KADAVAR + ELDER = ELDOVAR

Foto© by Victor Puigcerver

Aus Zwei mach Eins

Nach einigen Jahren beim Metalriesen Nuclear Blast haben sich die Berliner KADAVAR völlig neu aufgestellt. Eigenes Studio im Szeneviertel Neukölln und mit Robotor Records ein eigenes Label. Dort haben die drei Retro-Rocker mit SPLINTER nicht nur die Nachfolgeband der Holland-Rocker DEATH ALLEY unter Vertrag genommen, sondern nutzen die neu gewonnene Freiheit auch als Spielwiese für eigene Projekte. Zum Beispiel für ein gemeinsames Album mit der US-Stoner-Band ELDER. ELDOVAR heißt die vielversprechende Kooperation und „A Story Of Darkness & Light“ das Resultat. Warum der Sound ihres Projekts mehr ist als die Summe der einzelnen Teile, erzählen ELDER-Frontmann Nick DiSalvo und KADAVAR-Frontmann Christoph „Lupus“ Lindemann.

Wie ist die Idee für das gemeinsame Album entstanden?

Lupus: Das kam aus einer Bierlaune heraus, würde ich fast sagen. Wir hatten die Jungs von ELDER einfach mal zu uns ins Studio eingeladen, ein paar Bier getrunken und uns anschließend zum Jammen verabredet.
Nick: Das hatte ich fast schon vergessen. Ihr hattet auf jeden Fall die Idee für die Zusammenarbeit. Wir wollten uns damals umschauen, was es in Berlin an Studios für unser nächstes Album gibt. Dreiviertel der Band sind ja inzwischen dauerhaft in Berlin. Nur unser Bassist Jack nicht, der auf dieser Platte auch leider nicht vertreten ist. Der lebt noch in den Staaten.

Kennt ihr euch schon länger oder habt ihr euch ganz spontan in der Corona-Zeit zusammengetan?
Lupus: Wir kannten uns noch nicht so gut. Ein bisschen vom Sehen vielleicht. Aber eigentlich nicht gut genug, um zu sagen: Komm, wir machen eine Platte zusammen. Es gibt aber einfach solche Bands, mit denen man parallel jahrelang denselben Strom abwärts schwimmt. Die man immer wieder beobachtet und hin und wieder trifft. Diese Bands sind dann auch oft für solche Projekte zu haben. Deswegen haben wir gedacht, bei ELDER können wir auf jeden Fall fragen, die waren nach unserer Einschätzung spontan genug, deshalb haben wir den Vorschlag zu dieser Kooperation gemacht.

Wie lief das technisch ab? Wie habt ihr die unterschiedlichen Aufgaben und die Instrumente verteilt?
Nick: Das Album ist aus der Idee einer gemeinsamen Jamsession entstanden. Dass wir uns einfach mal an einem Wochenende treffen und alles aufbauen, worauf wir Lust haben. Dann hat sich jeder irgendein Instrument geschnappt. Zuerst saß unser Drummer Georg am Schlagzeug, weil Tiger viel Synthie gespielt hat. Dann haben wir einfach losgejammt und dann gab es immer wieder Momente, in denen die Schlagzeuger den Platz getauscht haben oder Instrumente weitergereicht wurden. Ich glaube, nur Simon war die ganze Zeit am Bass. Es gab also keine feste Rollenverteilung, zumindest nicht bei der ersten Session.

Das lief alles in eurem Studio in Berlin, oder, Lupus?
Lupus: Genau. Die Platte ist in zwei Etappen entstanden. Die erste Etappe war dieses erste Wochenende, an dem wir uns gemeinsam eingeschlossen und jeden Tag bestimmt zehn Stunden lang zusammen Musik gemacht haben. Jeder hat gespielt, was er wollte und was ihm Spaß gemacht hat. Dann gab es die zweite Etappe, in der wir konkrete Songs geschrieben und Strukturen entwickelt haben, die wir dann im Studio zusammengefügt haben. Teilweise neu aufgenommen oder anders arrangiert. Es gibt also den spontanen Teil, bei dem alle zusammen im Studio gespielt haben, und den ausgefeilteren Teil, in dem die Songs ihre endgültige Form bekommen haben.

Eigentlich müsste ELDOVAR klingen wie die Summe aus KADAVAR und ELDER. Tut es aber nicht. Warum ist das so?
Nick: Ich finde, nur ganz wenige Momente auf dieser Platte kann man einer der beiden Bands zuordnen. Wenn man keinen Einblick in die Studioaufnahmen hat, kann man gar nicht erkennen, wer für die einzelnen Parts verantwortlich ist. Es gab auch ein paar Songs, in denen Teile von Jams aus dem Kontext gerissen, neu zusammengefügt und ausgearbeitet wurden. So habe ich zumindest noch nie gearbeitet. Deshalb ist es total schwer zu sagen, welche Idee auf wen zurückzuführen ist.
Lupus: Das finde ich auch viel interessanter als eine „KADAVAR vs. ELDER“-Platte, auf der jeder schon weiß, was passiert. Dadurch, dass wir alle auch nicht unsere Bandnamen über unseren Köpfen tragen, wenn wir zusammen Musik machen. Wir sind einfach sechs Musiker, die zusammengekommen sind, um gemeinsam Musik zu machen. Jeder konnte sich austoben und Dinge probieren, die er in seiner Band sonst nicht macht. Das wurde dann durch drei weitere Musiker, die sonst nicht da sind, aufgegriffen und weitergesponnen. Dadurch konnten alle weitergehen, als sie es sonst in ihren Bands machen würden.

Lupus, ihr seid ja schon auf eurem letzten Album „The Isolation Tapes“ neue Wege gegangen und habt viel mit analogen Synthies gearbeitet. Ist „A Story Of Darkness & Light“ jetzt euer zweites Pandemie-Album?
Lupus: Das schwirrt natürlich hier immer noch herum. Ich finde aber schon, dass dieses Kooperations-Album an manchen Stellen schon viel härter ist. Viel härter als die Musik, an der wir in der letzten Zeit gearbeitet haben. Aber es gibt eben auch wieder diese ruhigen Parts, die dazu kommen. Ich glaube auch, dass Nick da einen großen Einfluss hatte, weil er gerade erst ein Soloalbum mit vielen Synthies veröffentlicht hat. „The Isolation Tapes“ war aber eine andere Zeit, ich habe mich bei dieser Platte nicht so isoliert gefühlt. Ganz im Gegenteil, ich war ja ständig mit einer großen Gruppe von Musikern zusammen. Dass es hier und da Anknüpfungspunkte zum Sound von „Isolation Tapes“ gibt, ist völlig logisch. Es ist das gleiche Studio, wir haben die gleichen Instrumente benutzt und wir sind dieselben Musiker. Aber genau genommen ist dieses Album genau das Gegenteil von „The Isolation Tapes“.

Nick, was ist das für ein Soloalbum?
Nick: Es ist unter dem Pseudonym DELVING erschienen und zwar schon im Juni dieses Jahres. Eine instrumentale Platte, die ich aus reinem Vergnügen aufgenommen habe. Irgendwo zwischen Post-Rock, Kraut und Psychedelic. Das Album selbst heißt „Hirschbrunnen“ und ist über Stickman Records herausgekommen, wo ich auch arbeite.

War die Gründung des bandeigenen Labels Robotor Records die Grundlage dafür, Projekte wie ELDOVAR durchzuziehen? Habt ihr dadurch die nötige Freiheit, die ihr vielleicht bei Nuclear Blast nicht hattet?
Lupus: Ich glaube nicht, dass ich Nuclear Blast diese Platte angeboten hätte. Ich hätte mich wahrscheinlich gar nicht getraut, dem weltgrößten Metal-Label diese Aufnahmen anzubieten. Wir hatten die Platte einigen Leuten bei Nuclear Blast sogar schon vorgespielt und die fanden sie alle ziemlich cool, aber wir haben jetzt selbst die Freiheit, so ein Projekt im eigenen Studio auf unserem eigenen Label durchzuziehen, ohne mit anderen Leuten darüber reden zu müssen. Gleichzeitig trägt man immer das Risiko, dass man auf einem Berg von Platten schlafen muss, wenn es keinem gefällt.

Wird es ELDOVAR auch live geben oder ist das ein reines Studioprojekt?
Nick: Bevor wir uns richtig kennen gelernt haben, haben unsere Booker schon darüber gesprochen, ob nicht eine Tour mit beiden Bands möglich wäre. Das hätten wir natürlich total befürwortet, aber irgendwie hat es sich noch nicht ergeben. Aber jetzt ist das Interesse natürlich noch größer, weil wir diese Platte gemeinsam gemacht haben. Ich fände es schon sehr cool, wenn es zustande kommen würde, aber wir haben noch gar nicht darüber gesprochen. Ich könnte mir vorstellen, dass es dann eine Art fließenden Übergang geben würde, wenn wir zusammen auf der Bühne stehen.
Lupus: Grundsätzlich ist es ja immer cool, wenn man so ein Projekt auf die Bühne bringen kann. Kürzlich haben wir beim Desert Fest in Belgien gespielt, da kamen schon einige Promoter an, ob wir das nicht kommendes Jahr in der Festivalsaison aufführen können. Ob das im nächsten Sommer funktioniert, weiß ich nicht, aber prinzipiell können wir uns das schon vorstellen. Das wäre vor allem fürs Publikum eine echte Attraktion, denke ich. Aber das ist natürlich eine ordentliche Baustelle, bis alles ausgearbeitet ist.

Das hört sich so an, als ob ELDOVAR keine einmalige Sache war.
Lupus: Die Platte haben wir ja schon im Mai fertig gemacht, haben sie aber erst mal liegen lassen, weil jeder mit seiner eigenen Band genug zu tun hatte. Wir waren auf Tour und ELDER haben ein neues Album aufgenommen. Jetzt reden wir zum ersten Mal öffentlich über dieses Projekt, das ist das erste Interview zu ELDOVAR. Wenn wir merken, dass positives Feedback zum Album kommt, können wir uns in Zukunft gerne darüber unterhalten. Aber wenn die Konzertbranche wieder zu vollem Leben erwacht ist, werden wahrscheinlich beide Bands wieder volle Kalender haben.
Nick: Es ist natürlich schön, dass es diesen Freiraum für beide Bands gab, um so etwas auf die Beine zu stellen. Aber wenn man wieder die Welt bereisen und überall Konzerte spielen kann, gibt es wahrscheinlich nicht mehr so viel Zeit für so ein Projekt. Es sei denn, die Resonanz auf ELDOVAR ist so riesig, dass sich eine weitere Ausarbeitung auch finanziell lohnen würde. Jetzt brauchen wir aber alle erst mal Zeit, um ganz normale Tourneen zu spielen.
Lupus: Vielleicht werden wir ja mit ELDOVAR bekannter als mit beiden Bands zuvor, dann müssen wir das jeden Tag machen, haha.

Was läuft aktuell bei euren Stammbands?
Nick: Mit ELDER haben wir den größten Teil für unser neues Album im Sommer in Hamburg aufgenommen. Wir müssen die Songs noch mischen und es wird noch eine Weile dauern, bis das Album herauskommt. Wahrscheinlich erst Ende 2022, auch wegen der Verzögerungen in den Presswerken. Außerdem spiele ich eine kurze Tour mit meinem Soloprojekt DELVING und für ELDER sind ab Frühling auch schon etliche Konzerte geplant.
Lupus: Für uns ist „A Story Of Darkness & Light“ das dritte Album in drei Jahren, deshalb haben wir keinen Zugzwang, noch ein weiteres aufzunehmen gerade. Im Frühjahr schreiben wir vielleicht ein paar neue Songs und spielen natürlich einige Konzerte. Wir haben durch die Pandemie gelernt, dass ein bisschen entspannen auch ganz gut ist, damit nicht, so wie wir es acht Jahre lang gemacht haben, eine Tour auf die nächste folgt.

In Berlin steht gerade noch ein anderes spannendes Projekt in den Startlöchern. Es heißt SILVERSHARK und Lupus hat das Foto fürs Artwork beigesteuert. Kannst du mir was darüber erzählen, Nick?
Nick: Ich war kurz dabei und habe ein Solo für einen Song eingespielt. Viel habe ich nicht beigesteuert, aber das ist eine Art Treffen von allen möglichen Szeneangehörigen aus ganz Berlin. Federführend sind dabei Steve Burner von TRAVELIN JACK und Richard Behrens von HEAT und SAMSARA BLUES EXPERIENCE. Es hat total Spaß gemacht, die beiden haben einfach alle Freunde eingeladen, um irgendeine Instrumentenspur oder einen Gesangspart beizutragen. Daraus ist eine sehr witzige Platte entstanden.

Was ist denn bei Robotor Records in den nächsten Monaten geplant?
Lupus: Als Nächstes wollen wir unser Debütalbum wiederveröffentlichen, das haben wir jetzt erst von This Charming Man zurückbekommen. Die Platte soll nächstes Jahr zum zehnjährigen Jubiläum in einer aufwändigen Box neu erscheinen. Außerdem haben wir noch eine Band aus Finnland gesignt, die POLYMOON heißen. Die nehmen ihr neues Album nächstes Jahr bei uns im Studio auf und wir bringen sie dann auf Robotor raus.