JOE STRUMMER AND THE MESCALEROS

Einer der Gründe, warum ich überhaupt für das Ox schreibe, war das Konzert von JOE STRUMMER AND THE MESCALEROS 1999 in Hamburg. Nachdem ich das Glück hatte THE CLASH 1984, wenn auch nicht mehr in Originalbesetzung, live zu sehen, hätte ich, als er mit den MESACALEROS „London Calling“ anspielte, am liebsten geweint. Das Konzert hat mich so umgehauen, dass ich den exhibitionistischen Wunsch verspürte, einer möglichst breiten Masse davon zu berichten. Ein Anruf bei Herrn Hiller und die Tatsache, dass vom Ox sonst keiner den weiten Weg nach Hamburg auf sich genommen hat, gab mir nun die Gelegenheit, meine Erfahrungen in die Welt hinaus zu posaunen. Vom Tellerwäscher zum Millionär: Knapp zwei Jahre später sitze ich mit Joe Strummer im Kölner Wasserturm an einem Tisch und interviewe ihn.

Nun gilt es aber noch folgendes vorweg zu schicken: Ich liebe THE CLASH, habe sie immer geliebt und werde sie wahrscheinlich auch immer lieben. Aber ich liebe auch den Rest, den Joe Strummer in seinem nicht untätigen Leben gemacht hat und ich will nicht der Tausendste sein, der die immer gleichen Fragen stellt. Aus diesem Grunde habe ich zu THE CLASH so gut wie nichts gefragt, das kann man eh alles in Hunderten von Büchern nachlesen. Natürlich hätte ich darüber hinaus auch noch eine ganze Reihe weiterer Fragen stellen können. So kam ich z.B. gar nicht dazu, den großartigen Samplerbeitrag zu „Generation One. A Punk Look on Human Rights“ als ELECTRIC DOG HOUSE zu würdigen, oder die Tatsache anzusprechen, dass THE CLASH eine Woche vor unserem Interview einen Award für besondere Verdienste an der britischen Musik erhalten haben und was weiß ich alles noch. Fakt ist jedoch, dass Joe an diesem Tag viele Interviews geben musste und vor der Türe schon andere Pressekollegen warteten. Hinzu kam, dass Strummer am Vorabend im Kölner Blue Shell war und, that´s Rock´n´Roll, aufgrund Alkoholgenusses etwas spät dran war. Trotzdem war er glänzender Laune und hat sich als ausgesprochen lustiger und sympathischer Gesprächspartner erwiesen. Er nahm mir dann auch direkt die Nervosität, was ich denn als erstes sagen sollte, weil er das Interview begann.

Hast du ein Glas?

Ich trinke aus der Flasche, danke.

Bist du sicher? Hey, wo ist der Service. (lacht) Egal! Wir starten das Interview mit der traditionellen Entschuldigung, zu spät dran zu sein. (lacht) Er schaut auf seinen Zettel, um die erste Frage zu stellen, die bestimmt eine sehr schwierige sein wird, aber wir werden trotzdem nicht weglaufen.

Ich möchte direkt mal mit der Gegenwart beginnen. Ich habe deine neue Platte mit den MESCALEROS jetzt schon einige Male gehört und ich finde sie großartig.

Puh, ich dachte du sagst jetzt, du hasst sie. (lacht)

Im Gegenteil. Ich finde vor allem, dass sie im Vergleich zu eurer ersten gemeinsamen Platte noch viel dichter und stärker wirkt.

Absolut. Ich finde, dass sie viel besser geworden ist. Die Wahrheit ist, „Rock Art and the X-Ray Style“ war größtenteils eine reine Joe Strummer-Platte. Das war bei „Global à Go-Go“ nicht so. Wir haben alle zusammen daran gearbeitet, es ist eine Team-Platte. Bei unserem ersten Longplayer habe ich die Sachen geschrieben und anschließend die Band hinzu geholt. Von mir war die Basis schon vorgegeben. Dieses mal haben wir die Songs gemeinsam gemacht. Du musst mir versprechen, die folgenden sechs Namen zu erwähnen, sonst sind die schwer sauer auf mich.

Mach ich.

(Direkt ins Mikro) Er lügt! (lacht) Also, da wären Scott Shields, Martin Slattery, Pablo Cooke, Timon Dogg, ich selbst und Richard Flack.

Das sind im Gegensatz zum Beginn deiner Solokarriere ganz neue Namen. Damals hattest du noch mit Leuten wie Zander Schloss von den CIRCLE JERKS zusammengearbeitet. Seither ist relativ viel Zeit vergangen, bis du mit den MESCALEROS plötzlich wieder da warst. Warum?

Ja, ich weiß. Die schwierigste Sache für mich als Musiker, oder wahrscheinlich generell, ist es, Leute zu finden, mit denen du zusammenarbeiten kannst. Wegen solch einer simplen Sache habe ich elf Jahre keine Platten gemacht, unglaublich, nicht? Ich finde es schwer, die richtigen Leute für so etwas zu finden, weil Musik machen für mich etwas sehr Intimes hat. Ohne die richtigen Leute geht so etwas nicht. Rückblickend war es also viel weniger das Problem, nicht zu wissen, was ich machen kann, sondern die richtigen Leute dafür zu finden. Natürlich ist es auch so etwas wie ein Teufelskreis, wenn du niemanden findest, mit dem du Musik machen kannst, weil du früher oder später dadurch auch den Bezug zur Szene verlierst.

War das der einzige Grund für die lange Pause?

Nein, aber es war auf alle Fälle einer der Gründe. Allerdings war es auch nicht so, dass ich mir diese Pause von vornherein auferlegt hätte. Das ist einfach so gekommen, und im Nachhinein war es vielleicht das Beste, was mir passieren konnte. In so einer Zeit sammelst du viel neue Energie und kriegst viele neue Ideen. Außerdem gewinnst du viele neue Einflüsse, was es dir wiederum ermöglicht, all das in deine Arbeit mit einfließen zu lassen. Ich glaube auch, dass es nötig war, für mich zu lernen, wie stark so ein Team sein kann.

Was ich ebenfalls sehr interessant finde, ist, dass du jetzt bei Hellcat Records, dem Label von Tim Armstrong bist. Ich finde, wenn ich RANCID höre, und ich glaube, das ist ein Fakt, dass sie sich sehr nach CLASH anhören und Tim sich fast wie du. Also scheint es, als würde es keinen Tim Armstrong geben, wenn es keinen Joe Strummer gegeben hätte.

Ja, es ist unglaublich nicht? Ich finde übrigens, dass RANCID eine großartige Band sind. Es stimmt auch, dass da einiges an CLASH-Flavour in der Musik ist. Aber hey, Tim kam zu mir und hat mir den Arsch gerettet. Ich war in Los Angeles auf der Suche nach einem Label und überall wollen die einem mit irgendeinem Mist reinreden. Ich wäre da zerquetscht worden, die wollten nur so Dog Eat Dog-Kram, was in meinen Augen sowieso ein völlig idiotisches Ding ist. Tim sagte also, ich solle auf sein Label kommen, und ich meinte, das wäre großartig. Er ist wirklich ein viel beschäftigter Mann, es ist unglaublich. Bloody Hell, er ist 30 Jahre und hat sein eigenes Label. Da denkst du an dein eigenes Leben. Als ich 30 war, hätte ich nie die Möglichkeit dazu gehabt.

Wie alt bist du jetzt?

Schreib was du willst. Weißt du, ich fühle mich im Augenblick so voller Energie, da spielt das verdammte Alter sowieso keine Rolle.

Um nochmal auf deine Plattenabstinenz zurückzukommen. In den elf Jahren zwischen „Earthquake Weather“ und „Rock Art“ ist ja trotzdem einiges passiert. Du hattest beispielsweise mehrere Filmrollen, wie in „Straight to Hell“ von Alex Cox...

Das war totaler Unsinn.

...oder in „Mystery Train“ von Jim Jarmush.

Das war noch größerer Unsinn. Nein, ich glaube, dass ich das Schauspielen lieber anderen überlassen sollte.

Danach bist du bei den POGUES eingesprungen.

Ja, ich bin für Philip Chevron, den Gitarristen eingesprungen, weil er kurzfristig krank geworden war. Plötzlich befand ich mich mit den POGUES auf einer Welttournee. Im Jahr darauf wurde dann Shane MacGowan, der Sänger, krank, und sie fragten mich, ob ich nicht für ihn einspringen könnte. So befand ich mich auf meiner zweiten Welttournee mit den POGUES.

War die Zusammenarbeit mit dir als Sänger nur für die Tour geplant, oder habt ihr auch über eine dauerhafte Besetzung nachgedacht?

Das Problem war, dass sie überhaupt nicht wussten, wie es mit Shane weitergehen würde. Sie erwarteten am ehesten, dass er sterben würde. Er war ein unglaublich starker Trinker. Jetzt hatten sie das Problem, das es unmöglich war, mit ihm auf Tour zu gehen, aber es war bereits alles gebucht. Also kamen sie zu mir und fragten, ob ich es machen würde. Ich hätte Nein sagen sollen, aber ich bin ein Idiot, also sagte ich Ja. Jeder rational denkende Mensch hätte Nein gesagt, aber ich saß auf einen Drink mit James Fearnley, dem Akkordeonspieler, zusammen und fragte ihn: „Hey, warum wolltest du dich mit mir hier im Pub treffen? Was ist der Grund dafür?“ Er sagte: „Shane ist krank und wir wollen dich für unsere Welttournee haben.“ Ich wäre fast vom Stuhl gefallen. „Was???“. Er sagte, „Sorry, aber die Tour startet in fünf Tagen“, oder irgend so etwas schreckliches. Jeder normale Mensch hätte Nein gesagt, aber egal: was war, ist vorbei.

Ich habe euch damals gemeinsam in Köln gesehen und fand es ehrlich gesagt großartig. Da waren die POGUES, die ich damals sehr gemocht habe, zusammen mit dem Sänger von THE CLASH, der Band mit der ich musikalisch groß geworden bin.

Ja, aber es war wirklich schwer für mich in Deutschland, weil die POGUES hier so unglaublich populär waren. Das war nirgendwo anders so. Ich hatte das vorher gar nicht realisiert, wie groß die waren, bis wir diese Auftritte in Deutschland hatten. Das Publikum war teilweise total wütend auf mich, weil sie meinten, ich wäre irgendein Idiot, der dafür verantwortlich war, dass Shane rausgeflogen ist. Ich habe in der Mitte einer Show versucht, irgendwelchen Skinheads zu sagen, dass ich der Band aushelfe und Shane krank ist, aber es war gar keine Zeit, das richtig zu erklären. Die brüllten mich an: „Du bist ein Arschloch, wir wollen Shane.“ Ich dachte die lynchen mich gleich. Verdammt, da waren 10.000 Leute jede Nacht in Deutschland. Soviel Publikum war ich nicht gewöhnt. In my book, that´s very big. (lacht) Mit THE CLASH haben wir vielleicht mal vor 5.000 bis 6.000 Leuten gespielt.

Als ich dich ´99 mit den MESCALEROS in Hamburg gesehen habe, fiel mir ebenfalls auf, dass es dir nicht egal ist, welche Erwartungen das Publikum hat.

Oh, du warst in Hamburg? Ich erinnere mich an das Konzert. Es war glaub ich ganz gut.

Was mir gefallen hat, war dein erster Satz auf der Bühne, dass ihr jetzt erst mal ein paar neue Songs spielen würdet, du aber hoffst, dass nicht gleich alle nach Hause gehen.

(lacht) Ja, aber das ist auch so etwas wie ein ewiger Kampf für mich, dass ich so was immer rechtfertigen muss. Ich denke wirklich sehr viel über so etwas nach. Ich will die richtige Mischung finden und nicht jemand sein, der auf die Bühne kommt und sagt: „Right, here´s only my new rubbish“. Allerdings kommen mit dem neuen Album auch elf weitere Songs hinzu, um diese Mischung aufzufüllen.

War es also ein Zugeständnis an die CLASH-Fans, relativ viele alte Songs zu spielen?

Nein, aber wir hatten halt nicht genügend eigene Songs, die wir hätten spielen können. Natürlich ist es trotzdem auch ein Zugeständnis, aber was hätten wir sonst spielen sollen? (überlegt) Vielleicht ein paar ROLLING STONES-Songs. (lacht) Allerdings glaube ich nicht, dass die Leute das hätten hören wollen. (lacht) Warte mal, das ist gar keine schlechte Idee.

(Strummer nimmt sich einen Zettel und schreibt „ROLLING STONES Cover“ drauf).

Natürlich sind diese CLASH-Songs auch ein Teil meines Herzens und meiner Seele. Ich habe da die Möglichkeit, auszuwählen, ähnlich wie aus einer Bibliothek. Ich habe vor allem vor, den Leuten verschiedene CLASH-Songs zu präsentieren, anstatt ständig nur die Hits. Auf unserer letzten Tour haben wir das Übliche gespielt. „White Man in Hammersmith Palace“, „London Calling“, oder „Rock the Casbah“, all diese Sachen. Beim nächsten Mal wollen wir dann auch andere Songs spielen, wie „Wrong ´em boyo“, „Revolution Rock“ und „One more time“. Damit möchten wir das Ganze interessanter gestalten und den Leuten auch andere CLASH-Songs in Erinnerung rufen. Ich gebe mir wirklich immer sehr viel Mühe, eine gute Setlist zu schreiben und setze viel Zeit dafür ein. Manchmal sitze ich zwei Stunden vor einem Blatt Papier und überlege. Dann schaue ich, ob die Mischung stimmt und die einzelnen Songs gut zueinander passen; diese Sachen eben. Andererseits, wenn du in der richtigen Stimmung bist, brauchst du gerade mal die Zeit, die es dauert, die Songs aufzuschreiben. Da hast du in zwei Minuten die beste Setlist. Deswegen habe ich eben auch direkt aufgeschrieben, dass wir mal einen ROLLING STONES-Song covern sollten, weil so was wahrscheinlich niemand erwartet. (lacht) Hast du irgendeinen Favorit von den STONES? Am besten ein altes Stück!

„Under my thumb“ fand ich immer großartig. (Eigentlich meinte ich aber „Sympathy for the Devil“. Wenn also Strummer demnächst „Under my Thumb“ covert, bin ich dran schuld. Dabei wäre es so nett gewesen, wenn die MESCALEROS bei „Sympathy“ die ganze Zeit „Huh-Huh“ gemacht hätten.)

O.k. Vielleicht „Under my Thumb“. Das wird sich wahrscheinlich unheimlich anhören. Tatsächlich habe ich noch nie einen ROLLING STONES-Song gecovert. Ich meine, ich bin mit denen aufgewachsen, sie sind quasi mein Brot und Butter.

Soweit ich das mitbekommen habe, hast du deine Solokarriere zunächst mit Soundtracks begonnen. Da waren die zwei Songs für den Film „Sid and Nancy“...

God almighty!

...und vor allem der Soundtrack für „Walker“ die beide ebenfalls von Alex Cox sind.

„Walker“, yeah. Das ist eine der besten Sachen, die ich je gemacht habe. Es ist für mich fast so was wie eine Ehre, dass ich die Gelegenheit dazu hatte.

Ich glaube, dass „Walker“ von deinen bisherigen Solosachen, dem was du jetzt mit den MESCALEROS machst, am Nähesten kommt.

Ganz genau, das ist absolut wahr. Besonders die akustischen Elemente auf der neuen Platte gehen in diese Richtung. Ich hatte mit „Walker“ aber auch unglaubliches Glück. Man hatte mich für ein Studio in San Francisco gebucht, welches eigentlich nicht das war, das ich bevorzugt hätte. In diesem Studio wurden auch massig Radio-Jingles für so Fast Food-Ketten aufgenommen. Sachen wie (singt) „Don´t try to fight it – when you gotta get away. Come on down to Taco Bell, and have some food today“. So ging das da auf der anderen Seite der Wand pausenlos. Da waren also all diese Musiker, die für Pizza Hut und Taco Bell und diesen ganzen Kram arbeiteten und ich kriegte das natürlich mit. Also bin ich hingegangen und meinte: „Hey, du bist der Bassist, komm zu uns rüber“, und so halt. Verdammt, die waren regelrecht glücklich, mal etwas anderes machen zu können, als den ganzen Tag über Pizza zu singen und diese Jingles dazu einzuspielen. Plötzlich spielten sie für einen Soundtrack, 14 volle Songs. So ein verdammtes Glück und das direkt nebenan. Diese Jungs hatten durch ihre Herkunft vor allem genau das richtige Gefühl für diese lateinamerikanische Musik. Der Pianospieler wusste ganz genau, wie er das in sein Spiel reinkriegte. Dadurch hat die Platte natürlich sehr an Authentizität gewonnen. Wenn wir das alleine gemacht hätten, wäre das bestimmt ziemlich mies geworden.

Ich hatte mich auch ehrlich gesagt immer darüber gewundert, dass auf dieser Platte so unglaublich viele Musiker angegeben waren, von denen ich bis auf Zander Schloss noch nie gehört hatte.

Ja, das war die Taco Bell-Jingle-Mannschaft. (lacht)

Ein weiterer Soundtrack von dir waren die Sachen für den Film „Permanent Record“ von Marisa Silver. Dabei ist mir aufgefallen, dass sich die Sachen, vor allem „Trash City“, sehr stark nach alten CLASH-Sachen angehört haben.

Ja, das stimmt. Irgendein englischer Musikredakteur hat dazu geschrieben: „This is the Sound of Joe Strummer, emptying the ashtrays“. Das ist verdammt harte Kritik. Oder besser, ein harter Urteilsspruch, aber gelungene literarische Kritik. Es ist tatsächlich so, dass englische Zeitungen immer verdammt hart sind. Wahrscheinlich hatte er sogar recht, mit dem was er geschrieben hat. Manchmal fehlt einem einfach die nötige Inspiration, etwas wirklich Neues zu machen.

Du scheinst viel auf Kritiken zu geben.

Ja, unbedingt. Kritiker sind oft verdammt kluge Leute. Ich glaube, man kann viel von ihnen lernen. Wenn du etwas machst, weißt du zu Anfang oftmals nicht genau, was es werden wird. Wenn es dann fertig ist, weißt du nicht, ob es wirklich gut ist, oder ob nur du es gut findest. Ich glaube daher wirklich, dass Kritiken wichtig sind. Klar kann es dich auch deprimieren wenn sie schreiben, du seist ein totaler Wichser, aber ich möchte an diesem System auf alle Fälle nichts ändern.

Ein wenig zurück in der Geschichte. Vor THE CLASH hast du bereits eine Band gehabt, die 101ERS.

Ja, das war genau zwei Jahre vorher. Was wir da gemacht haben, war wirklich harte Arbeit: durch die ganzen Clubs und Pubs tingeln und zu sehen, dass man immer Auftrittsmöglichkeiten bekommt.

Das war ja noch vor Punk. Wovon fühltest du dich damals beeinflusst?

Auf jeden Fall von Chuck Berry und all diesen Rythm´n´Blues-Sachen. Frühe ROLLING STONES, Bo Diddley und CHESS. All dieser Bar-Band-Kram. Das passte auch, weil wir ständig in Pubs gespielt haben, wo alle betrunken waren. Wir haben ein paar eigene Songs gespielt und viele Covers.

(lachend) Aber nix von den ROLLING STONES, oder?

(lacht) Nein, aber wir haben „Route 66“ in deren Style gespielt, weil das die beste Version war.

Dann kam Punk auf. Haben sich da deine Einflüsse und dein Background schlagartig geändert?

Ja, unbedingt. Ich hatte zu der Zeit schon eingesehen, dass wir mit den 101ERS auf der Stelle traten, aber ich war wohl nicht intelligent genug zu realisieren, was wirklich los war, warum es nicht weiterging mit uns. All diese verdammte Arbeit mit der Band: das gesamte Equipment in den Van, 200 Kilometer fahren, alles wieder auspacken, den verdammten Gig spielen, alles wieder zurück in den Van, nach Hause fahren, ins Bett und am nächsten Tag das Gleiche wieder. Dann sah ich die SEX PISTOLS. Bloody hell, das war wirklich die Tür zu einer anderen Welt. Innerhalb von fünf Sekunden war mir klar, wo unser Problem lag. Wir ließen immer wieder nur die Vergangenheit aufleben, mit dem was wir machten. All dieser alte Kram. Dann kam jemand zu mir und meinte, ich müsse diese Jungs kennen lernen, und so traf ich Mick und Paul. Da wo ich war, gab es bis dahin keinen Weg heraus. It was deadly, but then I joined the circus, hahaha, well I did, actually. (lacht laut und ausgiebig) Auch wenn wir vielleicht irgendwann Fehler gemacht haben, es war fantastisch bei THE CLASH zu sein.

Vom Anfang von THE CLASH direkt zu deren Ende: ...

Hey, das ist gut! Du bist wirklich schnell. (lacht) You should teach all the other guys. (lacht)

... als es zum Split kam hattet ihr euch schwer verkracht. Es wurde in den Musikblättern auch von Gerichtsverhandlungen geschrieben. Was hatte es damit auf sich?

Ich kann nur dankbar dafür sein, dass es damals nicht vor Gericht gegangen ist, weil sie es hätten machen können. Tatsächlich hat es nie eine Gerichtsverhandlung gegeben. Weisst du, wenn sich eine Band auflöst, ist es fast immer wie mit einer Ehe. So wie es jetzt bei den DEAD KENNEDYS läuft, das kann jederzeit passieren. Ich fühle mich heute für das, was damals gelaufen ist, schuldig. Das war alles mein Fehler. Ich habe diese Sachen zugelassen. Ich habe es zugelassen, dass der Manager Topper Headon rausgeschmissen hat.

Weil Topper Drogenprobleme hatte?

Ja, er wurde rausgeschmissen, weil er heroinsüchtig war.

Und du hast dein Einverständnis gegeben?

Nein, es war eher so, dass ich gar nichts tat. Der Manager sagte, Topper sei nicht mehr tragbar für die Band. Es stimmt schon, es war schwierig für die Band, Gigs zu spielen, weil Topper ungleichmäßig und zu langsam spielte. Aber niemand machte den Vorschlag, einfach ein Jahr auszusetzen. Ich kann heute gar nicht glauben, warum das keiner vorschlug. Das war verrückt! Ich meine, wir haben 16 LP-Seiten aufgenommen und um die 1000 Gigs gespielt und das alles in einem Zeitraum von nur fünf Jahren. Es hätte nur jemand sagen müssen: „Hey, euer Schlagzeuger ist heroinsüchtig, warum gebt ihr ihm nicht die Zeit, davon weg zu kommen?“

Waren das auch die Probleme, die zu dem Split mit Mick Jones führten?

Nein. Mick war einfach in einem permanent miesgelaunten Zustand. (lacht) Es wurde vollkommen schwierig, mit ihm zu arbeiten. Trotzdem mache ich mir auch dabei Vorwürfe, dass wir uns nicht mehr zusammenraufen konnten.

Du hast ihn rausgeworfen?

Ja. Topper Headon war der erste Schritt zum Disaster und Mick Jones der zweite. Danach war die ganze Sache zerstört. Das sind Sachen, an die man denkt, wenn man Nachts aufwacht. Wie konnte das alles so passieren? Aber, na ja, was geschehen ist, ist geschehen.

Ein paar Jahre später hast du für Micks band BIG AUDIO DYNAMITE eine LP produziert. Seit ihr wieder Freunde?

Ja, absolut. Wir haben diese ganze Sache abgehakt. Auch mit Topper. Wir sind alle gute Freunde und haben uns letzte Woche noch getroffen. Es war klasse.

Die Frage, die viele Leute interessiert: wird es eine CLASH-Reunion geben?

(derart wichtige Antworten gibt es natürlich nur ohne Übersetzung) Okay, there is going to be one. I´m being serious, or all you think I´m jokin´. I will reform it, when I´m 78 and we´re going to play the songs faster. That´s what we´re gonna do, if no one kicks the bucket, touch wood.(Beidseitiges Lachen)

Ich für meinen Teil bin ehrlich gesagt kein großer Freund von Reunions.

Exakt. Es ist schrecklich!

Schau dir die SEX PISTOLS an. Meistens wird es Scheiße.

Immer. Alle sagen ständig, „Bitte tut euch wieder zusammen!“, aber wenn du dann auf der Bühne stehst, hassen es alle, weil die Luft raus ist.

Selbst der Dalai Lama soll euch ja gefragt haben?

Ja, selbst der Dalai Lama. Obwohl das der einzige Moment gewesen war, wo wir es hätten machen sollen. Da hätten wir immer sagen können (Strummer bläht die Backen auf und spricht sehr aufgeblasen): „We reformed because the Dalai Lama asked us, so what can we do? Thank, here´s my 5 Million Pounds.“ Das war wie Comedy. Ich bekam einen Anruf, wir sollten THE CLASH für dieses Tibet-Konzert zusammentun. Es gebe einen Brief vom Dalai Lama, indem er uns darum bitte, den mir das Management zuschicken wolle. Bollocks!

Das Beste, was ich in dem Zusammenhang gehört habe, war das Statement von Paul Simon. Er habe schon immer gewusst, dass der Dalai Lama zu Hause heimlich „London Calling“ hört.

Hahahahaha!