Irgendwie ist es ja typisch: Wenn die eigene Stadt so klein ist, dass sie nicht einmal eine ordentliche Fußgängerzone bietet, in der man als Jugendlicher rumlümmeln kann, bleibt nur die Flucht in den Proberaum. Osterholz-Scharmbeck ist so eine Stadt, deren Unterhaltungspotenzial bereits einen Meter hinter dem Ortsschild erschöpft ist. Drei Freunde von hier sind die Langeweile leid, gründen eine Band und verhelfen als KLEINSTADTHELDEN mit ihrem im Mai erschienenen Debütalbum "Resignation und Aufstehen" (Mossbeach) ihrer Stadt zu einer Attraktion.
Doch die darf Osterholz-Scharmbeck nicht einmal allein für sich beanspruchen, denn das Trio wohnt im fünften Jahr seines Bestehens längst in der nahegelegenen Großstadt Bremen und studiert dort geschlossen Lehramt. Bei einem Altersdurchschnitt von 23 Jahren kann man sich wohl noch einige Fehlsemester erlauben, und wahrscheinlich werden die auch nötig sein. Schließlich lassen die KLEINSTADTHELDEN kaum eine Bühne aus, um ihren frischen, melodischen Pop-Rock unter das Volk zu bringen. Dass sie auf die GET UP KIDS stehen, ist kaum zu überhören. Funktioniert so ein Sound auch mit deutschen Texten? Sehr gut sogar! Doch für die Einordnung ihrer Musik wählen sie lieber eine englische Schublade: "Trash Pop for truckers in love" steht drauf und drin ist eigentlich alles, was junge Menschen von heute so beschäftigt. "Die Musik ist ein 1A-Ventil für mich, die Dinge, die mich im Alltag beschäftigen, zu verarbeiten", so der sympathische Sänger Simon Lam. Auch Politik? "Explizite politische Statements verbreiten wir zwar nicht", sagt Simon, aber in einer Zeit, in der der Alltag von jedem von den Auswirkungen der Politik tief durchdrungen sei - man müsse nur genau hinschauen - schlage sich politisches Bewusstsein durchaus in den Texten der Band nieder.
Dass deshalb die KLEINSTADTHELDEN-Songs besonders bei Mädchen gut ankommen, ist wohl nicht anzunehmen, eher schon ist es die Mischung aus melancholisch-verträumten Blick und wohltemperierten Melodien, einfach diese Aura, die gut aussehende junge Männer mit Gitarren und mitreißenden Liedern umgibt. Jungs dürfen trotzdem hinhören, und das tun sie wohl auch, denn schließlich hat sich die Band eine stabile und treue Fanbasis aufgebaut. Die stützt sich auf zwei Säulen: erstens Konzerte vor bis zu 3.000 Leuten und zweitens das Internet. "Für eine Band wie uns bietet das Internet nur Vorteile", erzählt Simon. "Über MySpace haben wir einen beachtlichen Bekanntheitsgrad erreicht, auch wenn die exakte Einschätzung natürlich schwierig ist. Ich würde niemanden verurteilen, der sich unsere CD brennt! Solange die Leute in unserer Musik etwas finden, was sie berührt, finde ich es besser, wenn sich einer das Album kauft und es mit anderen Leuten teilt, als dass er es ausschließlich alleine hört."
Wenn das mal keine Aufforderung zum Raubkopieren ist. Heutzutage müsse man einfach über neue Vertriebsmodelle nachdenken. Simon: "Die Idee von FIRE IN THE ATTIC, ihr neues Album gratis einem Magazin beizulegen, finde ich super!" Und schließlich gebe es viele Leute, die sich trotzdem das Original zulegen, wenn ihnen das Album gefällt, so der Sänger, selber ein "Vinyl-Freak", der sich für seine Band noch einen adäquaten Partner in der Schallplattennische wünscht.
Konzerte wird man sich aber auch in zehn Jahren nicht runterladen können und deshalb ist das Trio jetzt auf Tour und besucht nicht nur die großen Städte, sondern rockt auch in der Provinz, wo sonst die Langeweile regiert. Gerade dort können die KLEINSTADTHELDEN mit einem herzlichen Empfang rechnen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #78 Juni/Juli 2008 und Arne Koepke
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