INSURGENT KID

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Umeå Hardcore

Es scheint, als würden wir gerade von einer regelrechten Sintflut seelenloser Styling-Brüll-Marionetten-Bands überschwemmt, die mit und überproduzierten Videoclips bei orientierungslosen Teenagern nichts, außer einen übertriebenen und sinnentleerten Mode- und Accessoire-Konsumzwang auslösen. Aber jede Massenströmung löst auch subversive Gegenbewegungen aus. Ja, es gibt sie, neue Hardcore/Punk-Bands, denen man die Authentizität und Ehrlichkeit schon an der Nasenspitze ansieht. 2006 haben vor allem zwei Bands mein Herz im Sturm erobert. Zum einen DEATH IS NOT GLAMOROUS aus Oslo (siehe #70) und zum anderen die schwedischen Hardcore-Punks INSURGENT KID aus Umeå. An einem Samstag im August des letzten Jahres hatte es mich in einen merkwürdig noblen Club mit eleganter Terrasse im schwedischen Göteborg verschlagen. Dort zieht der Club Showdown at Henriksberg jeden Samstag die Göteborger Punk-Elite magisch an. Als an diesem Abend INSURGENT KID die Bühne betraten, wurde das Publikum auf einmal in das Jahr 1981 versetzt, als Hardcore jung, roh und gefährlich war. Mit BLACK FLAG'scher Attitüde, der Intensität von Reagan Youth und Einflüssen von den Circle Jerks, BLAST und Adolescents rasten INSURGENT KID durch ein testosterongeladenes Set und hinterließen mich mit offenem Mund und einem Lächeln zugleich. Sänger Erik nahm sich die Zeit, einige Fragen zu beantworten.





Wann und mit welchem musikalischen Hintergrund wurde INSURGENT KID gegründet?


Anfang 2005 trafen sich Jonas, Beggo und Fredrik in einer Diskothek und beschlossen, eine Band zu gründen. Ich stieß erst später dazu. Das alles fühlt sich so an, als wäre es erst ein paar Monate her. Jonas hatte vorher schon bei DS-13, ABHINANDA und SEPARATION gespielt. Ich glaube DS-13 bedürfen keiner weiteren Vorstellung. Die Musik, die ABHINANDA machen, wird, glaube ich, hier niemanden besonders interessieren. Aber bezüglich SEPARATION möchte ich sagen, dass sie Ende März 2007 ihre letzte Show zusammen mit der Reunion von FINAL EXIT spielen. Gerüchte besagen, dass eine Invasion an deutschen Fans zu dieser Show kommen wird ... [Anm. FINAL EXIT haben mit ihrem 1997er Album "Umea" ihrer Heimatstadt ein unsterbliches Hardcore-Denkmal gesetzt.]



Ihr seid aus Umeå, im hohen Norden Schwedens, das oft als eine Art Hardcore-Mekka bezeichnet wurde. Wie stehst du persönlich dazu, und inwieweit hat sich die Hardcore-Szene in Umeå seit den Neunzigern verändert?

Zu allererst möchte ich sagen, dass Umeå kein Hardcore-Mekka mehr ist. Ich bin zwar erst vor vier Jahren hierher gezogen, also bin ich vielleicht nicht unbedingt die richtige Person, um darüber zu sprechen. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass mich solche Vergleiche eigentlich nicht interessieren. Die Hardcore-Szene, die hier vor zehn bis zwölf Jahren existierte, hat nichts mit der heutigen Szene gemeinsam. Sicher sind immer noch Leute von damals aktiv und engagiert. Aber wenn du dir die Musik, die Attitüde und das Publikum anschaust, so hat sich eigentlich so gut wie alles verändert. Was sich allerdings gehalten hat, ist die Tatsache, dass in Umeå nach wie vor sehr viele Bands existieren, die in einem gewissen Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen und somit ständig bemüht sind, die Qualität ihrer Musik zu steigern. In der Musiklandschaft von Umeå herrscht nach wie vor eine Atmosphäre der Kreativität, wie ich das nur in wenigen Städten beobachtet habe.



INSURGENT KID beschäftigen sich musikalisch sehr stark mit den frühen Tagen des Hardcore. Was ist für dich so einzigartig am frühen 80er Hardcore?

Es ist der schnellste, leichteste und härteste Weg, um Gefühle und Gedanken aus deinem Körper zu bekommen. Und die Musik ist intensiv. Wir haben uns auf diesen Musikstil fokussiert ist, weil es da einen Konsens beziehungsweise einen Verbindungspunkt zwischen uns allen gibt. Wenn es nach Fredrik gehen würde, dann würden wir symphonische Fantasy-Themen spielen und Beggo tendiert mehr in Richtung apokalyptische Musik. Was uns verbindet, sind unsere Wurzeln im Oldschool-Hardcore, und darin sind wir auch am Besten.



Glaubst du, dass momentan generell eine Art Revival des 80er Hardcore stattfindet? Es gibt sehr viele neue Bands, die das Erbe dieses Stils pflegen, und in letzter Zeit sehr viele Reunions von 80er Bands ...

Ich würde sagen, das ist mehr als ein Revival. Ich glaube, viele der neuen Bands, die sich am 80er Hardcore orientieren, sind sogar um einiges besser als die Originale. Und ich glaube, einige Bands aus den späten 70ern und frühen 80ern haben etwas entdeckt, das wert ist, bewahrt zu werden. Der heutige neue Hardcore ist doch immerzu nur derselbe Metal-Mist, nur mit besserer Produktion als früher oder derselbe Screamo-Abfall, nur mit komplizierteren Gitarren-Parts. Das ist keine Evolution, das ist ein Rückschritt. Ich meine, 90 Prozent der Bands aus der Szene kümmern sich um alle möglichen Dinge, nur nicht darum, einen guten Song zu schreiben. Ich habe mir auch ein paar schwedische 80er-Reunion-Bands angeschaut, aber alles, was ich sagen kann, ist, dass ich es bereue. Alte Männer wieder auf der Bühne, die Geld kassieren, nur weil sie vor zwanzig Jahren in einer guten Band gespielt haben. Nicht besonders aufregend.



Ich finde euer Sound ist unter anderem sehr stark von den frühen BLACK FLAG beeinflusst. Was würdest du jemandem antworten, der behauptet, deren "Damaged"-Album wäre das am meisten überbewertete Album in der Punk-Geschichte?

Haha ... Ich glaube, ich würde gar nichts sagen. Es ist ein großartiges Album, aber wenn jemand das Gegenteil behauptet, warum sollte mich das stören?



Euer 2006er Debütalbum "Paranoia" gehört momentan zu meinen absoluten Favoriten. Kannst du ein paar Worte zum Album an sich und über die sehr gelungene rauhe und authentische Produktion sagen?

"Paranoia" ist auf CMF beziehungsweise Wasted Sounds erschienen und enthält sechzehn Songs. Es war uns besonders wichtig, dass der Sound unseren hohen Ansprüchen genügt. Aus diesem Grund haben wir es in Fredriks Hobby-Studio selbst aufgenommen. Meiner Meinung nach ist der Sound von "Paranoia" immer noch nicht rauh genug. In der Zwischenzeit hat sich aber einiges geändert. Wir bringen im Frühsommer auf Ny Våg eine EP mit dem Namen "Bad DNA" heraus und da ist der Sound noch rauher geworden.



Wie wichtig ist Politik für INSURGENT KID? Vor kurzem hat Schweden ja eine politische Wende erlebt ...

Ich würde nicht sagen, dass wir eine politische Band sind. Es kommt natürlich auf den Betrachter an. Unsere Eltern würden wahrscheinlich sagen, dass wir radikale Aktivisten sind. Ich weiß aber, dass viele Leute gerne einen stärkeren politischen Bezug bei INSURGENT KID sehen würden. Das ist aber nichts für mich. Ich kann als Lyrics keine politischen Pamphlete schreiben. Das gibt mir nichts und das ist auch nicht das, was ich den Menschen mitteilen möchte. Die Texte dieser Band sind eine der wenigen Ausdrucksmöglichkeiten, die ich habe, also warum sollte ich daraus eine schlechte Kopie einer TV-Ansprache machen. Die politische Veränderung in Schweden macht mir Angst und ich glaube, das geht allen in der Band so. Schweden ist aber immer noch ein Land, in dem man gerne lebt. Es ist nicht wie die USA, wenngleich es in diese Richtung tendiert.