„... of a band you used to know/From photocopied flyers and 7-inch-records“, lautet eine Zeile von Jeff Caudills 2007er Soloplatte „Try To Be Here“. Die 1990 gegründete Band, von der die Rede ist, heißt GAMEFACE und veröffentlichte „Every Last Time“ (1999) und „Always On“ (2000) auf dem legendären Hardcore-Label Revelation Records aus Huntington Beach, für das Caudill in den Neunzigern auch als Grafiker arbeitete. Zusammen mit ihren Labelkollegen FARSIDE, ELLIOTT oder TEXAS IS THE REASON zählten GAMEFACE Mitte bis Ende der Neunziger für viele zur Speerspitze des „Emo-Core/Emo-Pop“-Genres, lösten sich nach dem eher gefloppten Album „Four To Go“ 2003 jedoch auf. Caudill ist seitdem als Solokünstler unterwegs und gründete vor zwei Jahren mit seinem alten Freund, dem Ex-FARSIDE-Frontmann Mike „Popeye“ Vogelsang, nun das Bandprojekt YOUR FAVORITE TRAINWRECK. Dass bei denen seit einem 4-Song-Demo 2009 nichts mehr passiert ist, ist ein Jammer und gab mir den Anstoß, Jeff nach dem Stand der Dinge zu fragen.
Wie kam die Idee zu YOUR FAVORITE TRAINWRECK zustande?
Popeye und ich sind Freunde, seit wir 19 sind und GAMEFACE und FARSIDE die ersten Shows zusammen spielten. Wir sprachen schon damals immer darüber, einmal eine Band zusammen an den Start zu bringen, aber irgendwie stimmte das Timing nie, denn unsere Bands haben uns immer sehr beansprucht. Nachdem es mit beiden in den frühen 2000er Jahren aus war, hat sich Popeye eine zeitlang eine Pause von der Musik genommen, während ich weiter Soloaufnahmen machte. Vor ein paar Jahren fragte ich ihn dann, ob er Lust hätte, für mein Soloprojekt ein paar Gitarrenparts zu übernehmen, was ihm wahnsinnig Spaß machte. Er hatte in der Zwischenzeit schon eigenes Material beisammen und so dachten wir beide, dass es Zeit wäre, eine echte Band zusammen zu gründen. Da sind wir nun also, nach gerade mal 20 Jahren.
Welche Reaktionen bekommt ihr bislang auf eure Shows?
Wir spielen jetzt seit nicht ganz zwei Jahren live. Es war ein ziemlich zäher Start, aber langsam nimmt die Sache Gestalt an. Wir haben ein paar kleinere Touren an der Ostküste der USA gemacht und die Reaktionen auf die Band waren dort bisher durchweg gut. Jetzt gerade kommen wir von ein paar Shows mit unseren alten Freunden SHADES APART zurück. Es hat gutgetan, noch ein paar Veteranen unserer alten Szene zusammen spielen zu sehen.
Wie sieht es mit einer Platte aus? Gibt es dahingehend Gespräche mit Revelation?
Wir sind gerade dabei, unsere erste LP zu mischen und sind alle ziemlich stolz darauf. Jetzt warten wir ab, bis das Ding komplett fertig ist und sehen uns dann nach einem Label um – hoffentlich im Sommer. Revelation hat viel Interesse an der Band gezeigt und wir werden uns darüber Gedanken machen, denn das wäre schon irgendwie romantisch. Allerdings bringen die derzeit nicht unbedingt viele neue Sachen raus.
Apropos Revelation: Du bist für das großartige Artwork von deren kürzlich erschienener „Past Present“-Compilation verantwortlich, wie kam es dazu?
Jordan Cooper und ich hatten die Idee zu dem Artwork seit etlichen Jahren. Ich habe eine abgespeckte Version davon schon damals gemacht, als ich in den späten Neunziger Jahren bei Revelation arbeitete. Jordan hat einen Haufen G.I.-Joe-Figuren aus seiner Kindheit und ein paar, die er über die Jahre noch gesammelt hat. Wir haben dann miteinander eine kleine Bühne mit Beleuchtung gebaut, Instrumente dazu gebastelt und eine Szene von einer klassischen Hardcore-Show nachgestellt und davon einen Haufen Fotos geschossen. Es war unglaublich zeitaufwendig, aber ein Riesenspaß, und ich bin sehr glücklich, dadurch an der Zusammenstellung beteiligt zu sein. Schließlich habe ich als Teenager angefangen, Hardcore zu hören, und viel von dem alten Revelation-Zeug bedeutet mir wirklich viel.
„Not many artists stay relevant to their fan-base over a sustained period of time“, schreibst du auf deiner Webseite. Wie viel von den alten GAMEFACE-Fans gibt es heute, die mittlerweile eher mit WILCO oder WHISKEYTOWN als mit Punkrock was anfangen können?
Ehrlich, ich habe keine Ahnung, wie viel Prozent alter GAMEFACE-Hörer ich mit meinen Solosachen noch erreiche, aber mir ist natürlich bewusst, dass ich das, was ich jetzt mache, nicht könnte, wenn es GAMEFACE nicht gegeben hätte. Ich bin allen Fans von damals dankbar, dass sie mit mir erwachsen geworden sind und sich ihr Musikgeschmack in eine ähnliche Richtung entwickelt hat. Es scheint eine natürliche Entwicklung für viele zu sein: zuerst in der Punkrock-Welt zu Hause zu sein, und sich dann mit ruhigeren, Singer/Songwriter-Sachen zu beschäftigen. Musik ist wie Geschichten zu erzählen – gute Musik zumindest. Ich liebe die alten Punk-Platten, mit denen ich aufgewachsen bin, immer noch sehr, es sieht nur nicht mehr so gut aus, wenn sie ein 40-Jähriger spielt, haha. Aber versteh mich nicht falsch, ich liebe es immer noch zu rocken und kann mir vorstellen, das bis zu einem gewissen Alter zu tun, bis ich 75 bin.
Eine Band wie THE HOLD STEADY verwendet viele Referenzen an für sie wichtige Bands, so wie du auch TEXAS IS THE REASON in „Laughable“ zitierst. Welche Bands waren für dich wichtig, welche haben es in deine Songs noch geschafft?
Das ist einer der Gründe, warum ich THE HOLD STEADY so liebe: sie zollen der Musik Respekt, die vor ihnen kam, und haben es drauf, einem drumherum noch eine Geschichte zu erzählen. Ich habe das mit meiner Musik häufiger gemacht, als du vielleicht vermutest. Es gab viele Verweise auf Elvis Costello und R.E.M. – zwei Künstler, die mich am meisten als Songwriter geprägt haben. Ich habe Jackson Browne, EAGLES, Tom Petty und THE WHO bei meinen Solosachen zitiert und eine klassische David Bowie-Zeile in einem GAMEFACE-Song untergebracht.
Texte wie „The Problem with me“ oder „The last of the good guys“ zeigten dich damals von einer sehr zerbrechlichen Seite. Auf deiner Soloplatte sowie bei YFT scheint sich das geändert zu haben, die sind sehr positiv. Hat dich das Älterwerden ausgeglichener und zufriedener gemacht?
Meine Texte sind größtenteils autobiografisch. Ich schrieb damals über meine Hoffnungen und Ängste, über Beziehungen. Ich hatte eine Freundin, und durch all die Zeit hindurch blieben wir irgendwie aneinander kleben. Wir haben Schluss gemacht, waren wieder zusammen, haben wieder Schluss gemacht und so weiter. Diese Songs reflektieren also eine weniger stabile Zeit in meinem Leben. Das meiste von meinem Solomaterial hingegen habe ich aufgenommen, als mein Leben beständiger geworden war und ich eine Familie gegründet hatte. Meine Prioritäten haben sich verschoben, ich bin um vieles zufriedener mit meinem Leben und das schlägt sich in meinen Texten nieder. Ich benutze das Schreiben heute nicht mehr so sehr als Therapie, wie ich das einmal getan habe. Bei YOUR FAVORITE TRAINWRECK habe ich versucht, weniger autobiografisch zu sein, schreibe aus einer anderen Perspektive und über andere Themen, als ich das damals getan habe.
Du bist kein Künstler, der sein altes Material abschiebt, im Gegenteil: du hast dieses Jahr eine Akustikversion von „Always on“ aufgenommen. Hast du also eine gesunde Beziehung zu deinen alten Texten?
Es gab eine Phase von einigen Jahren, in der ich versuchte, mich von meinem alten Material zu distanzieren, aber ich kam irgendwann an einen Punkt, an dem ich dachte, dass genug Zeit verstrichen war, um zurück zu blicken und die Songs und den, der ich damals war, wieder zu schätzen. Abgesehen davon weiß ich, dass meine Fans das alte Zeug hören wollen. Mit der Band will ich es zwar nicht spielen, aber ich werde eine Aufforderung auf Solo-Shows immer honorieren. „Always on“ dieses Jahr noch mal aufzunehmen war eine großartige Erfahrung. So bekam ich die Chance, diese Songs noch mal mit anderen Ohren zu hören. Teilweise hatte ich das Gefühl, als würden mir manche davon plötzlich mehr bedeuten als damals, als ich sie schrieb.
Wenn man sich heute über Emo von Mitte der Neunziger unterhält, werdet ihr mit SAMIAM, FARSIDE oder TEXAS IS THE REASON als Pioniere des Genres genannt. Fühlen sich solche Kategorisierungen rückblickend richtig an?
Ich fühle mich geehrt, in einer Reihe mit diesen Bands genannt zu werden, und bin stolz, als einer der Pioniere dieses Genres angesehen zu werden. Ob das wahr oder falsch ist, hängt von deinem Blickwinkel ab. Ich weiß nur, dass meine Band einer kleinen Gruppe in aller Welt viel bedeutet hat – und das ist überwältigend. Ebenso bedeuten mir SAMIAM, FARSIDE oder TITR so viel. Unsere kleine Szene war diejenige, die ganz kurz vor den Bands kam, die wirklich durchgestartet sind. In gewisser Hinsicht bin ich froh, dass es so gekommen ist.
Vermisst du es, in einer richtig aktiven, ständig tourenden Band zu sein?
Der Reise-Aspekt einer Tour fehlt mir, aber das Alltägliche und die maßlose Langeweile, die damit einhergehen, nicht. Mein Leben erlaubt keine lange Touren mehr. Ich habe die Verantwortung, für meine Familie zu sorgen, und genieße es, jeden Tag für sie da zu sein. Manche würden sagen, dass das nicht gerade Punkrock ist. Ich sage, es ist besser als Punkrock! Wir spielen immer noch kleinere Touren, aber die können nicht zu lange sein, andernfalls müsste meine Familie mit mir kommen.
Fühlst du dich der Szene heute noch angehörig?
Die Szene hat sich verändert, oder vielleicht habe nur ich mich so sehr geändert, dass ich nicht mal mehr weiß oder mich darum kümmere, ob noch eine existiert. Das lässt mich gerade sehr alt klingen, oder?
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