KAUFMANN FRUST schließen mit dem Bandnamen aus, dass es sich um eine Gute-Laune-Band handelt. Für ihr neues Album „Im Blau“ bleibt die Post-Punk-Band ihrem düsteren Konzept inhaltlich treu. Musikalisch haben sie einen Gegenpol ausformuliert, der die Schwere etwas leichter machen soll. Oliver und Florian geben Auskunft über Entstehung, Kreativität und Ideen.
Wie fing es mit der Band an?
Florian: Als Oliver und ich uns 2011 kennen gelernt haben, haben wir uns von Anfang an gegenseitig Lieder von anderen Bands und auch schon eigene Songideen vorgespielt. Jan und Matze kamen dann relativ schnell dazu und 2012 haben wir schon zum ersten Mal zu viert zusammen Musik gemacht. Es war umgehend klar, dass alle ihre Ideen einbringen können und es keine Hierarchie im Songwriting geben sollte.
Oliver: Dass es musikalisch zwischen uns allen gut passt, war klar. Schon alleine, wie wir uns über Musik unterhalten haben, und auch anhand der Konzerte, die wir gemeinsam besucht haben.
Wie würdet ihr selbst eure Musik beschreiben?
Oliver: TOCOTRONIC waren zu Beginn schon ein gemeinsamer Nenner, musikalisch und textlich. Aber bei KAUFMANN FRUST ging es sehr lange in eine eher post-rockige Richtung, mit den neuen Liedern sind wir eigentlich näher an dem dran, was wir am Anfang gerne machen wollten. Wahrscheinlich wollten wir unsere Einflüsse damals etwas zurückdrängen und haben sie nur bis zu einem gewissen Maß zugelassen, aber jetzt ist unsere eigene Identität gefestigt und deshalb kommen die Einflüsse nun besser raus.
Eure Musik ist schon sehr bedrückend.
Oliver: Haha, du bist nicht die Erste, die uns das sagt. Bei „Im Blau“ arbeitet die Musik jetzt etwas dagegen. Vorher war es ein dunkler Sog und jetzt sind die Texte bedrückend, tiefgründig und haben eine düstere Thematik, aber die Musik stemmt sich dem etwas entgegen.
Eigentlich ist das noch schlimmer und verstärkt den Effekt, denn ihr zerstört ja jeglichen Hoffnungsschimmer wieder. Der Kontrast ist also bewusst gesetzt?
Florian: Wir wollten musikalisch etwas anderes machen. Aber textlich etwas anderes zu machen, das ginge gar nicht. Das hätte für mich keinen Reiz, damit würde die Essenz verloren gehen. Unsere Ideen und Themen spielen sich eben immer in einem eher bedrückenden Umfeld ab. Wir könnten als Band nicht funktionieren, wenn wir plötzlich fröhliche Texte haben würden. Trotzdem findet sich an manchen Stellen ein anderer Optimismus, den wir zulassen. An dem textlichen Grundausdruck kann sich nicht viel verändern, mit dem Umfeld, wie wir leben, wie wir arbeiten und wie wir Musik machen möchten.
Hatte die Pandemie Einfluss auf eure Arbeitsweise, so dass es überhaupt zu der Idee kommen konnte, die Musik anders zu gestalten?
Florian: Auf jeden Fall! Wir haben 2019 eine Split-Single veröffentlicht, dann ein paar Konzerte gespielt und wollten uns zurückziehen, um Neues zu schreiben. Und dadurch, dass wir sowieso nicht mehr alle an einem Ort wohnen, gab es ja schon einen größeren Freiraum. Es war klar, dass wir nicht wieder live aufnehmen wollten, „Aus Wachs“ war zuletzt stark geprägt von den Konzerterfahrungen, die ins Album geflossen sind. Und durch die Pandemie, die Distanz und die Zeit konnten wir besser überlegen, was noch dazukommen könnte. Wir haben uns zum ersten Mal Ideen hin- und hergeschickt und somit hatte alles viel mehr Zeit, um zu wachsen.
Oliver: Die Proben, die wir während dieser Phase hatten, waren auch viel intensiver. Wir waren nicht nur im Moment, sondern haben auch Aufnahmen gemacht, die wir uns daheim in Ruhe anhören konnten, und dann fiel einem noch etwas ein, man hatte Ideen für andere Aspekte und andere Instrumente. Es fand eine Entwicklung statt, die nicht zuletzt auch von der Pandemie beeinflusst war.
Florian: Wobei das Songwriting im Kern gleich blieb, wir haben schon immer zu viert geschrieben und neue Teile wurden immer gemeinschaftlich zusammengefügt, es geht eher um die Umkleidung.
Was genau kann man denn aus Live-Erfahrungen ins Songwriting übertragen?
Florian: Die Reaktionen, vom Publikum und zwischen uns, die bei Konzerten komplett anders sind als im Proberaum. Zustände von Euphorie oder Momente der Stille, in den Pausen oder am Ende eines Songs. Es gibt da eine Resonanz, die mit einfließen kann.
Oliver: Beim Songwriting und Proben ist man sehr analytisch, möchte am besten wie vom Notenblatt herunterspielen und die Performance kommt ja erst auf der Bühne. Da merkt man immer, dass es etwas komplett anderes ist und man erst beim Spielen erkennt, welcher Teil einem beispielsweise besonders wichtig ist, was man an das Publikum weitergeben möchte. Vor einigen Wochen haben wir die neuen Songs von „Im Blau“ alle live gespielt. Das war ein tolles Erlebnis.
Ihr habt das Album schon im Merlin in Stuttgart gespielt. Wie waren die Reaktionen?
Florian: Es war sehr aufregend, da wir in Stuttgart wohnen oder gewohnt haben, war klar, dass da einige Leute kommen, die wir kennen. Darüber hinaus wussten wir nicht, wer sich nach der Zeit noch für diese Art von Musik interessiert. Es war überraschend gut gefüllt und die Lieder wurden gut aufgenommen. Anders als sonst war unser kollektiver Eindruck, dass es total schnell vorbeiging. Wir improvisieren normalerweise viel und dieses Mal war es eher ein runter- und durchspielen, aber auf eine gute Art und Weise.
Worauf genau bezieht sich euer Albumtitel „Im Blau“?
Florian: Schon auf die Blaue Stunde. Wir haben nicht nach einem Konzept gearbeitet, aber irgendwann gemerkt, dass die Farbe Blau sich in nahezu jedem Song wiederfindet. Entweder wird es klar benannt oder ist durch eine Bildhaftigkeit gegeben. Eines der ersten Lieder trug diesen Titel und so hat es sich mehr und mehr herauskristallisiert, dass „Im Blau“ die Stimmung und das Motiv des Albums ist. Und die Blaue Stunde ist auch übertragbar auf den Zeitpunkt unseres Lebensabschnitts und auch repräsentativ für alle Themen auf dem Album. Es passt gut zu dem Sound und zum Gefühl, angekommen zu sein.
Wenn ihr alle gemeinsam am Songwriting beteiligt seid, muss es irgendetwas geben, das euch stark verbindet, so dass ihr das als KAUFMANN FRUST vereinen könnt. Was ist das?
Oliver: Hm, gute Frage ... Was uns vereint, das ist aber nicht ungewöhnlich, ist die Tatsache, dass uns Dinge, die uns eher bedrücken oder stutzig machen, dazu motivieren, Songs darüber zu schreiben. Wir arbeiten uns alle gerne über das Songwriting daran ab. Wir wissen natürlich auch, wer welchen Song geschrieben hat, haben Insiderinformationen und ich selbst erkenne da jeweils eine krasse Handschrift und auch einen anderen Themenbereich. Aber es ist natürlich schön, wenn es als Band so gut verwoben und so stimmig ist, dass man das eben nicht auf Anhieb erkennt. Es ist wohl einfach dieser melancholische Blick auf die Dinge, der uns eint.
In dem Song „Die Gleichen“ höre ich eine offensichtliche Referenz zu „Dancing in the dark“, richtig?
Oliver: Haha. Ja! Und unter anderem ist da ein gewisses Songzitat drin.
Das passt aber sehr gut, da man immer mit sich selbst im Kampf ist und sich in die Dunkelheit treibt. Hier wird die erweiterte Instrumentierung deutlich.
Oliver: Ja, auf jeden Fall. Wir hatten zu Beginn des Songwritings eine trägere Version, die dem Song sehr entsprochen hat, aber dann doch zu viel war. Deshalb haben wir den Track schneller gemacht, damit er bombastischer wird, und am Ende kamen die Bläser dazu und dieser ganze Haufen an anderen Instrumenten, haha.
Wer spielt bitte diesen Haufen an Instrumenten?
Oliver: Wir haben eigentlich alles selbst gespielt, Flo hat die Bläser eingespielt, es gibt noch eine Klarinette. Flo hat ja dieses Studio in Berlin, da kann man gut aufnehmen, und so kam das meiste von ihm.
Das hast du aber gelernt, bei „Nachtflug“ klingt das Ende nach Show und nicht irgendwie laienhaft.
Florian: Das ist ein Instrument, das ich in der Kindheit lernen musste, und es war damals kein leidenschaftliches Instrument. Vor vier Jahren habe ich es wieder rausgekramt und dafür jetzt eine ganz andere Einsatzmöglichkeit gefunden, die ich vorher nicht hatte. Durch das Album „Im Blau“ habe ich eigentlich einen ganz neuen Zugang zur Trompete.
Entstehen die Texte für KAUFMANN FRUST eher nachts?
Florian: Bei mir ist das nicht an eine besondere Tages- oder Nachtzeit gebunden. Es sind meistens irgendwelche Eindrücke, die in den verschiedensten Situationen entstehen. Zum Ausformulieren ist eine nächtliche Stimmung dann schon passender, aber die Ideen dazu entstehen unabhängig davon.
Oliver: Meine Skizzen mache ich oft in öffentlichen Verkehrsmitteln und meistens tagsüber. Die Entstehung selbst ist meistens gar nicht so frustig. Man ist nicht so nah dran an dem, worum es geht – sondern das Gefühl, dass man gerade etwas Cooles schreiben kann, überwiegt.
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