Legendäre Compilations: V.A. - Wir warten auf die Lindenstraße (LP, Vielklang, 1989)

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Diese rund vier Wochen vor Öffnung der Berliner Mauer im Herbst 1989 im legendären Preußen Tonstudio aufgenommene Compilation hatte eine Reihe echter Punk-Prominenz zu bieten, die keinerlei genauerer Vorstellung mehr bedurfte. Somit geht es bei diesem Vinylalbum im Gatefoldcover schon konkret um die 1985 gestartete und im März 2020 endende ARD-Dauerserie. Und auch wenn die LP nie einen richtigen Kultstatus erreichte, so ist sie musikhistorisch doch nicht völlig unwichtig, denn hier ist der später populär gewordene Ansatz „Pop meets politics“ schon deutlich erkennbar. Den Anfang machen die Fun-Punker FROHLIX, von denen der Titelsong „Wir warten auf die Lindenstraße“ in gewohnt stupider Manier dargeboten wird. Das ist leider auch der einzige Videoclip, den es zur Platte gibt. ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN, seinerzeit auf dem Gipfel ihrer Popularität, spielen „Die Kuh“, ein verunglücktes Lied, das in der Serie selbst als Hausmusik performt wurde. Danach kommt INCREDIBLE HAGEN samt seinen DIE ÄRZTE-Mitstreitern Farin (mit schwarzer Perücke) und Bela B. Der Bassist Hagen selbst war gemeinsam mit Martin Keß und Thommy Hein auch federführend bei diesem Plattenprojekt. Somit hat dieser ohnehin nicht in allen Belangen heitere Sampler auch wieder etwas Trauriges, denn Hagen Liebig und Brieftauben-Konrad weilen bekanntlich nicht mehr unter uns. Die noch im Band-Anfangsstadium musizierenden EL BOSSO & DIE PING PONGS sind mein Highlight der A-Seite. Sie singen in „Das wahre Leben“ über Kern und Bedeutung der wohl einzigen nachhaltig erinnerbaren deutschen Fernsehserie. Da heißt es punktgenau: „Jeden Sonntag kurz vor sieben / Freu’ ich mich aufs wahre Leben / Vor dem Fernsehapparat / Bleibt mir kein Problem erspart.“ Das Ganze im BAD MANNERS-Style mit dem Disco-ähnlichen Ska jener Tage („Schluckauf-Musik“). Die B-Seite eröffnet Norbert Hähnel alias „Der wahre Heino“, begleitet von einem Drum’n’Bass-Sound, der fast schon an Techno erinnert. LÜDE & DIE ASTROS spielen rockigen Punk, wobei die Verse klingen, als hätte Udo Lindenberg sie verfasst, ehe der Refrain schroff in Deutschpunk mündet. Autor Max Goldt erzählt zu Cello-Klängen derben Unsinn über Carsten Flöter und DIE GOLDENEN ZITRONEN (mit Calamity Jane) bringen schwungvolles Liedgut in Englisch auf die Platte. Die LP bringt bei Discogs, trotz der illustren Namen, im Schnitt 3,75 Euro, die CD immerhin 7,90 Euro. Norbert Hähnel wollte mir jedenfalls keine Frage dazu beantworten, was meine These stützt, dass das wohl doch nicht der große Wurf in Sachen „Lindenstraße“ war, die damals irgendwie Punk war und für viele eine liebgewonnene Sonntagabend-Tradition.