Vor vier Jahren haben CROWNED KINGS ihr letztes Album „Sea Of Misery“ veröffentlicht. Seitdem ist es ruhig geworden um die Hardcore-Band aus Melbourne, Australien. Das liegt zum einen an der Corona-Pandemie, zum anderen aber auch daran, dass Gitarrist Jason Rowe nach Deutschland ausgewandert ist. Daran ist eine junge Frau aus Unterfranken nicht ganz unschuldig. 2016 hat es beim Stäbruch Festival in der Nähe von Hammelburg gefunkt. Da hat Jason seine heutige Freundin Leonie kennen gelernt und ein paar Jahre später hat er in Melbourne seine Koffer gepackt. Inzwischen lebt er in Obererthal im Landkreis Bad Kissingen. Einem Dorf mit ein paar hundert Einwohnern. Wir haben ihn zu Hause besucht und gefragt, wie er als Australier in Unterfranken zurechtkommt.
Wie hast du deine Freundin Leonie kennen gelernt?
Wir waren damals mit CROWNED KINGS auf Tour und haben mit SICK OF IT ALL und WISDOM IN CHAINS 28 Konzerte am Stück gespielt. Der Auftritt beim Stäbruch Festival war die letzte Show der Tour, danach sollte es zurückgehen nach Australien. Leonie ist mit ihren Freundinnen erst ganz spät gekommen und ich stand am Merchandise-Stand. Da ist sie mir sofort aufgefallen und wir sind ins Gespräch gekommen. Seitdem sind Leonie und ich immer in Kontakt geblieben und haben uns gegenseitig besucht. Aber irgendwann wurde das zu teuer, deshalb habe ich mich nach rund drei Jahren entschlossen, nach Deutschland zu gehen, die Sprache zu lernen und mir dort einen Job zu suchen. Zuerst habe ich gedacht, wir versuchen das mal für drei Monate, aber jetzt bin ich schon zweieinhalb Jahre hier.
Wie ist die Entscheidung gefallen, dass du auswanderst?
Im Frühjahr 2019 hatte mich Leonie in Australien besucht und das viele Reisen hat uns einfach genervt. Außerdem hatte ich schon immer überlegt, mal ins Ausland zu gehen. In Australien hatte ich damals einen Job auf dem Bau. Bei uns gibt es Hochhäuser mit achtzig Stockwerken oder mehr. Das hat mir richtig Spaß gemacht und ich habe gutes Geld verdient, aber ich dachte mir, ich bin noch jung und will ein paar Erfahrungen sammeln. Bevor ich Leonie kennen gelernt habe, hätte ich aber nie gedacht, dass ich nach Deutschland gehen würde. Im Sommer 2019 habe ich dann Nägel mit Köpfen gemacht. Es war wie ein Sprung ins kalte Wasser für mich. Ich war mir nicht sicher, ob das wirklich funktioniert. Leonie und ich hatten uns nur ein paar Mal getroffen, zusammen zu wohnen ist schon was anderes. Wenn man es aber nicht versucht, wird man es nie herausfinden. Und zum Glück ist es gut gegangen.
Wie hast du dich als Australier in Deutschland zurechtgefunden?
Das Einzige, was mir wirklich Probleme gemacht hat und immer noch macht, ist das deutsche Wetter. In Australien ist es lange nicht so kalt wie hier. Von der Landschaft in Franken war ich als Outdoor-Fan von Anfang an begeistert. Vor allem weil ich jetzt auf dem Land lebe und nicht mehr in einer Millionen-Metropole wie Melbourne. Das war auch unser Glück in der Corona-Pandemie. Auf dem Dorf zu leben ist für mich auf jeden Fall was Neues, da muss man schon aufpassen, was man macht und was man sagt. Die Nachbarschaft hat sehr gute Ohren. Hier ist es außerdem sehr ruhig, daran musste ich mich auch erst gewöhnen. Das ist natürlich in der Stadt ganz anders. Da ist es immer laut, und jetzt habe ich saubere Luft, nette Leute um mich herum und immer was zu tun.
Wie bist du in der fränkischen Provinz aufgenommen worden?
Die meisten Leute haben mich für einen Amerikaner oder Engländer gehalten. Die konnten gar nicht glauben, dass ich Australier bin. Dann musste ich immer meine ganze Story erzählen, denn vor allem in den Dörfern gibt es viele Menschen, die noch nie im Ausland waren. Anfangs hatte ich bei der Arbeit ein paar Probleme, weil mich meine Kollegen nicht gut verstanden haben. In Australien hatten wir auch immer viele Asiaten auf der Baustelle, deshalb weiß ich, wie schwer es ist, wenn man die Sprache nicht spricht oder versteht. Das macht alles schwieriger, also hatte ich immer viel Geduld. Deshalb habe ich versucht, so schnell wie möglich Deutsch zu lernen und mich zu integrieren.
Du hast schnell einen Job gefunden. Was machst du, um deine Miete zu bezahlen?
Angefangen habe ich bei einer Straßenbaufirma in Bad Kissingen. Die haben zu diesem Zeitpunkt Leute gesucht und als erfahrener Handwerker war das kein Problem für mich. Da bin ich aber nicht so gut mit den Kollegen zurechtgekommen, deshalb bin ich zu einer Hochbaufirma gewechselt. Dort hatte ich allerdings schnell das gleiche Problem mit der Sprache. Dabei war es eine coole, kleine Firma und die Arbeit hat Spaß gemacht. In dieser Zeit ist mein Deutsch aber immer besser geworden und inzwischen arbeite ich als Zimmermann bei einer Fertighaus-Firma in der Rhön. In drei Schichten montieren wir Hausteile in einer Fertigungshalle vor, die werden dann nur noch ausgeliefert und vor Ort aufgestellt. Die Kollegen sind super, die Arbeit ist cool und der Lohn stimmt auch.
Brauchst du als Australier eigentlich eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland?
Seit ich in Deutschland wohne, bin ich in Kategorie D eingestuft. Das heißt, ich habe ein nationales Arbeitsvisum. Solange ich Arbeit habe, darf ich also bleiben. Ich zahle Steuern und halte mich an die Regeln. Wenn mich die Firma entlassen würde, hätte ich drei Monate Zeit, mir etwas Neues zu suchen.
Und was macht deine Band? Gibt es CROWNED KINGS noch, wenn du in Deutschland lebst?
Die Band gibt es noch, liegt aber momentan auf Eis. Was natürlich in erster Linie an Corona liegt. Wir planen auf jeden Fall, neue Songs zu schreiben und Konzerte zu spielen. Wir müssen dann eben schauen, wie das funktioniert. Alle in der Band sind nach der langen Pause daran gewöhnt, zu Hause zu sein. Die anderen leben alle in Melbourne und unser neuer Schlagzeuger Benny ist hauptberuflich in der Band von Danzal Baker aka Baker Boy aktiv. Das ist ein sehr erfolgreicher Rapper, der aus der australischen Urbevölkerung stammt. Das heißt, wenn es mit der Band wieder losgeht, müssen wir das sehr gut organisieren.
Machst du auch in Deutschland Musik?
Ich habe hier zwei Projekte gestartet, die stecken aber beide noch in den Kinderschuhen. Zum einen schreibe ich Songs mit einem Gitarristen hier aus der Gegend. Zum anderen versuche ich gerade mit einigen Mitgliedern der holländischen Band ALL FOR NOTHING etwas auf die Beine zu stellen. Das ist aber alles noch nicht spruchreif. Hin und wieder packe ich außerdem meine Akustikgitarre ein und spiele Konzerte in Biergärten hier in der Umgebung. Da spiele ich vor allem Evergreens wie „Sweet home Alabama“ oder „Hotel California“. Einfach Stücke, die jeder kennt, das ist viel einfacher als eigene Songs. Das macht richtig Spaß.
Du hast dir aber auch ein Studio in Obererthal eingerichtet. Wie kam es dazu?
Der Plan ist gemeinsam mit den Veranstaltern vom Stäbruch Festival entstanden. Simon und Daniel machen ja auch das Online-Magazin Away From Life und haben schon immer von einem eigenen Label geträumt, das hat aber bisher nicht geklappt. Ich wollte meine Musik in Deutschland nicht wegen Corona aufgeben, deshalb habe ich mir Studiotechnik besorgt und einen Raum gesucht. Da war ich erst mal geschockt, wie teuer das Equipment in Deutschland ist, in Australien bekommt man das alles viel günstiger. Dann hat sich die Gelegenheit ergeben, dass ich die Garage von Leonies Opa nutzen darf. Da stand jahrelang sein Traktor drin. Diese Betongarage habe ich selbst ausgebaut und schallisoliert. Jetzt will ich dort natürlich meine eigene Sachen aufnehmen und junge Bands unterstützen, die nicht so viel Geld für ein teures Studio haben. Ich habe mich als Musiker am Anfang auch über jede Unterstützung gefreut.
Wer hat denn schon bei dir aufgenommen?
Die erste Band waren THIN ICE, die haben bei mir ihre erste EP „Keep It Alive“ aufgenommen. Oldschool-Hardcore aus Franken. Außerdem war eine junge Punkband aus einem Nachbarort bei mir. Die heißen SCHNOGGE und machen eher Nineties-Pop-Punk. Bei mir haben sie ihre EP „Europe Tour“ aufgenommen. Das Studio ist für mich aktuell ein Hobby, weil ich nur am Wochenende oder abends Zeit habe, Aufnahmen zu machen oder zu mischen. Deshalb bin ich noch ein bisschen zurückhaltend, obwohl schon Bands aus Stuttgart oder München angefragt haben, die ich gar nicht kenne. Geplant ist für dieses Jahr, komplette Alben mit THIN ICE und SCHNOGGE aufzunehmen.
Siehst du deine Zukunft in Deutschland?
Für mich ist es wichtig, dass alles passt in meinem Leben. Die Freundin, die Musik, der Job. Wo das letztendlich passiert, ist nicht so wichtig. Beide Länder haben für mich Vor- und Nachteile. Wo ich meine weitere Zukunft sehe, ist schwer zu sagen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #162 Juni/Juli 2022 und Wolfram Hanke