LIFE IS PUNK: KLAUS N. FRICK

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Ox-Schreiber im Porträt. Teil 4: Klaus N. Frick

Warum immer nur fremde Leute interviewen, wenn man auch selbst genug interessante Typen im Kreise der Schreiber hat? Also stellen wir regelmäßig altgediente Mitarbeiter vor, und diesmal ist Klaus N. Frick dran. Der ist „Vater“ unserer Fortsetzungsromanheldens Peter Pank, langjähriger Fanzine-Macher und im Hauptberuf Chefredakteur der Perry Rhodan-Serie.

Bitte stell dich vor.


Ich bin Jahrgang 1963, also jetzt 45 Jahre alt. Geboren wurde ich in einem Dorf bei Freudenstadt im Schwarzwald, wo ich auch sozialisiert wurde; in Freudenstadt ging ich zur Schule und hing im Jugendzentrum ab. Heute lebe ich in Karlsruhe, zwar unverheiratet, bin aber mit meiner Freundin/Lebensgefährtin seit über sieben Jahren zusammen.

Wie bist du einst zu Punk/Hardcore gekommen?

Ich habe tatsächlich 1977 zum ersten Mal Punkrock gehört, original im Radio, wo sie über die schreckliche neue Jugendkultur berichteten. Weitere Kontakte gab es über die Bravo, aber mehr ging zu der Zeit wirklich nicht; ich hörte dann immer wieder die Musik im Radio, und das war’s. Erste Kontakte zu „punkigen“ Leuten hatte ich irgendwann zu Beginn der 80er Jahre, als ich über mein Science-Fiction-Fanzine an entsprechende Leute rankam. Dann begann ich damit, durch die Gegend zu trampen; so richtig Punk war ich aber nicht. Okay, gelegentlich ein Konzert, aber eher so am Rand stehend, gelegentlich mal eine Demo und dazu eben einige schräge Freunde und Bekannte. So „richtig“ fing es tatsächlich erst ab 1984 an, als ich endlich ein Auto hatte und aus meinem kleinen Schwarzwalddorf weg konnte. Ich bin also ein klassischer Spätzünder. In den frühen 80er Jahren hätte ich mich nicht zur Punk-Szene gezählt, ich war zu weit weg davon. Ich sah „schlimm“ aus auf dem Dorf, das reichte dann schon: struppige Haare, Krawatte als Stirnband, zerrissene Klamotten – aber Punk war das dann nicht, keine Ahnung, wie man das heute nennen würde. Aber mich fanden die Leute scheiße, ich hatte viel Stress, und ich mochte weder meine Mitschüler noch meine Verwandten; das war dann wahrscheinlich trotzdem ziemlich punkig ... Was mich faszinierte, waren anfangs die Musik und vor allem das Anderssein, später war’s auch ein Ventil. Punk/Hardcore ließen mich meinen Frust zielgerichteter loslassen, Aggression und Wut hatten ein nachvollziehbares Ziel. Erst später kam auch der Aspekt Freundschaft dazu.

Was sind deine früheren, was deine heutigen „Szene“-Aktivitäten?

Wenn zu Szene-Aktivitäten das Kaufen von Platten und vor allem Kassetten gehört, war ich schon recht früh dran, so 1980, aber ich glaube, das ist nicht gemeint ... Also: meine früheren Fanzines waren im Science-Fiction-Bereich angesiedelt; erste Geschichten, die im weitesten Sinn „jugendkulturell“ waren, verfasste ich Anfang der 80er Jahre. Damals wäre das aber auch nicht Punk gewesen, sondern im weitesten Sinne Alternativliteratur. Ab 1986 machte ich dann mein Fanzine Enpunkt, dessen Name sich nicht vom „Ende“ ableitete, sondern von meinem „Mittel-Initial“, also dem „N.“; nun denn, eine Marotte, die ich konsequenterweise beibehalten habe. Der Enpunkt war anfangs gar kein Punk-Zine, sondern wirklich nur ein Egozine, in dem ich eben schrieb, was ich machte und tat, im Prinzip nichts anderes als heute mein Blog. Ich schrieb für andere Fanzines, unter anderem für Willi Wuchers Scumfuck Tradition in den 80er Jahren oder für das Zap in den 90er Jahren, wo unter anderem mein Fortsetzungsroman „Vielen Dank Peter Pank“ erschien. Ab etwa 1986 organisierte ich Konzerte und machte „Indie-Disco“ im Jugendzentrum, legte später auch in anderen Läden auf, und in den 90er Jahren war ich gelegentlich „Punk-DJ“ in der Katakombe in Karlsruhe. Ich trampte ab Mitte der 80er Jahre ständig durch die Gegend, besuchte andere Leute und war zeitweise wochenlang unterwegs; das war eine wichtige Punk-Aktivität, finde ich. Mein letztes Konzert organisierte ich 1994, damals hatten Lars und ich zweimal ein Schiff gemietet und waren mit Punk-Bands auf dem Rhein unterwegs, unter anderem mit WIZO, die damals recht populär waren. Seither half ich immer mal wieder gelegentlich aus, meine Wohnung war zeitweise ein Bettenlager für Bands wie FLUCHTWEG oder CAUSE FOR ALARM, also schön gemischt. Seit 1998 habe ich einige Bücher publiziert, die teilweise im Punk-Milieu spielen; mit denen reise ich gelegentlich durch die Gegend und halte Lesungen. Damit erschöpfen sich meine Szene-Aktivitäten dann auch schon. Ach ja, und ich mache meinen Blog: enpunkt.blogspot.com. Das ist wie früher mit den Fanzines, weil ich das schreibe, was mich interessiert, und mir ist egal, wer es liest und welche „Zielgruppe“ ich bediene. Also gibt es Punkrock-Texte, kurze Erzählungen, Platten- und Buchbesprechungen, Reiseberichte und allen anderen Kram.

Was machst du, um deinen Lebensunterhalt zu verdienen, wie war der Weg dorthin?

Meine Brötchen verdiene ich als Chefredakteur der „Perry Rhodan“-Serie, der größten Science-Fiction-Serie der Welt. Ich bin für den Inhalt der Heftromane, Taschenbücher, Hardcover, Hörbücher, Hörspiele und so weiter zuständig, koordiniere mit meinen Kollegen aber auch das Marketing, die Auslandsausgaben oder neue Projekte wie etwa Computerspiele. Langweilig wird es einem da nicht – und der Tag hat oft genug zu wenig Stunden. Ob das mein Traumberuf ist, kann ich nicht sagen. Nach der seltsamen „Karriere“ allerdings vielleicht doch ... Ich habe 1980 eine Lehre als Bürokaufmann angefangen und ein halbes Jahr später geschmissen. Danach war mir irgendwie klar, dass ich für normale Berufe nicht tauge; ich jobbte an der Tankstelle, im Wald und in der Landwirtschaft und jahrelang in einem Supermarkt – nachzulesen in „Vielen Dank Peter Pank“. Glücklicherweise konnte ich dank meiner Hobby-Schreiberei immer mehr Kontakte knüpfen und fing schon während der Schulzeit an, für die örtliche Tageszeitung zu schreiben und damit mein Geld zu verdienen. „Perry Rhodan“ verschlang ich als Jugendlicher mit Begeisterung, als Erwachsener war ich ein durchaus kritischer Leser, aber ich verlor nie den Kontakt. Und nach diversen Irrungen und Wirrungen – unter anderen in einem Wochenblatt und einer Agentur für Öffentlichkeitsarbeit – landete ich eben als Redakteur bei „Perry Rhodan“. Das mache ich seit 1992, und seither haben wir aus der Heftromanserie ein ziemliches Multimedia-Ding gebastelt.

Wie „punkrock“ ist dein Job, wo gibt es Berührungspunkte zu deinen privaten Interessen beziehungsweise zu Punk-Idealen, wo liegen die „Inkompatibilitäten“?

Ich arbeite in einem Verlag, der zu einem großen Medienkonzern gehört – sehr „punkig“ ist das nicht. Allerdings sind wir – weil niemand so recht versteht, was wir tun – mit unseren sechs Leuten eine kleine Insel in einem Verlag, der vor allem Frauenzeitschriften und Rätselhefte publiziert. Und wir machen im Prinzip das, was wir wollen; uns redet man in die eigentliche Arbeit nur sehr wenig rein. Das kommt daher, dass Science Fiction kein Genre ist, das viele Leute interessiert; also lässt man uns weitestgehend in Ruhe. Das ist dann schon wieder Punkrock; im Prinzip ist das alles „D.I.Y.“, weil wir als einzige Zeitschrift im Konzern das Marketing und das ganze Drumherum selbst machen und organisieren. Wenn ich mir das so recht überlege, ist das schon alles verdammt cool: Ich denke mir mit einem kreativen Autorenteam allerlei Geschichten aus, ich habe mit fitten Grafikern und Computerdesignern zu tun, mein Team ist schwer in Ordnung, und mit vielen Lesern verbindet mich eine gute Bekanntschaft. Ich versuche in meiner Funktion als Abteilungsleiter so korrekt wie möglich zu sein. Es gibt regelmäßige Teamtagungen, bei denen wir gemeinsam den Kurs festlegen, und ich versuche so viel wie möglich auszudiskutieren. Da ich allerdings letztlich immer den Kopf „nach oben“ hinhalten muss, gibt’s gelegentlich undemokratische Chef-Entscheidungen. Nein, „punkrock“ ist das dann nicht mehr.

„Eine andere Welt ist möglich“, sagt attac. Was sagst du, was tust du dafür?

Ich bin Mitglied in der Menschenrechtsvereinigung „Gesellschaft für bedrohte Völker“ und unterstütze „Ärzte ohne Grenzen“; ansonsten bin ich passiv. Gelegentlich mache ich bei Demos mit oder helfe aus, wenn es darum geht, ein Antifa-Festival zu unterstützen. Letztlich versuche ich halt, durch meine Argumentation den Leuten meine Meinung zu vermitteln. Gerade in der aktuellen Finanzdiskussion kann man immer wieder schön mit Leuten diskutieren, die in anderen Zeiten für die CDU oder FDP schwärmten. Dass das alles nicht ausreicht, weiß ich. Ich bin mit meiner eigenen Rolle in der Gesellschaft häufig unzufrieden. Allerdings glaube ich im Nachhinein nicht, dass viele der Aktionen, an denen ich früher beteiligt war, mehr genutzt haben – sie haben zumindest gelegentlich Spaß bereitet und den richtigen Leuten geschadet, die Gesellschaft hat es allerdings nicht verändert. Das klingt arg resigniert, ich weiß, aber ...

Wie reagiert dein Umfeld (privat wie beruflich) auf deine Punkrock-Vorliebe? Verständnis, Erstaunen, Unkenntnis?

In der Zeit, als ich mit bunten Haaren und Lederjacke – trotz eines Chefredakteur-Titels – zur Arbeit kam, erregte ich sicher mehr Aufsehen. Die meisten Leute, die heute im selben Verlag arbeiten wie ich, haben keine Ahnung, was ich privat tue und denke. Ich sehe ja auch bieder aus, habe eine stinknormale Frisur, irgendeine Jeans und ein Hemd; mit den meisten habe ich keinen Kontakt, die kennen mich vielleicht von der Kantine her. Die Leute, mit denen ich direkt zusammenarbeite, wissen um meine „Obsessionen“, und für die ist es wahrscheinlich eher eine Art Hobby: Manche Leute züchten Karnickel, der Herr Frick geht auf seltsame Konzerte und Demos. Im privaten Leben ist es glücklicherweise einfacher: Die meisten Leute, mit denen ich zu tun habe, entstammen im weitesten Sinn einem subkulturellen Milieu, die kennen sich mit Punkrock und so also auch aus; man kennt sich aus der Steffi oder der Kombe, ging früher selbst auf Demos und Konzerte, auch wenn das vielleicht eher Gruftie-Kram war ...

Punk war mal eine Jugendbewegung. Wie lässt sich das mit deinem Alter vereinbaren? Für immer jung, für immer Punk? Oder manchmal doch das schleichende Gefühl, für irgendwas zu alt zu sein?

Ich sehe mich nicht mehr als Punk oder Punkrocker. Mit 45 Jahren, als Chefredakteur mit Dienstwagen ... ich finde, das wäre arg daneben, sich immer noch als Punk zu bezeichnen. Ich habe den Punk sicher noch insofern im Kopf, dass ich mich in Autonomen Zentren und anderen Konzertorten eben wohler fühle als beispielsweise auf Konferenzen oder im Konzerthaus; der sowieso ironisch gemeinte Spruch „für immer Punk“ trifft bei mir aber nicht zu. Dass ich mir gelegentlich zu alt vorkomme, das hatte ich schon in den späten 80er Jahren auf Hardcore- oder manchen Deutschpunk-Konzerten. Lustig ist, wenn ich die Kid-Punks von früher wieder treffe, die amüsanterweise häufig in einem stärkeren Maße spießig geworden sind als ich selbst.

Bei welcher Gelegenheit hast du angefangen, über Musik zu schreiben?

Irgendwann Mitte der 80er Jahre, als ich in meinen Fanzines – ich machte vor dem Enpunkt ja haufenweise anderer Blätter – eben immer wieder über Platten und Konzerte schrieb. Die Motivation war dieselbe wie heute: Ich wollte mich mitteilen, wollte meine Eindrücke mit anderen Leuten teilen. Mein Fanzine Enpunkt, dessen aktuelle Ausgabe schon seit über zwei Jahren auf sich warten lässt, werde ich demnächst einstellen; ich schaffe es einfach nicht, es in der Qualität regelmäßig herauszubringen, die ich gerne hätte. Zudem macht mir das Verkaufen keinen Spaß, das Schreiben umso mehr. Da bin ich dann froh, wenn ich im Ox oder in anderen Fanzines meine Texte veröffentlichen kann. Das ist möglicherweise übrigens auch noch ein Punkrock-Rest bei mir: Mein Ausgleich zum kommerziellen Schreiben im Beruf ist dann das Verfassen von unkommerziellen Punkrock-Texten, mit denen ich garantiert kein Geld verdiene ...

Wie und wo hast du das Ox erstmals wahrgenommen?

Ich nehme an, dass ich Besprechungen in anderen Heften wie dem Zap gelesen habe. Die ersten Ox-Ausgaben habe ich nicht gelesen; mein erstes Ox war die Nummer 9 oder 10, auf jeden Fall noch in diesem merkwürdigen, zeitungsähnlichen Format. Es war auf jeden Fall sehr früh, dass ich mir das erste Heft kaufte, bei irgendeinem Mailorder mitbestellt.

Und was hat dich dann bewegt, beim Ox mitzumachen?

Nach dem Ende des Zap ging es mir schlicht darum, für meinen Fortsetzungsroman mit Peter Pank ein Heft zu finden, das regelmäßig erschien und auch eine gewisse Kontinuität versprach. Joachim hat „ja“ gesagt, und seitdem bin ich beim Ox. Das ist schon gut ein Dutzend Jahre her, und im Verlauf der Jahre ist immer mal wieder ein kleines Interview, eine Kolumne und die eine oder andere Plattenbesprechung hinzugekommen.

Was macht für dich heute den Reiz aus, für das Ox zu schreiben?

Es ist meiner Ansicht nach – neben dem Plastic Bomb – das einzige der „großen“ Hefte, mit dem ich inhaltlich eine hohe Überschneidung feststelle. Anders gesagt: auch wenn ich viele der Interviews nicht so spannend finde, was daher kommt, dass viele Musiker nun mal in erster Linie Musik machen und nicht politisch-gesellschaftliche Gedanken hegen, mag ich das Heft und nutze es als Informationsquelle unter anderem in Sachen Plattenkauf. Und da dran mitzuarbeiten, macht mich stolz.

Woher schätzt du die Entwicklung des Heftes ein, wie sollte es weitergehen?

Meiner Ansicht nach sollte einerseits der Fanzine-Charakter wieder gestärkt werden und anderseits wäre eine höhere Professionalisierung wünschenswert. Mit Fanzine-Charakter meine ich: mehr Straßentauglichkeit, mehr Texte von Leuten aus der Szene, die beispielsweise über Demos und Aktionen berichten, eben weniger reine Musik-Berichterstattung. Und das Professionelle bezieht sich darauf, dass ich viele Interviews austauschbar finde. Dann doch lieber weniger Interviews und die stärker aufs Persönliche der betreffenden Menschen gehend. Da gab es in letzter Zeit immer mal wieder gute Beispiele. Und: vielleicht weniger Plattenbesprechungen, dann lieber mal einen Sammelartikel nach dem Motto „Die aktuellen Hardcore-Platten“. Das ist zwar nicht so schön alphabetisch, aber vielleicht lesbarer.

Welche Bands/Platten und Genres haben dich früher beeindruckt und beeinflusst, welche sind es heute?

Ganz klar, das waren die ersten Bands. Ich höre immer noch gern THE CLASH und DEAD KENNEDYS, um mal meine klassischen Favoriten zu nennen; immer mal wieder lege ich THE WIPERS auf, und von den deutschsprachigen Bands werde ich wohl immer NEUROTIC ARSEHOLES lieben. Ich könnte aber so weitermachen: Die DICKIES oder AGENT ORANGE für frühen Ami-Punk, SPERMBIRDS, NEGAZIONE und SO MUCH HATE für den Euro-Hardcore, SLIME und RAZZIA für den alten Deutschpunk und so weiter ... Sooo viele tolle Bands! Heute sind es nicht mehr so viele, die mich beeinflussen, was aber nicht an den Bands liegt, sondern an mir: Man wird halt nun mal am stärksten geprägt, wenn man jung ist. Dabei gibt es heute sehr gute Bands. Zuletzt hörte ich gern und oft DUESENJAEGER und NEIN NEIN NEIN, aber dann auch Zeugs wie DEAN DIRG und SNIFFING GLUE und so weiter ... Allerdings dürfte mich diese Musik kaum noch verändern, glaube ich.

Was ist heute das größte Ärgernis in Zusammenhang mit Musik?

Kann ich so nicht beantworten. Das liegt ja immer im Auge des Betrachters. Und wenn jemand eben lange Zeit eine Musikrichtung verfolgt, ändert sich einfach sein Blick. Insofern liegt das Ärgernis bei einem selbst. Heutzutage gibt es sicher genauso viele gute Bands wie früher, vielleicht sogar mehr, aber der Neuigkeitseffekt ist weg. Das erklärt ja auch den Erfolg von Oldie-Rock-Shows: Die schon etwas älter gewordenen Rock-Fans gehen lieber zu Suzi Quatro, als sich eine neue Rock-Band anzugucken ...

Wie groß/klein ist deine Plattensammlung, wie wichtig ist sie dir, welche Formate bevorzugst du?

Auch wenn es meine Lebensgefährtin massiv bestreiten wird, sehe ich mich nicht als Sammler. Nicht als ernsthaften Sammler zumindest, denn mir ist es egal, ob ich von einer Platte die Erst- oder die Siebtpressung habe; ich bin ein „Hörer und Habenwoller“, wodurch sich im Laufe der Jahre dann doch rund 5.000 Tonträger angesammelt haben. Dabei geht es stilistisch quer durch den Gemüsegarten: Pop-Punk und Hardcore, alte Wave- und NDW-Platten, gelegentlich mal neuer Indierock und auch mal eine Jazz- oder Klassik-Platte. 95 Prozent der Tonträger in meinem Schrank sind im weitesten Sinne Punkrock und Hardcore, bei den 7“s dürften es 99 Prozent sein. Ich liebe übrigens Singles und kleine Platten generell, sogar die 10“ finde ich klasse. Gerade kleine und unbekannte Bands können auf einer EP mit vier Stücken zeigen, was sie drauf haben: Da bleibt kein Raum für Füller, kein Platz für lustige Zwischenspielchen, da kommt es darauf an, auf den Punkt zu kommen. Bei einer EP kaufe ich oftmals auch „blind“, sprich, ich gehe rascher ein Risiko ein und lege mir auch einen Tonträger von einer völlig unbekannten Band zu. Kassetten hatte ich früher sehr viele, ich habe die legendären Berlin-Tapes in den 80er Jahren geliebt und bei „Euer Geld ist unser Geld“ unglaublich viel Geld – für meine damaligen Verhältnisse – investiert. Bands wie KFC oder ZK oder DIDAKTISCHE EINHEIT lernte ich 1980/81 ausschließlich über Tapes kennen. Heute höre ich Kassetten praktisch nicht mehr, was ich dann schon wieder traurig finde. Demnächst kaufe ich mir aber einen neuen Tape-Recorder, das habe ich mir vorgenommen. Und CDs? Hm ... Meine Abneigung schwand im Lauf der Jahre; es kann mittlerweile vorkommen, dass ich mir bewusst eine kaufe. Zumeist sind CDs in meinen Plattenschränken aber die Tonträger, die ich zum Besprechen erhalten habe – wenn mir dann übrigens eine Platte so richtig gefiel, kaufte ich sie meist auf Vinyl nach ...

Wie steht es um dein Konsumverhalten? Wie viel Geld hast du früher für Platten ausgegeben, wie viel heute?

Es gab eine Zeit, da kaufte ich mehr Comics als Platten, so Mitte der 80er Jahre. Und dann gab es eine Zeit, da steckte ich relevante Teile meines Einkommens in Schallplatten. In Zahlen kann ich es aber nicht ausdrücken; ich habe viele Platten bei Secondhand-Händlern gekauft. Heute gebe ich nicht mehr so viel Geld für Schallplatten aus wie früher, absolut und prozentual zum Einkommen. Der banale Grund: Ich habe nicht mehr so viel Zeit, die Musik auch anzuhören.

Gibt es heute Wichtigeres (Hobbys, Beruf, Familie ...) in deinem Leben als Punkrock, wie gehst du mit eventuellen Interessenkonflikten um?

Leider hat der Beruf einen immer größeren Anteil an meinem Leben gewonnen; das bereue ich oft, aber ich sehe keine große Chance, das grundsätzlich zu ändern. Dass meine Partnerin einen größeren Einfluss hat, sehe ich aber als positiv an. Das hat ja viele positive Seiten. Und wenn mich dann jemand als spießig bezeichnet, na ja, dann kann ich auch nichts machen.