Zusammen mit TOUCHÉ AMORÉ und DEFEATER waren LA DISPUTE lange Zeit die Vorreiter in Sachen Spoken-Word-Post-Hardcore. Mit „Panorama“ geben sie nun ein langersehntes neues Lebenszeichen ab, das vor allem Sänger Jordan Dreyer dringend gebraucht hat. Schließlich hat sich in den knapp fünf Jahren seit der letzten regulären Veröffentlichung einiges getan, über das geredet werden muss. Wie Dreyer mit den Erwartungen an eine neue LA DISPUTE-Platte umgeht, wovon die zehn neuen Songs handeln und warum ausgerechnet Musik für ihn so wichtig ist, erzählt er im Interview.
Jordan, auf eurer neuen Platte „Panorama“ erzählst du unter anderem Geschichten über den Tod. Wie emotional war es für dich, die Texte für dieses Album zu schreiben und wie hast du dich am Ende der Produktion gefühlt, als alle Songs im Kasten waren?
Um ehrlich zu sein, habe ich mich zum Schluss auf mehreren Ebenen sehr erleichtert gefühlt. Die Aufnahmen haben sehr viel Zeit in Anspruch genommen, in der ich von meiner Familie getrennt war. Ich kenne das ja schon von den anderen Alben und vom Touren, jedoch ist es für mich immer wieder schön und auch eine Erleichterung, nach so einer langen Zeit wieder heim zu kommen. Auf der anderen Seite habe ich auch gelernt, verschiedene Dinge nicht mehr allzu nah an mich heranzulassen oder sie über einen zu langen Zeitraum mit mir herumzuschleppen. Seit wir 2011 „Wildlife“ veröffentlicht haben, musste ich die eine oder andere Hürde überwinden sowie persönliche Tragödien endlich vernünftig verarbeiten. Am besten gelingt mir das tatsächlich immer noch in den Texten für LA DISPUTE-Songs. Anders als zuvor ist auf „Panorama“ die persönliche Verknüpfung zwischen mir und den Inhalten meiner Texte vielleicht sogar ein bisschen enger. Wenn du über Schicksalsschläge schreibst, die dir oder Menschen aus deinem Umfeld passiert sind, achtest du automatisch ganz anders auf die Worte, die du benutzt. Es ist eine andere Art des Geschichtenerzählens.
Gibt es etwas, das für dich zu emotional ist, um einen Text darüber zu schreiben?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mich allen Erlebnissen nähern kann, solange ich eine gewisse Art von Respekt wahre. Respekt gegenüber den Personen, deren Erlebnisse ich verarbeite und Respekt gegenüber mir selbst. Auch im Zuge der Aufnahmen zu „Panorama“ kam es vor, dass ich anfing, mit einem ganz konkreten Thema zu arbeiten und mir dann überlegt habe, dass es mehr Sinn macht, manche Dinge etwas offener zu beschreiben. Ich entferne mich von einem Problem, um die Lösung vielleicht sogar auch auf andere Dinge übertragen zu können. Das gibt auch den Zuhörern die Möglichkeit, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen und die Aussage des Songs auf ihr eigenes Leben zu projizieren.
Ist es denn so, dass du dir die Gedanken komplett von der Seele schreibst? Oder kommen deine Dämonen immer wieder, wenn ihr bestimmte Songs spielt?
Als wir mit LA DISPUTE anfingen war es definitiv schwerer, manche Songs live zu spielen. Das führte sogar dazu, dass wir ein paar Sachen nach den Aufnahmen gar nicht mehr live gespielt haben. Mittlerweile ist es etwas anders. Ich habe gelernt, mit meinen Gedanken zu arbeiten und mich vor allem live ein wenig davon zu entfernen. In solchen Momenten achte ich darauf, wie die Menschen, die mir da gerade gegenüberstehen, mit den Songs umgehen und was sie damit verbinden. Das ist schon emotional genug.
Wer entscheidet bei euch, in welche Richtung es auf euren Alben gehen soll?
Bis jetzt war es immer so, dass ich mit einer ungefähren Idee, einer Art Konzept oder rotem Faden auf die anderen zugehe und wir dann alles zusammen besprechen. Ich habe tatsächlich oft schon konkrete Vorstellungen davon, wie die Stimmung in den Songs sein soll und welches Gefühl transportiert wird. Gemeinsam arbeiten wir dann an den Details und der Ausarbeitung.
Die Spoken-Word-Lyrics sind ja eigentlich schon Alleinstellungsmerkmal genug. Musikalisch bewegt ihr euch zwischen Post-Hardcore und Post-Rock. Habt ihr jemals darüber nachgedacht, einen einfachen Punkrocksong zuschreiben?
Auf „Rooms Of The House“ haben wir 2014 tatsächlich versucht, mehr in Richtung simpler Punkrocksongs zu gehen. Wir wollten, dass unsere Songs etwas konventioneller klingen und dass sie eine einfachere Struktur haben. Auf „Wildlife“ war es andererseits noch so, dass wir immer wieder neue Parts aneinandergereiht haben. Dieses Mal hatten wir wieder einen neuen Ansatz: Wir wollten, dass die Instrumente oder der Song, die Lyrics untermalen. Dafür haben wir darüber sinniert, was wir wo einsetzen wollten, um eine ganz bestimmte Stimmung zu erzeugen.
In Songs wie „There you are“ klingt ihr stellenweise wie die frühen AT THE DRIVE-IN, die ja auch einen ähnlichen inhaltlichen Ansatz haben wir ihr. Würdest du sagen, dass jedes Kunstwerk, das heutzutage veröffentlicht wird, auch ein Statement ist?
Als wir uns zum Schreiben von „Panorama“ getroffen haben, konnten wir das angespannte politische Klima überall spüren. So etwas hat automatisch auch einen großen Einfluss auf uns als Mensch und die Erfahrungen, die wir machen. Vieles fühlt sich im Moment sehr schwer an. Tatsächlich habe ich auch anfangs darüber nachgedacht, der ganzen politischen Situation einen größeren Platz auf der Platte einzuräumen. Schlussendlich habe ich mich dagegen entschieden. Ich finde es jedoch ungemein wichtig, dass es Songs gegen Kapitalismus, Faschismus und den ganzen anderen Mist gibt. Auf der anderen Seite, wäre ein Song, dessen Message sehr positiv ist, heutzutage auch ein Statement. Nämlich eines, das sagt, dass ich mir von anderen Leuten nicht einreden lasse, dass wir alle in Schwierigkeiten stecken. Manchmal hilft es schließlich auch, wenn wir etwas über die positiven Dinge hören, die auch immer noch stattfinden.
Was macht eine Geschichte aus, dass du dich für sie interessierst?
Ich finde es unheimlich interessant, wenn ich mich mit den Charakteren der Geschichte identifizieren kann. Tatsächlich ist es so, dass ich mehr an komplexen Stories interessiert bin, in denen Schwierigkeiten überwunden und Probleme gelöst werden müssen. Je komplizierter die Entwicklung, um so faszinierender ist es für mich.
Welche Themen dominieren denn die zehn Songs auf „Panorama“?
Trauer, Verlust und der Umgang damit sind die vorherrschenden Themen. Ich stelle mir die Frage, wie ich in unterschiedlichen Situationen agiere und versuche, das Leben aus ganz bestimmten Perspektiven zu betrachten.
Das farbenfrohe und expressionistische Design des Albumartworks steht irgendwie im Kontrast zu den Inhalten der Songs, oder?
Tatsächlich ging es uns darum, vor allem das Musikalische darzustellen. Es sollte hell und aufregend sein. Wir haben das Album auch genutzt, um mit anderen Künstlern an der Visualisierung unserer Ideen zu arbeiten. So kam es zum Beispiel zu der Kooperation mit Sarah Schmidt für das Zeichentrickvideo von „Rose quartz / Fulton street“. Zeichnete sich zuvor hauptsächlich unser Bassist Adam für das Design verantwortlich, so haben wir uns für „Panorama“ ein wenig geöffnet und die Verbindung zu anderen Künstlern gesucht. Auch hier ist es super interessant zu sehen, was andere Menschen mit unserer Musik anfangen und was sie darunter verstehen.
„Panorama“ ist euer erstes Album, dass ihr auf Epitaph veröffentlicht. Wie kam es dazu und wie fühlt es sich an, Teil dieses renommierten Labels zu sein.
Es ist ein tolles Gefühl, in den Büros die Platten zu betrachten, die schon auf Epitaph veröffentlicht wurden und die früher einen großen Einfluss auf mich hatten. Es ist schön, ein Teil davon zu sein. Darüber hinaus profitieren wir natürlich von den Strukturen, die über Jahrzehnte dort aufgebaut wurden. Wir wissen es sehr zu schätzen, dass die Leute bei Epitaph sich um uns kümmern.
Ihr seid nun bereits seit 15 Jahren unterwegs. Was würdest du deinem jüngeren Selbst empfehlen, wenn du die Möglichkeit hättest, zum Beginn eurer Band ins Jahr 2004 zurückreisen zu können?
Ich würde mir selbst ein paar Tipps geben, wie ich Dinge besser ausdrücken könnte. Unabhängig von der Band würde ich mir auf jeden Fall klarmachen wollen, mit meinen Finanzen anders umzugehen. Aber ehrlich gesagt, sind es doch die Erfahrungen und Fehler, welche wir gemacht haben, die uns zu dem machen, was wir im Moment sind. Und wer hört als junger Mensch schon auf ältere Leute?
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