The Great Cover Conspiracy“ ganz explizit den Originalen Tribut zollen und vielleicht kommt ja sogar der eine oder andere Hörer dadurch auf den Geschmack. So bin ich übrigens auch auf viele „alte“ Bands gestoßen. Bestes Beispiel: „Bad moon rising“ auf dem ersten LAGWAGON-Album „Duh“. Das war 1992 meine erste Berührung mit CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL. Ich liebe diese Band und somit war es für uns nur konsequent, mit „Travelling band“ ebenfalls einen ihrer Klassiker zu covern.

Ihr habt euch bei der Songauswahl ja quasi auch bei euch selbst bedient. Einige von euch waren früher auch bei den BARBECUTIES aktiv. Ein Song der Band hat es jetzt auf das Album geschafft. Fiel euch die Entscheidung schwer?
Sid: Das war natürlich keine schwierige Entscheidung, denn der Song „Rock ’n’ Roll, Baby!“ steht sowohl musikalisch als auch textlich in einer Tradition mit den alten Coversongs. Der könnte auch problemlos aus einer Highschool-Liebesgeschichte der 1960er Jahre stammen. Daneben war die Neuauflage aber auch ein ganz besonderes Herzensprojekt, weil mein alter Kumpel Flip von TEQUILA TERMINATORS dazu ein fetziges Saxophonsolo eingenagelt hat, während Han, mein ehemaliger Bandkollege von den BARBECUTIES, ein paar feine Backing Vocals beisteuerte.

Ihr covert nicht nur bekannte Songs. Wer zur Hölle ist dieser „The Rieslinger“, bei dem ihr euch ebenfalls bedient habt?
Sid: Dudewig van Weedhoven alias The Rieslinger ist tatsächlich mein eineiiger Zwillingsbruder. Kurz nach Geburt wurden wir getrennt und er flog mit meinen Eltern runter zur Erde, genauer gesagt in die Pfalz, wo er aufwuchs und sich noch heute sehr wohl zu fühlen scheint. Er spielt Punkrock und singt dabei nur über Wein, weshalb sie ihn auch den „King of Schorlepunk“ nennen. Mit dem Cover seines Songs „Hot wine in the hot tub“ wollten wir ihm eine Ehre erweisen und als ich ihn diesbezüglich fragte, fand er die Idee großartig. Das zeigt, dass im Pop-Punk einfach alles geht: Nimm drei Akkorde und singe über maskierte Räuber, Hula auf dem Mars oder Weinschorle. Es klingt einfach immer großartig!

Junge Bands beklagen sich, dass es für Newcomer mit eigenen Songs schwierig ist, Auftrittsmöglichkeiten zu bekommen. Veranstalter buchen hingegen lieber Tribute-Bands, die den ganzen Abend nur Coversongs, zum Teil nur von einer oder zwei Bands, bringen. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?
Sveno: Ja, mittlerweile herrscht eine regelrechte Schwemme an Live-Shows. Letztens hatten wir die Diskussion darüber, ob man die Szene sogar totspielen kann. Da hat sich in den vergangenen Jahren viel verändert. Die Pandemie hat erst einmal alles ausgebremst. Dann rollte das Ganze wieder an und jetzt wollen natürlich alle zurück auf die Bühne, was zwangsläufig zu einer Übersättigung führt. Noch dazu wurde die Kundschaft zunehmend wählerischer und somit ziehen natürlich eher die bekannten Bands die Zuschauer, während kleinere Acts und Newcomer in die Röhre gucken.
Sid: Außerdem sitzt der Geldbeutel dank Inflation nicht mehr so locker wie noch vor fünf Jahren. Wenn du dann für eine Show mit drei unbekannten oder lokalen Bands zehn Euro Eintritt verlangst, ist das Gemecker plötzlich groß. Das ist total lächerlich. Aber ich sehe da auch keinen Ausweg, irgendwie muss man da eben durch. Schließlich geht es ja um die Freude an der Musik und die lassen wir Marsianer uns nicht so schnell verderben.

Bleibt das Album ein einmaliger Ausflug in das Reich der Coverversionen oder hattet ihr damit so viel Spaß, dass eine Wiederholung durchaus vorstellbar ist?
Sveno: Das Ganze war und ist natürlich schon richtig cool und ohnehin spielen wir die Songs auch immer gerne live. Parallel haben wir aber auch bereits 15 neue Lieder fertig geschrieben, die wir ebenfalls veröffentlichen möchten. Das Hineinfühlen in die alten Songs hat uns sehr dabei geholfen, unseren musikalischen Horizont zu erweitern. Das spiegelt sich wiederum stark im neuen Material wider, das zwar immer noch punkrockig ist, aber gleichzeitig auch noch mehr nach den 1960er Jahren klingt. Auch wenn wir Bands wie die QUEERS, METHADONES oder LILLINGTONS absolut lieben, zählen wir uns nicht zu den Puristen der Ramonescore-Kategorie. Und Lederjacken stehen uns Marsianern ohnehin nicht besonders gut, das überlassen wir lieber euch da unten.

Das Album trägt den Titel „The Great Cover Conspiracy“. Hand aufs Herz, wo liegt hier die Verschwörung? Ihr kommt jetzt hoffentlich nicht mit der Theorie, dass Elvis auf dem Mars weiterlebt?
Sid: Ihr Erdlinge seid die ganze Zeit einem Irrtum aufgesessen, denn Elvis ist tatsächlich gebürtiger Marsianer. 1958 trat er der Royal Martian Airforce bei und wurde auf der Erde stationiert. Dort entdeckte er das Singen und so kam eins zum anderen. Doch irgendwann wurde es ihm zu blöd und er kehrte auf den Mars zurück. Ihr denkt also bloß, er sei verstorben.

Das Album kann nicht nur akustisch punkten, sondern überzeugt auch durch ein tolles Coverartwork. Wer zeichnet dafür verantwortlich?
Sid: Ich bin überglücklich, dass wir diesmal unseren guten Freund Flo Kozak von Johnny Be Good Agency aus Wien gewinnen konnten. Ein wirklich fantastischer Künstler und ein Punkrocker durch und durch. Künstlerisch hatte er hierbei alle Freiheiten, denn ich weiß, dass er es bestens versteht, eine visuelle Interpretation unserer Musik zu entwickeln.
Sveno: Als er uns den finalen Entwurf zeigte, kamen uns fast Freudentränen: Der emotionale, irdische Abschied von Elvis und seine langersehnte Rückkehr auf den Mars im Jahr 1977. Das ist ein kleiner Schritt für euch Menschen, aber ein riesiger Sprung für uns Marsianer!