Geschichtsstunde! Vor RANCID gab es OPERATION IVY, jene Band, die man zu Recht als „Erfinder“ des Ska-Punk bezeichnet. Sie existierte nur von Mai 1987 bis 1989, doch ihr Einfluss auf die Ska-Punk-Szene seitdem ist immens. 1988 erschien die „Hectic“-EP, 1989 das einzige Album „Energy“, beide auf Lookout Records, jenem legendären, die DIY-Szene der Bay Area von San Francisco prägenden Label aus Berkeley, das Anfang 2012 seinen Betrieb einstellte. Grund für die Pleite war unter anderem, dass OP IVY 2006, wie ihre einstigen Labelmates GREEN DAY auch, ihre Platten abzogen und diese im Falle von OP IVY 2007 auf Hellcat, dem von Armstrong zusammen mit Epitaph betriebenen Label, neu aufgelegt wurden. Neben den „prominenten“ und mit RANCID bis heute präsenten Tim Armstrong und Matt Freeman (nicht zu vergessen Drummer Dave Mello) war Jesse Michaels als Sänger wichtiger Teil der Band, verschwand nach deren Ende aber etwas in der Versenkung. Mit BIG RIG tauchte er 1994 wieder auf, veröffentlichte die EP „Expansive Heart“, bevor die Band sich wieder auflöste. 1999 dann gründete er COMMON RIDER, zusammen mit dem Pop-Punk-Produzenten Mass Giorgini (SQUIRTGUN) und Dan Lumley (SQUIRTGUN, SCREECHING WEASEL). Zwei Alben später war 2003 der Ofen aus, doch seit einer Weile ist Jesse wieder aktiv: CLASSICS OF LOVE heißt seine aktuelle Band, die 2009 sogar schon ein paar Konzerte in Europa spielte und eine EP veröffentlichte, und im Februar 2012 erschien nun auf Asian Man Records das Debüt-Album. Ich befragte Jesse zu seiner aktuellen wie damaligen Band – und auch zu seiner zweiten Karriere als Maler, dessen zarte Anfänge sich schon bei OP IVY erkennen ließ: deren „Ska Man“-Logo stammt von ihm. In jüngerer Vergangenheit steuerte er das Artwork zum Album der Hamburger Dub-Punks BRAINDEAD bei, tat das zuvor unter anderem für NEUROSIS, GREEN DAY und AGAINST ALL AUTHORITY.
Fangen wir mit OPERATION IVY an: Für viele Leute seid ihr die Band, die Ska-Punk in seiner modernen Form erfunden hat. Was und wer hat euch beeinflusst, was war die Idee mit der Band?
Was den Ska-Teil unserer Musik betrifft, war der Haupteinfluss eine Band aus der Gegend namens THE UPTONES. Aber wir hörten auch THE SPECIALS, THE ENGLISH BEAT, THE SELECTER, MADNESS, all diese Two-Tone-Bands. Außerdem waren Tim und Matt in einer Band namens BASIC RADIO, die eine Mischung aus Ska und Rock spielte. FISHBONE gab es damals auch schon, ebenso THE UNTOUCHABLES aus Los Angeles. All diese Bands spielten Ska mit Punk-Anleihen, wobei es mit KORTATU aus Spanien bereits eine Band gab, die schon richtigen Ska-Punk spielte. Und natürlich kannten wir THE CLASH. Tim und ich hatten schon früh in den Achtzigern die kalifonische Hardcore-Szene miterlebt und das hinterließ auch seine Spuren. Und so war klar, dass sich all diese Einflüsse dann in der Musik unserer Band fanden. Ich weiß auch nicht, ob so was wie musikalische Innovation so einfach nachvollziehbar stattfindet, wie man das oft denkt. Auch einzigartige, neue Bands wie DEVO oder die STOOGES hatten schließlich eine Vorgeschichte, klar erkennbare Einflüsse. Manches geschieht einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort und klingt dann frisch und neu. Unsere Idee nun war die einer Mid-Tempo-Punkband irgendwo zwischen THE CLASH, SOCIAL DISTORTION und unseren Freunden CRIMPSHRINE, und unsere ersten Songs klangen auch genau so. Der Ska-Einfluss kam dann ganz von alleine dazu. Ich halte es für sehr schwer, mit einer Band einen exakten Plan zu verfolgen, denn man muss „der Magie folgen“. Ich meine damit, dass man einen Song spielt, wenn er funktioniert, egal was für ein Stil das ist und ob das der Stil ist, denn man im Sinn hatte. Und so war das eben bei uns: Wir spürten, dass die von Ska beeinflussten Stücke gut funktionieren, und so behielten wir es bei.
Hast du für „Ska-Punk“ eine Definition parat?
Na, ich würde sagen „music that has ska and punk in it“. Als wir 2009 mit CLASSICS OF LOVE in England spielten, war es cool zu sehen, dass es da immer noch Bands gibt, die diesen Stil pflegen, das war mir nicht bewusst. Eine Band wie CAPDOWN etwa, die gefielen mir echt gut. Ich mochte auch die Ska-Punk-Bands der späten Neunziger, beispielsweise THE SUICIDE MACHINES oder AGAINST ALL AUTHORITY, wobei ich da schon sagen würde, dass das eigentlich Punkbands mit Ska-Einflüssen waren. Auch an THE RUDIMENTS erinnere ich mich, aber es kommt mir vor, als wäre das schon tausend Jahre her. Ich schätze, du kennst viel mehr solcher Bands als ich, denn um ehrlich zu sein habe ich nie bewusst Ska-Punk gehört, mich nie aktiv darum bemüht, da neue Bands kennen zu lernen. Klar, ich mochte diesen Sound, aber irgendwie kam ich nie dazu, mich bewusst damit zu beschäftigen – das war keine Absicht, es ergab sich einfach nicht. Und meine wahre Liebe war schon immer klassische Punkrock und Old School-Hardcore à la MINOR THREAT und so, außerdem ganz klassischer Ska, Reggae und auch einfach nur Rock.
OPERATION IVY waren eine sehr kurzlebige Band, die sich auflöste, bevor sie richtig bekannt werden konnte, und eigentlich die ganze Bekanntheit entwickelt sich im Nachhinein. Wie aber hast du die beiden Jahre von 1987 bis 1989 erlebt?
Unser erstes Konzert fand auf einer Party in der Garage unseres Schlagzeugers statt. Das zweite dann im Gilman Street Club. Unser vorletztes Konzert war auch im Gilman Street Club, und das allerletzte bei irgendwem in der Garage. Das stellt den Rahmen dessen dar, was dazwischen geschah, und das war entweder ein kleines Konzert in irgendeinem Punk-Club oder auf einer Party. Wir waren eine Underground-Punkband, und bis ganz zum Schluss kamen nie viele Leute zu unseren Konzerten. Mich interessierte Erfolg im Musikgeschäft auch nicht, mich interessierte nur die Punk-Szene. Heute ist das anderes, da interessieren mich weder Erfolg noch die Punk-Szene. Ich war damals 19, und wir spielten in zwei Jahren 120 Konzerte – das war eine verdammte Menge! Die fanden vor allem in Kalifornien statt, aber auch eine Tour war dabei. In all der Zeit hatte ich nur eine Freundin, mit „Rockstar“ hatte das alles also nichts zu tun. Wir waren einfach ein paar junge Typen, die ausprobierten, was sie so auf die Beine stellen können. Mehr kann ich dazu eigentlich nicht sagen.
Aber ihr habt auch die Bestätigung durch das Publikum genossen, oder?
Wir spielten ein paar Shows, wo uns keiner mochte, aber die meisten waren ein Erfolg, ja. Wir waren ja auch eine gute Band! Das soll jetzt nicht angeberisch klingen, ich bin der Erste, der zugibt, wenn etwas, das ich mache, nichts taugt, aber wirklich, wir waren gut und unserem Publikum gefiel, was wir machten. Die Einzigen, die uns hassten, waren jene Punks, die dachten, wir seien nicht „Punk“ genug, und ein paar Ska-Fans, die der Meinung waren, unsere Musik tauge nichts,weil wir Ska ohne Bläser und nicht in Anzügen spielten.
Euer Erfolg zu Lebzeiten war also begrenzt, aber das änderte sich später, denn in den Neunzigern wurde Ska-Punk richtig groß, vor allem in den USA, aber auch in Europa, und mir scheint, jeder, der damals Ska-Punk spielte, hatte euer „Energy“-Album gehört und sich davon inspirieren lassen.
Ich versuche nicht über so was nachzudenken, nicht in Kategorien wie „erfolgreich“ oder „einflussreich“ zu denken. So eine Art von Selbstreflexion vergiftet dein Denken. Ich finde es einfach wundervoll, dass andere Menschen unsere Musik von damals hören und dass sie auch heute noch junge Menschen mögen. Und mir scheint, unsere Fans werden immer jünger, ich habe schon Mails von Zehnjährigen bekommen! Vielleicht haben wir endlich unsere echte „Zielgruppe“ gefunden, haha. Solche Rückmeldungen sind schon schön, klar, aber wie gesagt versuche ich nicht darüber nachzudenken, denn wenn man zu viel über seine Wirkung in der Öffentlichkeit nachdenkt, macht einen das verrückt. Ehrlich gesagt habe ich damals von dem Ska-Punk-Boom kaum was mitbekommen, ich war die meiste Zeit aus der ganzen Musikszene raus. Ich wollte irgendwas anderes machen und hatte eine ganze Zeit lang nichts mit Punk zu tun. Ich jobbte rum, hörte BEACH BOYS und Country, beschäftigte mich mit Buddhismus und Spiritualität. Einen konkreten Grund dafür gab es nicht, ich war einfach in der Laune dafür. Ich brauchte einfach ein ruhigeres Leben und litt über 15 Jahre etwas unter Depressionen. Außerdem bin ich ich nicht der Typ, der irgendwas macht und dieses Schema dann endlos wiederholt. Ich kann mich dann noch sehr genau an ein bizarres Erlebnis aus dieser Zeit in den Neunzigern erinnern. Ich war im Auto und schaltete das Radio ein, einen College-Radiosender, denn das waren die einzigen Sender, die damals Punk spielten. Und der DJ spielt eine Ska-Punk-Band. Und noch eine. Und noch eine. Und dann noch eine! „Holy shit, was geht hier ab?!?“, dachte ich, denn ich hatte keine Ahnung, dass es so viele solcher Bands gibt. Und weißt du was? Fast alle dieser Bands taugten nichts! Haha!
Aber wenn diese ganzen Bands nicht taugten, warum zeigen OPERATION IVY dann der Welt nicht noch mal, wo der Ursprung dieser Musik liegt? Warum keine Reunion, keine Tour?
Nichts in dieser Art ist geplant. Und mit jedem Jahr, das vergeht, wird so was unwahrscheinlicher. Opivy versuchten etwas zu machen, was gegen den Mainstreaam war, und deshalb entspräche es überhaupt nicht dem Geist von Opivy, jetzt durch große Rockclubs zu ziehen. Die Menschen, die wirklich verstehen, worum es uns mit der Band ging, was sie symbolisierte, würden sofort erkennen, dass das Bullshit ist. Ich jedenfalls hätte sehr gemischte Gefühle bei so einer Reunion. Wir müssten Anwälte, große Veranstalter, Türsteher und all so einen Scheiß ins Spiel bringen, und das waren zu Opivy-Zeiten immer schon die Dinge, auf die wir keine Lust hatten. Aber ich bin auch kein Heiliger, ich habe nichts gegen Geld und Menschen, die vor mir stehen und klatschen, und ja, ich wäre gerne in einer erfolgreichen Band, die große Konzerte spielt. Aber bei Opivy sagt mir mein Instinkt: Das war damals gut, wie es war, zeige Klasse und lass die Finger davon.
OPERATION IVY waren Teil der kleinen Szene, die sich Ende der Achtziger im Umfeld des selbstverwalteten Kulturzentrums Gilman Street in Berkeley bildete, und in jenem Umfeld existierte auch das Maximumrocknroll-Fanzine sowie euer Label Lookout Records. Wie war diese Szene, was machte sie aus – und was machte sie so einflussreich? Schließlich stammen mit GREEN DAY und RANCID gleich zwei der größten US-Punkbands aus dieser Subkultur-Nische.
Die Szene bestand aus ein paar Nerds und sozialen Außenseitern, die zusammen Musik machten und Spaß hatten. Die Musik war nicht nicht immer die Beste, aber das kümmerte keinen. „The music is not all that great but who cares?“, sagte Jake von FILTH immer. Wen man ihn fragte, wer abends im Gilman spielt, sagte er immer nur: „Who cares?“ Was bedeutete: Ist egal, wir gehen doch sowieso hin. Wir hatten ja auch sonst keinen Ort, um uns zu treffen. Ich hielt uns damals für nicht besonders „punk“, denn die Szene der Generation vor uns war gefühlt viel älter, cooler, smarter und tougher. Wir kamen uns vor wie die kleinen Geschwister dieser Leute, und teilweise traf das sogar zu. Unsere älteren Brüder und Schwestern hatten seinerzeit CODE OF HONOR und THE AVENGERS live gesehen, wir waren zu jung dafür, und so machten wir jetzt unser eigenes Ding. Wir nahmen das gar nicht so ernst, es war einfach nur ein großer Spaß, keine große Sache. Wenn man sich heute alte Videoaufnahmen von den frühen Dischord-Shows anschaut mit Bands wie VOID oder MINOR THREAT, sieht das schon so aus, als ob sich da was Großes anbahnt. Ich selbst habe seinerzeit mal MINOR THREAT live gesehen, und die Energie war wirklich unglaublich. Das war viel stärker als jede Gilman-Show. Aber auch wir hatten großartige Shows, ich erinnere mich gut an NAKED RAYGUN, NEUROSIS, GANG GREEN, POISON IDEA und BAD RELIGION. Ich hatte aber nie das Gefühl, das wir Teil von irgend etwas „Wichtigem“ wären, wir hatten einfach nur Spaß, nahmen alles nicht so ernst, und so sehe ich das bis heute. Erstaunlich und absolut einzigartig an Gilman war aber, wie viele „oddballs“ davon angezogen wurden, also Außenseiter, Eigenbrötler, Individualisten, also nicht mal Punks im Wortsinne, sondern Künstler, ältere Hippies und so. Jeder war willkommen, das war cool, und das machte die Sache sowohl seltsam wie auch trashig.
Kommen wir von Gilman zu Lookout, eurem damaligen Label, das Anfang 2012 nach langem Siechtum seinen Betrieb einstellte. Ihr hattet als OPERATION IVY sicher eure Gründe, Lookout 2006 die Rechte an Pressung und Verkauf eurer Platten zu entziehen, was sich wie das entsprechende Vorgehen von GREEN DAY auch massiv auf die Geschäfte des Labels auswirkte.
Lookout hatte schwere wirtschaftliche Probleme und viele Bands, wir eingeschlossen, wurden nicht bezahlt. Das aber ist nun mal die Grundlage dieses Geschäfts. Und so wollten wir unsere Platten auf einem Label veröffentlicht sehen, das auf einer soliden Grundlage steht. Außerdem bestand die Gefahr, dass, da Lookout auch Banken Geld schuldete, im Falle eines Rechtsstreites mit diesen, die Rechte an unserem intellektuellen Eigentum, also unsere Musik, in einen Rechtsstreit hineingezogen worden wären. Nun ist Chris, der Lookout bis zuletzt führte, eigentlich ein netter, guter Kerl, nur wuchs ihm alles über den Kopf. Er hatte versucht, alles wieder ins Reine zu bringen, aber letztlich schaffte er es nicht. Wenn man sich die Geschichte von Punk-Labels mal über einen längeren Zeitraum anschaut, stellt man fest, dass sich da immer wieder ein Muster wiederholt: Sie fangen klein an, haben etwas Erfolg, versuchen zu expandieren. Doch wenn man expandiert und versucht, in die Geschäftsbereiche von Majors vorzustoßen, zieht das enorme Investitionen nach sich, und oft genug übernehmen sich die Labels daran. Wenn man es nicht schafft, eine erfolgreiche Band nach der anderen aufzubauen, steht man am Schluss mit einer Menge Schulden da. Man braucht dann immer noch GREEN DAY, oder was auch immer, um Promotion, Toursupport und so weiter bezahlen zu können. Und das ist hart. Vor allem dann, wenn man sich klar macht, dass normalerweise jede ordentliche Firma mit einem Finanzplan startet. Punklabels hingegen werden im Wohn- oder Schlafzimmer gegründet, an einem kleinen Schreibtisch, und wenn das Label dann expandiert und der Besitzer verwundert fragt „Finanzplan? Was ist das?“, ist es schon zu spät.
Nach dem Ende von OPERATION IVY bist du von der Bildfläche verschwunden, erst 1994 tauchtest mit deiner neuen Band BIG RIG wieder auf, die aber auch nicht lange existiert. Von 1999 bis 2003 dann gab es COMMON RIDER, dann wieder Pause, und seit 2008 nun gibt es CLASSICS OF LOVE. Erzähl mir was zu all deinen Bands.
BIG RIG war ein Projekt, das nur rund sechs Monate existierte. Ein paar Jungs und ich schrieben ungefähr acht Songs und das war’s, keine große Sache. Wir spielten ein Konzert, mehr ist dazu nicht zu sagen. War nicht das Richtige für mich, nicht meine Musik, mein Songwriting-Stil. Danach machte ich dann musikalisch eine ganze Weile gar nichts, weil mir einfach nicht danach war. 1999 aber war mir langweilig, und so startete ich COMMON RIDER. Der Plan war, verschiedene Arten des Songwritings jenseits von Punk zu ergründen, und so hatten wir auch viele Love-Songs, sanfteres Zeug. Ich denke, viele der Songs waren zwar nichts Besonderes, aber ein paar Perlen waren dabei. Ich lernte damals aber ehrlich gesagt auch gerade erst, wie man richtig Lieder schreibt und war dabei herauszufinden, was funktioniert und was nicht. Ich hatte ja in Opivy nie Gitarre oder so gespielt. Bei COMMON RIDER schnappte ich mir deshalb eine Gitarre und legte los. Ich experimentiert viel, und vieles war Müll. Ich will nicht weinerlich klingen, aber es ist schwer, etwas neu zu lernen, wenn man schon ein erwartungsvolles Publikum hat. Wir spielten ein paar echt gute Konzerte, und auf acht oder neun Lieder bin ich wirklich stolz. Außerdem gefiel das, was wir machten, einer ganzen Menge Leute, also was soll’s. In der finalen Besetzung bestand die Band aus mir sowie Mass und Lumley von SCREECHING WEASEL – sehr nette Menschen und gute Musiker, zudem hat Mass auch die meisten Sachen aufgenommen. Letztlich war die räumliche Distanz zwischen mir und den beiden aber zu groß, um regelmäßig proben zu können, und sich nur dreimal im Jahr zu sehen, reichte mir nicht für eine Band. Und das war’s dann.
Und wie kam es dann zur Gründung von CLASSICS OF LOVE?
Vor ein paar Jahren half mir Mike Park von Asian Man beim Aufnehmen eines Demotapes mit ein paar Solo-Sachen. Er spielte mir was von einer lokalen Band namens THE HARD GIRLS vor. Ich hatte zuerst nur die Idee, dass die mich bei ein paar Stücken begleiten könnten, aber nach ein paar Proben merkten wir, dass es gut funktioniert zwischen uns. Seitdem haben wir schon eine ganze Menge Konzerte gespielt, auch wenn die Band nur so nebenher läuft. Wir sind eben alle erwachsen, keine 22-Jährigen mehr, die sonst nichts anderes zu tun haben. Es macht Spaß, und die neue Platte ist das Punkigste, was ich seit Opivy gemacht habe. Ich denke also, dass die Punks sie mögen werden, denn da sind viele Einflüsse von altem Achtziger-Hardcore zu hören und sogar ein paar Ska-Songs. Warum? Ganz einfach: Wir versuchten zuerst eher postpunkig zu klingen, aber beim Proben merkten wir, dass die einfachen Sachen am besten funktionierten, und so machten wir in der Richtung weiter.
Du sprichst mit großer Begeisterung von deiner Musik, da fällt es schwer zu verstehen, wie du immer wieder jahrelang ohne sie auskommen konntest.
Ich bin kein Vollzeitmusiker, aber ich mache gerne Musik. Unter idealen Bedingungen würde ich wohl immer Musik machen, aber die Bedingungen waren und sind eben nicht immer ideal. Es ist schwer, als Erwachsener sehr viel seiner Zeit der Musik zu widmen, wenn man nicht davon leben kann. Außerdem zerstört eine Band quasi dein gesamtes Leben. Wie willst du eine ernsthafte Beziehung führen, wie beruflich Karriere machen, wenn du alle paar Monate für ein paar Wochen weg bist. Das ist echt für’n Arsch. Ich liebe die Musik, aber nicht das Touren. Aber da ich mich ja doch immer wieder darauf einlasse, bin ich wohl irgendwie „abhängig“, haha.
Wenn du dein „richtiges“ Leben so sehr schätzt, wie sieht dieses aus? Ich habe gelesen, dass du dich auch schreiberisch betätigst und malst, unter anderem hast du das Artwork für das Album der Hamburger Band BRAIN DEAD gestaltet.
Ich male Ölbilder, habe Ausstellungen in ganz Kalifornien. Wer sich für meine Bilder interessiert, kann ja mal auf meine Website schauen. Und ich habe einen Roman geschrieben, „What the Dead Have to Say“. Der ist ab März über Amazon.com zu haben. Außerdem studiere ich derzeit Englisch, weil ich so gerne schreibe. Und dann sind da eben noch CLASSICS OF LOVE und PASSAGE WALKERS, eine Countryband, bei der ich singe. Du siehst, ich bin gut beschäftigt. Und ja, wie jeder andere auch vertrödle ich viel zu viel Zeit im Internet ...
Jesse, besten Dank für deine offenen Antworten.
Ich danke dir. Und immer dran denken: Mach dir deinen eigenen Kopf, tu nichts, nur um anderen zu gefallen, sei nett, love is the answer, ignoriere die Mode, sei ein guter Mensch, und lass die Finger von Alkohol und Drogen, wenn du zu Abhängigkeit neigst. Das Zeug bringt dich um, es ruiniert dein Leben, wenn du versuchst, damit emotionale Löcher zu stopfen. Ich habe zu viele gute Menschen daran zugrunde gehen sehen.