JOINT VENTURE

Manchmal passieren einem Dinge, die sind sowas von zum Kotzen, dass man sich ewig und drei Tage darüber ärgern könnte. Doch wenn man glaubt, es kann eigentlich kaum noch schlimmer sein, wird man leider manchmal noch eines besseren belehrt. Der Teufel scheisst auf den dicksten Haufen, leider mal wieder sehr wahr in diesem Fall.

Mitte Mai hatte ich ein Interview mit dem Bonner Duo JOINT VENTURE geführt. Die Art von Interview, die über ein simples Frage-Antwort-Spielchen hinausgeht, sondern früher oder später eher zu einer interessanten Unterhaltung wird. Das war insofern noch besonders angenehm, weil die beiden, Götz Widmann und Martin "Kleinti" Simon, sich als wirklich nette und gesprächsfreudige Interviewpartner gezeigt haben, es gab einiges zu lachen und ich war mit dem Verlauf vollkommen zufrieden, froh darüber ein wirklich gutes Interview geführt zu haben. Vor dem Interview hatte ich mir extra noch ein neues Aufnahmegerät gekauft, mit dem ich auch zwei Tage später in Hannover auf dem Swamp Room Happening tätig werden wollte.

Was mir dort passierte war Folgendes: In dem Aufnahmegerät befand sich noch immer das Tape mit dem JOINT VENTURE-Interview. Unschwer zu erraten was nun kommt. Irgendwann war nach zwei weiteren Interviews die eine Seite voll und unbedacht drehte ich das Tape um, ohne daran zu denken, was sich auf der anderen Seite befand. Ob das an der stets ein Interview begleitenden Aufregung lag oder woran auch immer, es passierte einfach und gemerkt habe ich es erst zwei Wochen später.

Von dem mit JOINT VENTURE geführten Interview von ca. 40 Minuten, verblieben gerade mal die letzten 7 Minuten erhalten. So etwas ist ärgerlich, aber man denkt sich noch, das kann mal passieren, das Interview wird einfach nochmal gemacht, in der Hoffnung, dass es zumindest ähnlich gut werden wird. Nur komme ich jetzt zu dem wirklich schlimmen Teil der Geschichte, die leider mehr als nur eine solche ist, die einfach nur verdammte Realität ist und zwar der bitteren Sorte.

Ich beschloß, die Band nochmals zu kontaktieren und klickte mich am Computer auf die Homepage von JOINT VENTURE ein, um E-Mail und Telefonnummer zu kriegen. Was ich zu lesen bekam, als die Seite sich öffnete, wollte ich nicht glauben. Kleinti Simon ist tot. Er starb am 5. Juni nachmittags, völlig unerwartet an einem Herzanfall. Ich einem solchen Augenblick kriegst du Schweißaubrüche, einen saurem schalen Geschmack auf der Zunge und denkst die ganze Zeit, dass das nicht wahr sein kann, was du da gerade gelesen hast. Ich lese die zwei Sätze immer und immer wieder, denke, hoffe auf einen ganz üblen Scherz oder was auch immer, aber kann mir das einfach nicht vorstellen. Ich hatte mit diesem Menschen, der kaum älter war als ich selbst, noch vor kurzer Zeit zusammengesessen, mich unterhalten, über die Zukunftspläne der Band gesprochen und jetzt ist dieser Mensch tot.

Auch wenn ich jetzt nicht sagen kann, Kleinti gekannt zu haben, macht mich diese Nachricht sehr betroffen, denn eine Person kann einem auch schon durch seine Lieder nahe gekommen sein, oder eben auch durch ein gutes Interview. Hinzu kommt, dass ich mich noch dadurch mies fühle, dass ich durch eine Unaufmerksamkeit dieses Interview gelöscht habe. Nicht deswegen weil es weg ist, sondern weil da ein Gefühl dabeikommt, dass das wohl seine letzten öffentlichen Worte gewesen sind, die da gelöscht wurden.

Ich möchte allerdings dieses Interview auch nicht aus dem Kopf heraus schreiben, weil ich nicht mehr nachvollziehen kann, wer was worauf geantwortet hat. Es wären dann meine Worte und Formulierungen, die ich benutzen würde, und damit fühle ich mich nicht wohl. Stattdessen möchte ich etwas über die Band JOINT VENTURE schreiben, deren Musik und vor allem deren Texte, im deutschen Sektor unübertroffen sind.

Zu ihrem Namen sind die beiden auf eine ganz besondere Art und Weise gekommen. Sie saßen in einem Park und bauten sich gerade eine schöne Tüte, als von einiger Entfernung eine weiße Gestalt auf sie zukam. Je näher sich diese Person den beiden näherte, umso mehr sah derjenige wie Jesus persönlich aus, ein Freak, der auch genauso von den Leuten genannt wurde, was Götz und Kleinti aber nicht wussten. Jesus kam also auf sie zu, sah was vor sich ging, zeigte das Peacezeichen und sagte nur: "JOINT VENTURE", um jedoch gleich weiter zu wandeln.

Seitdem sind über sechs Jahre vergangen, in denen Götz und Kleinti zusammen Musik gemacht haben, Musik, die Leute wie ich sonst eher selten hören, weil sie eigentlich in der Tradition der Liedermacher steht. Recht bezeichnend ist allerdings der Titel der letzten CD von JOINT VENTURE. "Extremliedermaching." Hätte Reinhard May statt von Maikäfern und von dem Gefühl, wie es ist über den Wolken zu fliegen, gesungen, wie man denn auch ohne Flugzeug über den Wolken schweben kann, wäre er dem was JONIT VENTURE singen, schon näher gekommen. Der Name der Band verrät es, was einen über die Wolken bringt, allerdings drücken sie es schöner und vor allem lustiger aus. Aus dem Stück "Haschisch rauchen macht harmlos":

"Wenn ich weg will von hier brauch ich kein Auto, kein Stau, noch nicht maln Fahrrad, nee, ich geh einfach spaziern. Ich hol dich ab, ein Tütchen rauchen und dann raus in die Au, mal wieder umweltschonend amüsiern.Wir verbrauchen nicht mal ein Gramm Rohstoff dabei, reproduzierbar ist der noch dazu.Tun keinem weh und es ist völlig kalorienfreiund ich trink weniger wenn ich es tu"

Besonders schön an dem Lied ist die Tatsache, dass Götz das Stück in schönstem holländischem Dialekt singt. In einem anderen Stück wird die immer wieder gern prophezeite Gefahr von Haschisch aufgegriffen, nämlich in dem Stück über den ersten offiziellen Haschischtoten, einer wahren Geschichte, die sich 1994 im Hafen von Rotterdam abspielte.

"Hanki war ein Dockarbeiter, konnte rackern wie kein Zweiter seine Heimat war die Kay, Lieblingslied Paloma Ohee, Ohee. Hankis Job war das Verladen und er hatte schon Milliarden Tonnen Fracht an Land gebracht, bis zu dieser einen Nacht, Ohee. Man sagt es macht nur Lungenkrank und lasch aber Hank starb an ´ner Überdosis Hasch. Er rauchte grad ´ne Zigarette da riss über ihm ´ne Kette. Viereinhalb Tonnen guter Roter und Hanki war ein Drogentoter, Ohee. Man sagt es macht nur Lungenkrank und lasch aber Hank starb an ´ner Überdosis Hasch. Übrig sind nun Frau und Kind, die jetzt ohne Vater sind,
würd man Hasch legalisiern, könnt mans sichrer transportiern, Ohee"

Bevor jetzt allerdings der Gedanke aufkommt, JOINT VENTURE würden nur übers Kiffen singen, das stimmt bei weitem nicht. Nein, sie singen zum Beispiel auch übers Saufen.

"Wenn ich abends den Fehler begehe, einen zu viel zu heben und am Morgen zu früh in den Spiegel reinsehe, dann mag ich nicht mehr leben, dann fühl ich mich, widerlich, die Augen blutig unterlaufen und ich denk mir wer morgens so schaut wie ich, der muß am Abend saufen."

Aber saufen ist doch fast dasselbe wie kiffen, werden vielleicht jetzt ein paar Nörgler sagen wollen. Aber sie singen nicht nur übers Kiffen und Saufen, sondern auch übers Ficken, wobei damit doch schon fast alle gängigen Sachen abgetan wären, mit denen sich, so sage ich mal der Großteil der Leserschaft des Ox auskennen dürfte. Aber man singt nicht platt übers Ficken, sondern verbindet das ganze noch mit einem guten Rat für Schwermütige.

"Ich hab in meinem Leben schon ´ne Menge mitgemacht und auch in manchen Phasen mehr gelitten als gelacht. Werd wie alle Menschen älter und erfahrener dabei, mit der Zeit macht man sich dann von manchem Fehler frei, entwickelt seine Wege und baut sich seine Brücken mich zum Beispiel plagte, dass in miesen Augenblicken ich mich viel zu leicht verliere, konnt ich nie was gegen machen, ich bin nunmal zu weich, mir vergeht zu schnell das Lachen. All die Jahre hab ich meine Depressionen mitgeschleppt, heute geht´s mir besser, denn jetzt kenn ich ein Rezept, immer wenns mich umhaut und mir schwindet der Humor, stell ich mir Politiker beim Ficken vor. (...) Manche können da nicht lachen und zum Ende von dem Ganzen, die Strophe für Emanzen und die andern zarten Pflanzen. Ficken, zugegeben ist kein elegantes Wort, wenn ich nicht sexistisch wäre, ließe ich es fort Ein Mensch mit Ziel und Sitten würd es sicherlich ersetzen, um vielleicht nur halb soviel Gefühle zu verletzen, aber denk Dir Angie Merkel, wie sie stöhnt und wie sie schreit, also mir fällt jedenfalls kein bessres Wort als Ficken ein" (Auf der CD "Unanständige Lieder" mussten leider nachträglich die Namen der genannten Politiker zensiert werden, Angie Merkel sangen sie aber beim Konzert.)

Natürlich wird die Band wegen solcher Texte auch des öfteren mit dem Vorwurf des Sexismus konfrontiert, allerdings war die passende Antwort hierauf, dass derartige Vorwürfe natürlich immer von denen kommen, die den Text nicht verstehen oder nicht verstehen wollen. Humormässig muss ich bei JOINT VENTURE in diesem Zusammenhang auch oft an den der Zeitschrift TITANIC denken. Es gibt stets einen feinen Rundumschlag, bei dem jeder mal dran ist. Was mich noch an die TITANIC erinnert, oder besser an Max Goldt, ist die Tatsache, dass die Situationen über die JOINT VENTURE singen, jeder kennt, jeder schon dutzende Male mit solchem oder ähnlichem konfrontiert war oder eben Texte über Leute, die man eben sogut mit all ihren Eigenarten kennt. Das Ganze in die richtigen Worte zu kleiden ist die Kunst.

Auch sind nicht alle Texte immer unbedingt lustig, Humor kann mitunter auch tragische Seiten haben und auch das bringen JOINT VENTURE nie schwülstig oder gar belehrend rüber. Was nun die musikalische Seite von JOINT VENTURE anbelangt, so erwähnte ich ja bereits eingangs, dass es musikalisch stark in die Liedermacherrichtung geht, soll heißen, es gibt zwei akustische Gitarren und Gesang, Feierabend. Auf "Ich brauch Personal" und "Extremliedermaching" sind hin und wieder auch spartanisch weitere Instrumente zu hören, aber hauptsächlich eben akustische Gitarrenstücke mit Gesang. Der Grund hierfür war ein einfacher: Die existierenden Liedermacher wie Degenhardt oder May sind ihnen auf Dauer zu langweilig gewesen, und der große Vorteil von derartig wenig Equipment ermöglichte der Band ihre Tourneen auch durchaus gemütlich mit dem Zug zu machen. Gitarre unter den Arm und ab.

Die CDs von JOINT VENTURE zu hören ist auf alle Fälle eine Bereicherung, und das sollte ein Aufruf sein, an alle die gerne kiffen, trinken, Bücher von Charles Bukowski lesen, Arbeit scheiße finden, politische Unkorrektheiten zu schätzen wissen und vor allem die auch darüber lachen können, wenn sie sich selber in einem der Texte wiederfinden. Es ist eine traurige Vorstellung, dass dieses Kapitel jetzt geschlossen worden ist, und mit Kleinti Simon ist ein, in meinen Augen, herausragender Texter, Sänger und Musiker gestorben. Ich würde mir wünschen, und ich stehe mit diesem Wusch nicht alleine, man muss sich nur mal das Gästebuch der Homepage nach Kleintis Tod anschauen, das Götz weitermacht, weitermachen kann. Ihm und Marion Götte gilt im Besonderen mein Mitgefühl, weil sie einen Freund und Mitmusiker verloren haben. Macht weiter, für Kleinti und nicht zuletzt für euch.

Eine Antwort von Kleinti Simon aus dem Interview habe ich übrigens noch fast wortgetreu parat und die möchte ich an alle kiffenden Freunde und Freundinnen weitergeben:

Habt ihr einen Lieblingskoffeeshop?

Kleinti: "Oh ja, das "Wall Street" in Maastrich. Wenn Du in die Stadt reinkommst, an der Fackel vorbei, kommt der Marktplatz, wo auch so ne Bushaltestelle ist. Dahinter die Straße rechts rein, nach ca. 400 m auf der rechten Seite."