2005 war ein Jahr, in dem wenige herausragend gute Platten erschienen. Während 2004 mit den Veröffentlichungen von GREEN DAY, SOCIAL DISTORION, BAD RELIGION und anderen randvoll mit wirklich guten Platten war, begeisterten mich 2005 vergleichbar wenige Alben. Aber eines von diesen ist „Punk Rock Rhythm And Blues“, das neue Album der KINGS OF NUTHIN’ aus Boston, das auf People Like You erschien. Die neunköpfige Band verbindet auf dem Album rauhen Punkrock, Swing, Rockabilly, Blues und eine Hand voll anderer Stile zu einem energischen Mix, der hymnisch und mitreißend ist. Jeder der 14 Songs ist eine Hymne, die von der rauhen Stimme von Sänger Tor Skoog geprägt ist und von Pianomelodien und einer Bläsersektion angetrieben wird. Nachdem die Band drei Berlin-Shows abgesagt hatte, bestand in der Vorweihnachtszeit endlich die Möglichkeit, sich einmal mit den KINGS OF NUTHIN’ zu unterhalten. Kollege Kai Wydra von wasteofmind.de und meine Wenigkeit nahmen diese Gelegenheit dankend wahr und saßen Tor Skoog, Drummer Liam und Pianist Zach – allesamt sehr freundliche und spaßige Interviewpartner – vor ihrer Show im Berliner Kato gegenüber.
Jungs, herzlichen Glückwunsch! Euer neues Album „Punk Rock Rhythm And Blues“ ist eines der besten Alben des vergangenen Jahres.
Zach: Vielen Dank, es freut mich, dass euch das Album gefällt. Ich denke, dass wir mit „Punk Rock Rhythm And Blues“ unseren Stil gefunden haben. Lasst mich dazu kurz die Geschichte unserer drei Alben umreißen. Also, „Get Busy Livin’ Or Get Busy Dyin’“, unser erstes Album, haben wir in wenigen Tagen mit einem Budget von 600 Dollar aufgenommen. Das hat dem Album einen rauhen Sound gegeben. Die Songs der Platte werden aber von einem starken Rockabilly-Einfluss dominiert, so dass man hinsichtlich unseres Debüts nur bedingt von einer musikalischen Mischung verschiedener Stile sprechen kann. Auf „Fight Songs For Fuck Ups“, unserem zweiten Longplayer, wandelte sich dies dahingehend, dass die Songs nun fast reine, geradlinige Punkrock-Songs wurden. So unterscheiden sich unsere ersten beiden Alben sehr voneinander. Als wir an „Punk Rock Rhythm And Blues“ arbeiteten, wollten wir ein Fazit aus den ersten beiden Alben ziehen. Unser drittes Album sollte die musikalische Kombination aus den ersten beiden sein. Das Charakteristikum der Platte sollte werden, dass wir verschiedene Stile zu einem Sound vermischen. Und ich denke, dass uns das gelungen ist.
Tor: Da muss ich Zach zustimmen, seit unserem ersten Album haben wir viel durchgemacht, Mitgliederwechsel und einige andere Dingen haben unsere Band immer wieder auf eine Probe gestellt. Wir sind durch all dies durchgegangen und ich denke, dass diese persönlichen Erfahrungen neben unserer musikalischen Entwicklung dazu beigetragen haben, dass wir unseren eigenen Sound entwickelt haben.
Wie ist es jetzt mit der Besetzung der KINGS OF NUTHIN’, ist sie stabil?
Zach: Ob das Line-up der KINGS OF NUTHIN’ stabil ist oder nicht, das zeigt sich nach einer Tour jedes Mal aufs Neue. Das ist dieses Mal genauso. Nach der Tour machen wir eine Pause, danach treffen wir uns alle wieder und entscheiden, wie es mit der Band und einzelnen Mitgliedern weitergeht. Das Fortbestehen unserer Band ist also immer spannend und interessant.
Nur spannend und interessant? Ist damit nicht auch eine Angst davor verbunden, dass die Band sich nach einer Tour auflöst?
Liam: Doch, klar. Aber das war von Anfang an so.
Zach: Ich denke, dass diese Angst zwar da ist, wir sie aber nicht mehr als Angst wahrnehmen. Dadurch, dass wir immer mit der Gefahr, dass die Band sich auflöst, leben, haben wir uns daran gewöhnt. Und mit der Gewöhnung sinkt die Intensität, mit der dich das berührt.
Tor: Wir sind daran gewöhnt, dass vieles schief geht.
Was meinst du damit?
Tor: Na ja, wenn ich euch jetzt jede einzelne Geschichte erzählen würde, dann säßen wir Morgen noch hier. Uns ist schlicht von Anfang an und immer wieder Mist passiert. Auf der Bühne geht manchmal alles Mögliche schief, Tourbusse gehen kaputt, am Ende der Tour können wir die Miete wieder nicht zahlen, und und und ... Ich will mich aber nicht beschweren, ich denke, dass wir als Band auch immer wieder aus diesen Vorkommnissen lernen können.
Wie schaut ihr auf diese Europatour zurück?
Zach: Die Tour lief wirklich gut. Ich denke, dass es der Tour sehr zuträglich war, dass „Punk Rock Rhythm And Blues“ vor der Tour heraus kam. Es ist toll, dass People Like You ein Releasedate vor der Tour realisierten und das Album sowie die Tour hervorragend bewarben. Viele Leute kannten unsere neuen Stücke schon und das hat bei vielen der Shows geholfen, eine tolle Atmosphäre zu erzeugen.
Und wie kam es zu eurem Deal mit People Like You?
Tor: Marc von MAD, der unsere Europashows bucht, brachte uns und Andre von People Like You an einen Tisch. Marc hatte schon längere Zeit versucht, uns zusammen zu führen und nachdem wir uns ein paar Mal mit Andre unterhalten hatten, kam es zu dem Deal.
Zach: Andre und wir trafen auf unserer ersten Europatour zum ersten Mal aufeinander. Und damals haben wir einen schlechten Eindruck gemacht, fürchte ich.
Tor: Ja, es war in Hamburg und wir spielten eine Show mit DEMENTED ARE GO. Sie waren gerade auf der Bühne und wir spielten mit ihrem Make-up herum, malten uns voll und beschmierten uns mit ihrem Kunstblut. Er kam herein und war wenig beeindruckt von uns. Nach einigen Gesprächen hat sich sein Bild von uns aber gebessert, denke ich. Und für die Arbeit, die er für uns und „Punk Rock Rhythm And Blues“ gemacht hat, sind wir ihm sehr dankbar.
Die Hälfte der Songs auf „Punk Rock Rhythm And Blues“ sind Cover, warum?
Tor: Zunächst wollten wir mit den Coverversionen demonstrieren, dass uns sehr viele verschiedene Bands beeinflussen. Überdies haben uns auch viele Leute immer wieder gefragt, wann wir endlich mal eine Coverversion aufnehmen und auf einem unserer Alben veröffentlichen. Diese beiden Dinge führten dazu, dass wir uns ein paar klassische R&B-Songs und einige klassische Punkrock-Stücke ausgesucht und neu vertont haben.
Ist es nicht schwer, einen klassischen R&B-Song in einen KINGS OF NUTHIN’-Song zu wandeln?
Liam: Nein, ich denke nicht. Du spielst ihn lauter und schneller – das war es eigentlich.
Tor: Right, it’s pretty easy to fuck up any song, haha! Uns fiel das Covern leicht, weil wir von Anfang an den Anspruch hatten, einen Song nicht wie das Original klingen zu lassen, sondern nach den KINGS OF NUTHIN’. Von daher konnten wir ganz unvoreingenommen an die Songs herangehen.
Ihr kommt aus Boston, wie steht ihr zur dortigen Punkrock-Szene?
Zach: Boston beziehungsweise die dortige Szene ist facettenreich und es ist schwer, ein pauschales Urteil über sie zu fällen. Einerseits habe ich das Gefühl, dass es in Boston viele schlechte Bands und ebenso miese Clubs gibt. Andererseits stehen diesen natürlich auch wirklich gute Bands und tolle Clubs gegenüber. Und sieht man einmal von meiner Meinung über einige Bands ab, so muss man auch sagen, dass gerade die Menge der in Boston aktiven Bands einen gesunden Wettbewerb hervorruft. Denn viele Bands arbeiten an sich und ihrem Sound und streben danach, sich musikalisch von anderen Bands abzuheben. Das ist der Punkt, warum in Boston als Ganzes letzten Endes eine tolle Musikstadt ist, in der man viele verschiedene Stile und Bands hören und antreffen kann.
Welche Bostoner Band ist denn für euch am wichtigsten?
Zach: Was für eine Frage, KINGS OF NUTHIN’, Mann!
Tor: Im Ernst, das ist wirklich schwer zu sagen. Denn in Boston hat sich über die Punkrock-, die Ska- und die Hardcore-Szene hinweg ein gemeinsamer Geist entwickelt. Alle Bands haben sich gegenseitig beeinflusst, es gab keine Barrieren, die aus musikalischen Genregrenzen heraus entstanden. Daher kann ich nur sagen, dass mich Bostons Musikszene als Ganzes inspiriert und nicht nur zwei oder drei Bands aus der Stadt.
Inwiefern macht sich der von dir, Tor, angesprochene gemeinsame Geist der Szenen in Boston bei KINGS OF NUTHIN’-Shows bemerkbar?
Tor: Er wird dadurch deutlich, dass bei unseren Shows in Boston, und übrigens auch in Europa, schon immer Anhänger aller Szenen zugegen waren, Punks, Rockabillys, Psychos und Hardcore-Kids gemeinsam feiern und es kaum Schlägereien gibt. Problematisch wurde es meistens in amerikanischen Städten, wo allerlei Leute zu unseren Konzerten kamen und es eine Zeit lang wirklich dauernd Schlägereien gab, was schade war.
Liam: Seit dem Start der KINGS OF NUTHIN’ verfolgen wir das Ziel, die Szenen wenigstens ein stückweit zu vereinen. Unsere Musik soll Rockabillys, Punks und andere Leute ansprechen und sie alle sind bei unseren Shows willkommen.
Was genau ist denn eure Musik?
Zach: Eine ganze Zeit lang wurden wir als Rockabilly-Band beschrieben, was sehr problematisch war. Denn mit einer solchen Genrezuordnung bauen die Leute eine Erwartungshaltung gegenüber einer Band auf. Was folgte war, dass viele Rockabillys angepisst unsere Konzerte verließen, weil wir ihren Vorstellungen nicht entsprachen. Insgesamt denke ich, dass man unseren Sound als eine Art 50er oder 60er Rock’n’Roll beschreiben kann, der von Punks gespielt wird.
Liam: Eigentlich wollten wir eine traditionelle Band gründen, die 50er Jahre-Rhythm and Blues spielt. Leider bemerkten wir sehr schnell, dass unsere musikalischen Fähigkeiten dazu nicht ausreichen und lösten uns vom traditionellen R&B und machten unseren Sound einfacher, ehrlicher und härter.
Habt ihr den Eindruck, dass euer Erfolg daher kommt, dass ihr durch euren außergewöhnlichen Sound und eure Live-Shows einen gewissen Ruf habt?
Zach: Es ist sicherlich so, dass bei den Leuten ein Interesse geweckt wird, wenn sie hören, dass da eine Band kommt, die Swing, Rockabilly, Punk und eine Hand voll anderer Stile mischt, eben weil diese Mischung ungewöhnlich ist. Gleichsam tragen unsere Live-Shows, beziehungsweise die, bei denen Instrumente auf der Bühne in Brand gesteckt werden, sicher auch dazu bei, dass sich der Name KINGS OF NUTHIN’ herumspricht und so Leute aus reinem Interesse zu unseren Shows kommen. Folglich trägt unser Ruf sicher zu unserem, wie du es nennst, Erfolg, bei, aber er alleine ist nicht ausschlaggebend.
Zündet ihr oft Instrumente auf der Bühne an?
Tor: Manchmal machen wir es, um die Show interessanter zu machen. Das Anzünden des Saxophons oder des Pianos ist aber kein fester Bestandteil unserer Show. Denn wenn wir das jeden Abend machen würden, wären wir berechenbar und brennende Instrumente als Teil unserer Show wären nichts Besonderes mehr. Außerdem haben wir uns dabei selber oft verletzt und die Instrumente beschädigt, haha.
Text: Lauri Wessel
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #64 Februar/März 2006 und Lauri Wessel & Kai Wydra