JOHNNY REGGAE RUB FOUNDATION

Foto

Die Lösung des BumBum-Problems

Nachdem bei der Kölner Ska-Formation THE FISHEDZ im Jahr 2013 Schluss war, bauten Gitarrist Johnny Reggae und Sängerin Chrissy ihre 2010 als Nebenprojekt gestartete Band JOHNNY REGGAE RUB FOUNDATION nach und nach aus. Nur sporadisch instrumentiert, begleitete sich Johnny selbst mit einer Wandergitarre und Chrissy sang und spielte Melodica. Bald darauf fanden sie erst in Ex-FISHEDZ-Bassist Christoph den Mann für die tiefen Klänge, etwas später folgte Rolo. Bereits 2012 veröffentlichten sie ihre erste Single „Johnny Reggae“, gefolgt von „Coolit’ Down“ im Jahr 2014 und der 4-Track-Cover-EP „Punk“ im Jahr 2015. Seit Mitte Juni gibt es nun die erste LP „No Bam Bam“ mit ausschließlich eigenem Material auf Pork Pie. Das Skinhead-Reggae- und Urban-Ska-Trio hat mittlerweile eine ganz eigenen Instrumentierung. Chrissy spielt Orgel und bedient diverse Effektgeräte. Johnny hat sich sein ganz eigenes Schlagzeug für die Gitarrenbegleitung zurechtgebastelt und Rolo zupft den Bass. „No Bam Bam“ ist definitiv jetzt schon ein Highlight im Reggae- und Ska-Sektor für dieses Jahr.

Wie ging es mit JRRB los?

Johnny: Stark inspiriert hat uns damals Vic Ruggiero, der ja neben den SLACKERS sein One-Man-Format durchzog. So spielten wir ein paar Lieder von Vic und ein paar Klassiker wie „Message to you“, „Moonstomp“ und natürlich „Johnny Reggae“. Unseren ersten Auftritt hatten wir anlässlich des CD-Release-Konzerts der Aachener Ska-Band QUICKSTEPS im Januar 2011 vor 400 Leuten. Schnell war klar, dass das Format so nicht funktionieren würde, da das Publikum stellenweise lauter redete, als wir gespielt haben. Es fehlte das BumBum und vor allem der Bass. Also fragten wir unseren alten Bassmann Christoph.

Chrissy: Und mit Rolo haben wir dann einen würdigen Nachfolger gefunden. Der Dritte im Bunde sollte ja nicht nur gut Bass spielen, sondern auch was mit Reggae und Ska anfangen können und mit uns diesen Weg gehen wollen.

Und wie habt ihr das „BumBum-Problem“ gelöst?

Johnny: Bis zum jetzigen Format – den Rudie Drums – habe ich vieles ausprobiert und viel rumgebastelt. Mittlerweile sitze ich auf einer alten 22“-Zoll-Bassdrum, die ich innen verstärkt habe. Diese bediene ich mit einer Fußmaschinen-Sonderanfertigung. Die 13“-Zoll-HiHat spiele ich mit einem Remote-HiHat-Pedal. Ich habe mir ein Rack zugelegt, an dem HiHat und Snare, 12x7“-Zoll, befestigt sind, so dass mir die ganze Chose nicht dauernd wegrutscht. Die Snare spiele ich über eine reguläre Doppelfußmaschine. Dadurch kann ich mit beiden Füßen einfache Fills spielen. Alle Pedale sind permanent auf einer Grundplatte befestigt, damit man das einigermaßen schnell aufgebaut bekommt. Vorher war der Umbau zwischen zwei Bands die Hölle. Letztlich spiele ich ein einfaches Basic-Drumset mit Bassdrum, HiHat und Snare.

Was steckt hinter dem Begriff „Urban Ska“?

Johnny: Damit wollten wir etwas beschreiben, das sich vom typischen Third-Wave-Ska abhebt. Trompetenpunk ist so gar nicht unser Ding, auch wenn jede Ska-Welle tolle Bands hervorbrachte. Wir verstehen uns deshalb als Konzentrat unserer Vorlieben aller drei Wellen, wobei wir Skinhead Reggae als unsere Muttersprache betrachten, die wir so interpretieren, wie wir das cool finden.

Wie seht ihr die musikalische Entwicklung von Reggae und Ska?

Chrissy: In den letzten Jahren gab es ja schon eine Entwicklung weg von den großen Ska-Bands mit vielen Bläsern hin zu kleineren Formationen nur mit Orgel, wie die AGGROLITES, BOSS CAPONE oder GRANADIANS.

Johnny: Ich würde mir vor allem wünschen, dass neue Bands weniger kopieren und mehr ihre eigene Sicht auf diese schöne Musik projizieren. Klar, man fängt oft damit an, seine Vorbilder zu imitieren, aber irgendwann sollte man da rauswachsen. Eine Band, die wir gerade abfeiern, sind die SOUL RADICS aus Nashville, mit denen wir letztes Jahr beim This Is Ska-Festival die Bühne geteilt haben.

Bei One-Man-Band denke ich an Straßenmusik. Wäre das was für euch oder bevorzugt ihr eher Clubs und Festivals?

Rolo: Ich habe den größten Respekt vor Straßenmusikanten, ziehe Clubs oder Festivals jedoch vor.

Johnny: Aufgrund des großen logistischen Aufwands, damit alles so klingt, wie es klingen soll, ist die Fußgängerzone nichts für uns. Es ist also alles auf Club und „echte“ Bühne ausgelegt.

Chrissy: Ich habe früher viel Straßenmusik gemacht, was mir sehr viel Spaß gemacht hat, weil man so einen direkten Kontakt zu den Leuten hat. Wem es gefällt, der bleibt stehen, wenn nicht, gucken sie doof oder gar nicht. Ein direkteres Feedback gibt’s nicht. Clubs und Festivals haben einen ganz anderen Reiz, den ich auch sehr liebe, und für die Fußgängerzone haben wir einfach zu viel Zeug.

Eure ersten Aufnahmen waren Punk- und Ska-Klassiker. Was bedeuten euch diese Songs?

Johnny: Auf einem Nighter quatschte mich ein Skinhead an, ob ich nicht mal eine neue Version von „Johnny Reggae“ von PIGLETS machen könnte. Erst wollte ich nicht, aber dann spukten mir ein paar Textzeilen dafür im Kopf herum und die Geschichte endete damit, dass der Songtitel mit in unseren Namen einfloss.

Chrissy: Der Foundation-Gedanke war damals auch Programm, aber mittlerweile sind wir ein festes Trio und haben nur noch ab und an Gäste dabei. Und als namensgebender Song war das irgendwie Gesetz, „Johnny Reggae“ auch zu spielen. Auf der B-Seite der ersten Single war mit „Threesome“ unsere erste Eigenkomposition. Die „Punk“-EP sollte eigentlich eine Single werden, aber dann konnten wir uns nicht auf die Songs einigen und haben kurzerhand entschieden, vier Stücke aufzunehmen. „Attitude“ von den MISFITS ist ein Scorcher und das mochte ich schon immer. An DEAD KENNEDYS und „Too drunk to fuck“ wollte ich zuerst nicht ran, von wegen absoluter Klassiker und auch schon oft gecovert. Aber letztlich bin ich froh, dass wir das gemacht haben. Johnny ist ein Tim-Armstrong-Addict und so kam es, dass „Up to no good“ und „Sound system“ aus dessen Feder auf die Scheibe kamen. „Sound system gonna bring me back up, one thing that I can depend on“ ist aber auch irgendwie unser Lebensmotto. Was auch kommen mag, Musik bringt uns wieder zum Laufen!

Johnny: Punk ist eigentlich nicht so mein Genre, aber natürlich beeinflusst es einen am Rande. Du spielst im Laufe der Zeit mit vielen Punkbands, hörst in den Clubs die Klassiker und so wachsen dir diese dann ans Herz. Ausschlaggebend für die „Punk“-EP, die wir durchaus mit einem Augenzwinkern so genannt haben, war der Umstand, dass unsere Musik zu diesem Zeitpunkt live, vielen zu langsam war. Also fingen wir an zu experimentieren. Live ist die Mischung jetzt Dynamit!

„No Bam Bam“ ist euer erstes Album. Man merkt der Produktion an, dass ihr euch viel Zeit dafür genommen habt.

Chrissy: Wir haben viel Herzblut reingesteckt. Die Aufnahmen und Produktion waren sehr intensiv. Jetzt, da alles fertig und das Album erhältlich ist, ist das wie ein kleines Wunder für mich. All die Emotionen, Energie und Zeit, die in dieses Projekt geflossen sind. Zudem erneut die überaus inspirierende Zusammenarbeit mit Victor Rice, der einen großen Impact auf den Klang hatte. Er arbeitet mit vielen alten Sound-Schätzchen und hat seinen Style natürlich beim Mischen eingebracht. Genau das, was wir uns gewünscht haben! Irgendwann bist du so durch mit den Stücken, dass es guttut, wenn ein frischer Wind drüber weht und jemand aus einem ganz anderen Blickwinkel auf die Sache schaut. Das hat Victor mit Bravour gemacht. Genannt werden sollte noch Stefan Brüggemann vom Mastering Room, Berlin, der der Scheibe den finalen Feinschliff verpasst hat. Ich würde mir wünschen, dass das eine oder andere Stück ankommt, bewegt, berührt, verstört, aber in jedem Fall gehört wird und den Leuten etwas bedeutet.

Johnny: Erst einmal freuen wir uns, dass die Platte wirklich raus ist. Erst das Schreiben der Songs, dann die Produktion in unserem kleinen Studio und zuletzt der spannende Mix mit Victor Rice. Letzteres war verbunden mit einem vierwöchigen Jetlag und Schlafmangel, da Victor ja in São Paulo wohnt und sich immer nachts bei uns gemeldet hat. In dieser Zeit haben wir auch unsere neuen Partner von Pork Pie Records und Muttis Booking kennen gelernt. Im Rahmen unserer Möglichkeiten haben wir viel gespielt, 20 bis 30 Gigs im Jahr, aber irgendwann stößt man mit dem Eigenbooking an Grenzen. Zudem wir ja auch noch Berufe haben, um unser täglich Bier zu verdienen. Aber die Jobs sind jetzt auf Teilzeit angelegt, so dass es nun richtig losgehen kann. Und was das tolle Coverartwork angeht, möchte ich Jörg Folta, den Macher des This Is Ska-Festivals, der im Hintergrund die Fäden gezogen hat, erwähnen. Vielen Dank an die ganze Meute!

Eure Texte sind auf der Homepage nachzulesen. Könnt ihr für uns die einzelnen Songs kurz kommentieren?

Johnny: „Mission is completed“ war der Arbeitstitel des Albums und damit ein zentrales Stück. Thema ist der Rosenkrieg, der nur ein Opfer kennt: die Kinder. „No bam bam“ versucht, die aggressive Haltung von „Mission is completed“ zu relativieren und ist ein Aufruf, sich trotz Differenzen zu vertragen. Ein Anschluss quasi zu „Cool it’ down“. Es geht darum, den Moment, in dem man eigentlich platzen möchte, zu überstehen, um sich zu entscheiden, das, was immer man auch tun wollte, nicht zu tun. „Reggae bitch“ ist ein Appell, die Leute so zu nehmen, wie sie sind. Jeder hat so seine Eigenarten und etwas an sich, das man nicht mag. Aber so geht es deinem Gegenüber vielleicht auch mit dir. „Money is the devil“: Jeder muss abwägen, wie viel Geld zu welchem Preis er braucht. Je mehr Geld man hat, desto mehr verliert man seine Seele. Bei „I can tell you“ klappt das nicht immer mit dem Respekt für den anderen. Manchmal gehen einem die Leute so auf den Sack, dass man ihnen mal seine Meinung dediziert ins Gesicht schreien muss. „Org*smic“ ist eine Art instrumentale Begleitung eines Sexualakts. Bei „Baby“ geht es um einen unerfüllten Kinderwunsch, der so manche Beziehung belastet. „Goddamn right“ ist das unvermeidliche Liebeslied auf der Platte. Jeder kennt das hoffentlich, man ist verliebt und man weiß nicht, ob man dem Gefühl nachgeben soll oder nicht. „What about me“ handelt hingegen von nicht erwiderter Liebe. „Who are you“: Bei manchen Gigs wird man das Gefühl nicht los, als Musiker wie der letzte Dreck behandelt zu werden. In „Soulfood“ sind wir umgeben von vielen schönen Dingen, die uns unsere Gesellschaft zu bieten hat, merken dabei allerdings nicht, dass unsere Seelen dabei verkümmern. „Orgs*mic dub“ ist noch einmal eine instrumentale Begleitung eines Sexualakts, nur später am Abend.

Sich „eine eigene Meinung zu leisten, aber die richtige Haltung zu wahren“ – keine leichte Sache.

Chrissy: Aber ganz wichtig! Nicht einknicken, zu seiner Meinung stehen und diese auch vertreten. Das muss nicht im großpolitischen Kontext sein, sondern im Alltag. Es gibt so vieles, wo man die Klappe aufmachen könnte, es aber warum auch immer nicht tut. Wann hast du zum Beispiel das letzte Mal jemanden ins Gesicht gesagt, dass du ihn oder sein Verhalten nicht leiden kannst, wie in „I can tell you“? Oder was ist mit den Vorurteilen, die jeder so mit sich herumträgt? „Don’t judge if there’s no proof“, wie es in „Reggae bitch“ heißt.

Johnny: Es ist heute wichtig, sich ein Stück Restrückgrat zu leisten. Im Kleinen fängt es an. Es sind nicht immer nur die großen Verführer. Gesellschaften werden durch Konsens von unten zusammengehalten.

Chrissy, leider sind Frauen auf der Bühne immer noch eher die Ausnahme. Warum ist das so? Was müsste sich deiner Meinung nach ändern oder ist Rock’n’Roll einfach so ein Gender-Ding?

Chrissy: Wenn überhaupt, sind sie Sängerinnen und davon gibt’s zum Glück im Ska ja einige. Frauen, die Instrumente spielen, hingegen gibt es wenige. Sehr schade, wenn du mich fragst. Zwar gibt es in meinem Freundeskreis jede Menge Musikschaffende, aber auch da ist der Großteil männlich. Eine Freundin von mir spielt Saxophon in einer Kölner Ska-Band. Ich befürchte, dass das tatsächlich so ein Gender-Ding ist, denn im Rock’n’Roll-Geschäft hast du eben weniger weibliche als männliche Vorbilder.

Johnny: Bei den FISHEDZ habe ich gelernt, dass es gut ist, Frauen in der Band zu haben. Wir waren da teilweise sehr paritätisch aufgestellt. Frauen bringen eine Qualität in die Musik mit ein, die Männern einfach fehlt. Warum also darauf verzichten?