Joe McMahon

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Wahl-Münsteraner

Joe McMahon, Sänger von SMOKE OR FIRE aus Boston, wagte vor zwei Jahren einen drastischen Schritt und wanderte aus den USA nach Deutschland aus. Seitdem ist er in Münster zu Hause. Das allein bietet ja schon einiges an interessantem Gesprächsstoff, doch aktuell erschien auch noch sein Soloalbum „Another Life“ auf Gunner Records.

Joe, du bist vor zwei Jahren nach Deutschland gezogen. Warum?

Ich war hier vor drei Jahren mit meiner Band SMOKE OR FIRE auf Tour und unsere erste Show fand in Münster statt. Nach der Show lernte ich meine jetzige Freundin Maggie kennen und verliebte mich Hals über Kopf in sie. Am Ende der Tour stornierte ich meinen Rückflug und blieb für zwei Wochen in Deutschland. Danach fragte Maggie mich, ob ich es mir vorstellen könne, in Deutschland zu leben. Ich antwortete ihr, dass sie mir ein Jahr Zeit geben solle. Zehn Monate später war ich dann hier.

Das klingt ja nach einer Hollywood-Lovestory.

Ja, es klingt nach einer kitschigen Liebesgeschichte und im Prinzip ist es auch eine. Es hat einfach alles hervorragend gepasst – es war die beste Entscheidung meines Lebens.

Wie gefällt dir Münster?

Unglaublich gut! Münster ist der schönste Ort, an dem ich jemals gelebt habe. Die Stadt ist sauber und sicher, die Leute sind echt cool. Das soll aber nicht heißen, dass ich schlecht über das Leben in den USA reden möchte. Aber erst seit meinem Umzug ist mir so richtig bewusst geworden, was mit dem Begriff „Lebensqualität“ gemeint ist.

Kannst du denn als Amerikaner so einfach hier leben und arbeiten?

Ich habe ein Künstlervisum, ich muss also meinen Lebensunterhalt mit Musik verdienen. Ich war deshalb dauerhaft auf Tour, seit ich in Deutschland wohne. Ich habe gerade mein drittes Visum beantragt und sie haben mir sogar zwei Jahre statt nur einem gegeben. Vermutlich, weil ich seit kurzem auch nebenbei Englischunterricht in Münster gebe. Bis 2018 ist also erst mal alles geklärt. Danach müssen sie mich bewusstlos schlagen und in ein Flugzeug setzen, um mich loszuwerden, haha.

Was vermisst du von deiner Heimat hier am meisten?

Meine Freunde. Wenn wir hier auf Tour waren, haben wir uns in Deutschland immer wohler gefühlt als in den USA. Ich wusste also genau, worauf ich mich hier einlassen würde. Ich habe zwar nicht diesen amerikanischen Nationalstolz, aber ich liebe das Land und finde es beschissen, wie die Dinge dort laufen. Ich bin wirklich froh, hier wohnen zu dürfen.

Wie haben deine Freunde und Familienmitglieder reagiert, als du ihnen von deinen Umzugsplänen erzählt hast?

Es gab zwei Arten von Reaktionen. Einerseits von den Leuten, die schon mal in Deutschland waren, und andererseits von denen, die noch nie hier waren. Letztere hielten mich für wahnsinnig. Die anderen beneideten mich – weil sie das Land schon mal erlebt hatten. Meine Familie war natürlich nicht glücklich darüber. Ich komme aus New England, viele Leute aus der Region verlassen noch nicht einmal den Bundesstaat. Man wächst in der Gegend auf, findet einen Job, heiratet und bleibt für den Rest seines Lebens dort. Als ich von Boston nach Virginia umzog, war meine Familie schon verärgert, weil ich acht Stunden von ihnen entfernt wohnte. Und jetzt bin ich über den großen Teich auf einen einen anderen Kontinent umgezogen ... Ich glaube, dass sie besorgt waren. Ich habe alles verkauft, was ich hatte. Als Eltern oder Bruder fragten sie sich wohl, was passieren würde, wenn es schiefgeht. Wenn ich sechs Monate später nichts mehr besitzen würde und unglücklich sei. Was wäre dann? Ich habe ihnen gesagt, dass ich bereit sei, ein solches Risiko einzugehen. Für mich ist es einfach das Schlimmste, wenn man auf etwas zurückblicken muss und sich fragt: Was wäre gewesen, wenn ...?

Fliegst du ab und zu rüber in die USA?

Im letzten Herbst war ich für drei Monate dort, bin auf Tour gegangen, habe ein paar Wochen bei meiner Familie verbracht, Freunde getroffen ... Ja, ich versuche, einmal pro Jahr rüber zu kommen.

Was kann man in der Zukunft von SMOKE OR FIRE erwarten?

Ich hoffe, dass wir wieder etwas zusammen unternehmen können. Viele denken, dass mein Umzug der Grund für unsere Auszeit sei. Es ist aber das Gegenteil der Fall. Wir haben nicht viel gemacht und ich will möglichst jeden Tag „on the road“ sein. Es sind meine besten Freunde, aber wir sind nicht wirklich viel getourt. Unser Gitarrist Jeremy will seinen Job nicht verlieren. Ich kann das auch nachvollziehen und respektieren, aber ich will meinen Lebensunterhalt mit Musik verdienen. Wenn meine Bandkollegen dazu bereit sind, bin ich es auch, dann können wir direkt ein neues Album aufnehmen. Aber ich schreibe kein neues Album, wenn dann keine Tour folgt. In Zeiten wie diesen kann man nicht einfach Alben veröffentlichen, auf seinem Arsch sitzen und darauf warten, dass etwas passiert. Man muss touren!

Was kannst du uns über dein Soloalbum „Another Life“ sagen, das bei Gunner Records in Deutschland veröffentlicht wurde?

Ich habe die Aufnahmen in Enschede begonnen und in Antwerpen mit Tim van Doorn von den Big Dog Studios beendet. Chris von HOT WATER MUSIC spielt auf dem Album mit, Kaleb von AS FRIENDS RUST ebenso. Es sind großartige Musiker dabei, das Album wurde mit einer kompletten Band eingespielt. Ich wusste schnell, dass es kein reines Akustikalbum werden sollte. Ich mache gerne beides: akustische Solo-Shows spielen, aber auch mit einer Band auftreten. Das sind aber zwei völlig unterschiedliche Dinge. Auch mit deinen Freunden ist es nicht leicht, zusammen in einer Band zu sein. Alleine mit der Gitarre in den Zug steigen und einfach auf Tour gehen zu können, ist eine tolle Sache. Aber es ist auch ein unvergleichliches Gefühl, mit deinen Freunden auf der Bühne zusammen zuspielen, es macht so viel mehr Spaß. Aber ich will mit Leuten zusammen spielen, die dies auch wirklich wollen und das genauso lieben wie ich selbst.

Wie gut ist dein Deutsch?

Mein Deutsch ist nicht gut. Ich war aber auch in den letzten Jahren in so vielen verschiedenen Ländern unterwegs – ständig hört man andere Sprachen um sich herum! Zu Hause bin ich aber frustriert, weil Maggies Englisch nach zwei Jahren perfekt und mein Deutsch echt beschissen ist. Ich verstehe, was andere Leute sagen, aber wenn ich selbst spreche, ist es immer falsch. Das macht mich echt fertig. Und das Witzige ist, dass ich ja selbst in Münster Englischunterricht für Erwachsene gebe, wenn ich nicht auf Tour bin. Dabei wähle ich denselben Ansatz, den ich selbst beim Lernen einer Sprache anwende, und die anderen Leute kommen damit super zurecht. Ich selbst habe aber riesige Probleme. Ich warte immer noch auf die Erleuchtung, aber es dauert echt länger, als ich gedacht hätte. Mein Gehirn fühlt sich wie ein alter Schwamm an, der keine neuen Informationen aufsaugen möchte.

Was für Überraschungen hält das alltäglichen Leben für dich bereit?

Als ich hier neu war, gab es so viele Dinge, die ich nicht verstanden habe. In den USA werden dir die Lebensmittel an der Supermarktkasse in Tüten gepackt. Als ich in meiner ersten Woche in Münster an der Kasse stand, wusste ich gar nicht, dass dies hier nicht der Fall ist. Alles lag vor mir, ich wartete und jeder starrte mich einfach nur an. Es war die längste Minute des Schweigens, die ich jemals erlebt habe. Irgendwann reichte mir dann jemand eine Tüte. Ich bin so was durch die ganzen Touren aber gewohnt, man kann sich überall irgendwie mit Händen und Füßen verständigen. So was stört mich also nicht. Mittlerweile verstehen mich die Leute auch einigermaßen. Ich mag Herausforderungen. Man lernt erst in unangenehmen Situationen, aus welchem Holz man geschnitzt ist.

Behandeln dich Leute anders, wenn sie merken, dass du Amerikaner bist?

Ja, klar. Als ich nach Deutschland kam, wurde Maggie jedes Mal gefragt, ob ich eine Waffe hätte. Weil ich ja Amerikaner bin. Viele Leute denken wirklich in solchen Stereotypen. Ich mache ihnen aber keine Vorwürfe. Ich könnte mich davon auch nicht angegriffen fühlen, weil ich aus einer Stadt stamme, in der 250.000 Waffen pro Jahr verkauft werden.

Was ist das Schlimmste an Deutschland?

Mich verwundert diese Mentalität in Bezug auf Arbeit, die ich bei vielen Deutschen bemerke. Sie scheinen in ihrem Job festzustecken und zu denken, dass ihr Lebenslauf alles sei. Wenn dir in den USA dein Job nicht gefällt, zeigst du deinem Boss den Mittelfinger und suchst dir am nächsten Tag eine neue Stelle. Das ist die eine Sache, die ich im Vergleich zu den USA hierzulande gerne verändern würde.