LEBER

Foto© by Tim Reiche

Spieglein, Spieglein an der Wand

LEBER, das sind fünf junge Musiker:innen aus Linz, die das DIY-Prinzip leben und unglaublich umtriebig sind. Andrea (Gesang und Bass) Lisa und Nadine (Gitarren), Larissa (Synthesizer) und Hannes (Drums) haben dem Ox ihr allererstes Interview überhaupt gegeben. Wir sprachen über Musik, Punk in Österreich, Geschlechterverhältnisse und Spiegelverkehrtes.

Was ist die Geschichte hinter LEBER?

Andrea: Wir kommen aus Linz, aus Oberösterreich. LEBER gibt es so richtig erst seit gut einem Jahr. Im November 2022 haben wir uns ein erstes Mal bei im Proberaum getroffen und einmal ausprobiert, wem eigentlich welches Instrument zusagen würde. Das war der Start als Band, aber wir kennen uns schon viel länger. Wir sind schon lange befreundet. Unsere Verbindung war aber schon immer die Musik. Wir sind eigentlich jedes Wochenende gemeinsam auf Konzerten und Festivals unterwegs.

Wie seid ihr zu eurem Band-Namen gekommen?
Lary: Das ist eine ganz witzige Geschichte. Ein Freund von uns kannte einen Tätowierer. „Der kommt rum. Kommt doch dazu und lasst euch was stechen.“ Ich war dann dort und wollte auf die Innenseiten der Finger beider Hände „Rebel“ tätowiert haben, je einen Buchstaben. In der einen Hand sollte der Begriff spiegelverkehrt geschrieben werden. Und alle sagten noch: „Nee, mach das nicht.“ Aber ich habe nicht hören wollen und dachte danach: „Scheiße, jetzt habe ich eine Rebel Leber!“ Das ist die Geschichte.
Nadine: Auf der Geburtstagfeier, wo wir die Band gegründet haben, war schnell klar: Wir können nur LEBER heißen.

Seitdem sind mehrere EPs als Stream erschienen bzw. als Tape. Und ihr konntet zuvor noch nicht einmal ein Instrument spielen, stimmt das?
Andrea: Und das ist ja das Schöne daran. Wir sind quasi mit null Kenntnissen vom Musikmachen eingestiegen und haben es trotzdem geschafft, indem wir gemeinsam lernen und daran arbeiten. Für uns war es von Anfang an das Schönste, dass wir gemeinsam als Freund:innen ein Projekt starten und die Dinge, die uns privat bewegen, jetzt auch musikalisch umsetzen können. Das ist für uns eine totale Bereicherung. Es war November oder Dezember, als es losging. Alle waren irgendwie down. Alles war grau draußen. Wir brauchten was Neues, woran wir wachsen können. Es ist bei den Proben ein bisschen wie bei einer Therapie-Sitzung, weil wir die Themen ja ohnehin besprechen. Nur dass wir es jetzt auch noch so richtig rausschreien können und vielleicht auch bei anderen Personen Begeisterung auslösen können oder anregen können, sich Gedanken zu machen.
Nadine: Und es fühlt sich auch einfach gut an. Egal, wie schlecht man vielleicht auch vorher gelaunt war. Nach der Probe fühlt sich alles irgendwie besser an.
Hannes: Unsere Songs werden immer von der gesamten Gruppe geschrieben. Wir diskutieren über Sachen, die vorgefallen sind. Was die EPs angeht: Wir haben Bock, Songs zu releasen. Wir haben Bock, die Songs an die Leute zu bringen. Die Songs sind schließlich zum Hören da.

Wie viele Songs habt ihr gegenwärtig im Repertoire?
Andrea: Aktuell spielen wir dreizehn Songs. Die sind maximal zwei Minuten lang, wenn überhaupt. Das ist noch wenig, aber dafür in die Fresse.

Bemerkenswerterweise ist es euch dann auch noch in kurzer Zeit gelungen, euch eine gewisse Bekanntheit in Österreich zu erspielen.
Andrea: Wir fragen uns auch, wie das bisher gelungen ist. Wir hatten schnell begonnen, Konzerte zu spielen und ich glaube, die Energie, die dabei rüberkommt, trägt uns und natürlich unsere Messages. Das scheint gut anzukommen.
Nadine: Die Leute fühlen sich von uns verstanden, weil wir rausschreien, was sie empfinden: Das spielt gewiss auch eine große Rolle. Sie fühlen sich jetzt vielleicht auch bestärkt, über Dinge zu reden und diese zu ändern oder wenigstens damit umgehen zu können. Nimm zum Beispiel das Tabu-Thema Femizid, da hilft schon mal Schreien.
Lisa: Was uns vielleicht auch geholfen hat, ist, dass wir sehr motiviert sind. Wir haben echt Freude und Spaß an der Band und treffen uns mindestens einmal in der Woche zum Proben. Alles ohne Druck. Wir glaubten ursprünglich, nach einem Jahr Proben erste Konzerte zu spielen. Und dann kam das viel früher als geplant.
Nadine: Und zu sehen, dass es auch den Leuten Spaß macht, wenn wir spielen, machte uns klar, dass wir das öfter machen wollen. Überhaupt gefallen mir die vielen neuen Erfahrungen, die wir machen. Ich war vorher nie in einer Band.
Hannes: An dieser Stelle möchte ich mal ein Danke sagen an alle, die uns unterstützen, so dass wir hier heute überhaupt zusammensitzen können.

Ihr wurdet also entdeckt?
Hannes: Wir sind viel auf Konzerten unterwegs und gut vernetzt. Auch in Deutschland. Irgendwann ist dann Mani Diggetmüller von Læssig Booking, den wir schon ewig kennen, auf uns aufmerksam geworden und wollte wissen, wie wir live funktionieren. Und dann hat er uns angeboten zusammenzuarbeiten.
Nadine: Kaum, dass wir einen ersten Song online veröffentlicht hatten, wurden wir schon gefragt, ob wir live spielen wollen. Anfangs lief alles über Social Media.

Wie würdet ihr eure Musik beschreiben?
Lisa: BIKINI KILL, AMYL AND THE SNIFFERS und PISSE sind große Einflüsse für uns.
Larissa: Ja, PISSE. Von denen war auch unser erster Cover-Song. Also, der erste Song, den wir geübt haben, um überhaupt einmal mit den Instrumenten in Berührung zu kommen.
Andrea: HANS-A-PLAST ist auch ein großer Einfluss.

Ihr beschäftigt euch in euren Songs viel mit Geschlechterverhältnissen. Wie wird in der österreichischen Szene über FLINTA-Kritik an so empfundener toxischer Männlichkeit und mangelnde Awareness in der Szene diskutiert?
Lisa: Wir erleben das ganz unterschiedlich. Früher als Zuschauer:innen und heute auf der Bühne kämpfen wir immer wieder und noch mit Vorurteilen und Klischees. Uns wurde zu Anfang zum Beispiel nicht zugetraut, dass wir diese Musik selber schreiben und spielen können, sondern dass die Texte und Kenntnisse von männlichen Personen kommen. Die Sache mit den Klischees gilt auch für Locations, die sich eigentlich ganz anders präsentieren, und wo man gar nicht davon ausgehen würde, dass man beim Hereinkommen belächelt wird: Wir kommen hergerichtet und geschminkt in die Location, tragen meistens schon unser Bühnenoutfit. Wenn wir dann gespielt haben, kommen die Leute ganz anders auf uns zu. Wir haben offensichtlich doch Power auf der Bühne entladen und plötzlich sind die Männer nett und reden gerne mit uns. Das ist zu Anfang häufig nicht der Fall.
Nadine: Wir sehen inzwischen auch oft, dass sich die Dinge in eine richtige Richtung entwickeln. Man sieht zum Beispiel immer mehr Tontechnikerinnen oder es kommen Frauen nach dem Konzert zu uns und sagen, dass sie auch gerne Musik machen würden. Die kann man nur ermutigen, es dann auch zu tun. So wie wir es getan haben.
Lisa: Schön ist auch das Feedback aus dem Publikum zu unseren Texten, die nicht gerade sehr lang sind. Aber oft reichen diese drei Wörter aus und die Person sagt, dass es ihr heute genauso gegangen sei, und sie jetzt auch jemandem ins Gesicht schreien möchte.
Larissa: Ich glaube, dass in den Kreisen und Locations, wo wir uns bewegen, Awareness ein großes Thema ist. Ich kann mir aber vorstellen, dass das regional je nach Szene verschieden ist. Im Punk und Hardcore ist es das große Thema. Wir kennen Fälle, wo Cis-Männer sich dominant verhalten haben und direkt darauf angesprochen oder auch der Location verwiesen wurden. Wir sind auf dem richtigen Weg. In anderen Szenen ist das in Österreich wohl eher nicht so Thema. Ich kann mir vorstellen, dass hier noch viel passieren muss.
Andrea: Viele Locations stellen inzwischen Awareness-Teams, aber so richtig sicher fühlt man sich trotzdem noch nicht. Das funktioniert noch nicht überall über die symbolische Ebene hinaus. Da fehlt es noch an Bewusstsein.
Nadine: Aber es gibt schon einige Locations, da merkt man, dass es ein wichtiges Thema ist.
Hannes: Awareness ist in Österreich genauso Thema wie in Deutschland. Ich finde auch, dass es Schritte in die richtige Richtung gibt. Das Thema steht im Raum, wird angesprochen und diskutiert. Aber es ist erst ein Anfang gemacht. Dass es trotzdem noch zu Zwischenfällen kommt, ist echt ärgerlich. Zum Glück gibt es die Leute, die übergriffige Personen ansprechen und auch aus der Location rausbegleiten. Wir hatten das vor kurzem auch bei einem Konzert wieder erlebt. Es mangelt manchem noch an Selbstreflexion.

Welche anderen Themen bewegen euch noch?
Andrea: Das Patriarchat als Machtverhältnis wie zum Beispiel die Toxizität in allen möglichen Beziehungen, und natürlich besonders, wo immer Männer sich übergriffig und dominant gegenüber Frauen verhalten. Wenn wir auf der Bühne viel Schreien, ist das auch ein Zeichen für diese Unfairness. Machtkritik inspiriert uns immer wieder, neue Songs zu schreiben.

Ich bekenne mich zur Ahnungslosigkeit. Was geht sonst in Sachen Punk in Österreich?
Hannes: Die österreichische Musikszene ist eigentlich sehr cool, gerade was Punk betrifft. In Wien gibt es eine relativ große Szene für Punk, Hardcore und Stoner Rock. Hier in Linz haben wir eine recht große Thrash-Metal-Szene. Überhaupt ist Linz generell gesegnet, was Locations angeht. Es gibt zum Beispiel die Kapu, unseren Stammladen, wohin wir meistens zu Konzerten gehen. Dort gibt es vor allem Punkrock. Es ist eigentlich immer super dort. Eine super Szene gibt es noch bei uns in der Nähe im deutschen Burghausen. Die haben dort eher einen Schwerpunkt im Hardcore und holen eine Top-Band nach der anderen.
Andrea: Diese lokalen Szenen sind auch miteinander sehr gut vernetzt, was natürlich auch uns hilft und anderen Bands. Hier geht viel DIY.

Es gibt doch bestimmt auch DIY-Medien in Österreich, Fanzines etwa?
Hannes: Das ist noch ausbaufähig. Auf Anhieb fällt mir kein Zine ein. Es gibt hin und wieder Versuche, Online-Magazine zu etablieren, die nach einem Jahr wieder verschwinden. Als größeres Underground-Zine wäre das Nailhead Magazine zu erwähnen, das überwiegend online publiziert. Mir fällt aber noch eine anderes Print-Format ein, das unser Freund Thomas Gasperlmair gestaltet und herausgibt: The Raw Stuff. Das Heft kommt einmal im Jahr und stellt Illustrator:innen, Tattoo-Artist:innen und andere Künstler:innen, auch Musiker:innen, mit Bezug zum Underground und deren Arbeiten vor.

Was steht für LEBER in der nächsten Zeit auf dem Plan?
Andrea: Konkrete Pläne haben wir nicht. Wir gehören eher zu den Bands, die das spontan angehen. Konkret ist aber auf jeden Fall, dass wir für eine nächste EP bereits bald wieder Songs fertig haben werden, also für die vierte EP. Vielleicht ergibt sich dann auch mal eine Vinyl-Veröffentlichung. Wir genießen und planen ohne Druck. Es wäre blöd, wenn wir uns jetzt Stress machten. Es läuft ja gut.
Hannes: Und viele weitere Konzerte sind auch schon geplant.

Eure aktuellen Lieblings-Alben sind ...?
Larissa: Am liebsten höre ich zurzeit SPACED und GEL, von beiden Bands fresse ich alle Alben. Und CHERRY GLAZERR, das ist ganz was anderes, höre ich aber gerade gern.
Hannes: Meine Top-Alben sind „Funhouse“ von THE STOOGES und das erste RAMONES-Album. Und mein absolutes Lieblingsalbum ist „Emotional Mugger“ von Ty Segall.
Andrea: Lieblingsalben habe ich gerade nicht, aber Bands wie BIKINI KILL und AMYL AND THE SNIFFERS stehen bei mir ganz weit oben.
Lisa: Ja, bei mir auch. David Bowie geht immer.
Nadine: Ich mag gerade DESTROY BOYS. ABBA geht auch immer.

Was ihr immer schon gesagt haben wolltet?
Andrea: Macht, wozu ihr Lust habt. Probiert was aus. Legt los und lasst euch nicht aufhalten.
Nadine: Ich finde es schön, andere Leute begeistern zu können, selbst aktiv zu werden, damit die Szene ein bisschen bunter und vielfältiger wird.