Anfangs haben sie im Internet mit klugen Kommentaren dumme Beiträge auffliegen lassen. Das war erfrischend! Inzwischen hat „HoGeSatzbau“ mehr als 200.000 Follower:innen auf Facebook, Twitter und Instagram. Dort nehmen sie die AfD aufs Korn, führen Attila Hildmann vor und vertreiben Bücher, Merch und die ANTIFAmily-Card. Wie kann man so clever gegen dumme Bratzen vorgehen? Da fragen wir bei Kiki Klugscheißer und ihrem Mann Grafikhool mal nach.
Kurz vor diesem Interview habt ihr getwittert: „Endlich haben wir es geschafft und dürfen einem echten Qualitätsmedium ein Interview geben. Nicht immer nur diese unbedeutenden Provinzblätter.“ Wer fragt sonst wegen Interviews bei euch an?
Kiki: Ach, so Spartensachen, Blätter, die niemand kennt.
Grafik: So etwas Banales wie die Süddeutsche, Der Spiegel, „Titel, Thesen, Temperamente“, Jetzt.de ... Nischenprodukte von und für Spießbürger.
Warum wollten ausgerechnet die mit euch reden?
Kiki: Ab und an bringen wir Aktionen, die ziemlich viel Wind erzeugen. Nachdem wir den Smart Hero Award [Anm.: u.a. von Facebook gestifteter Preis für Engagement für ein soziales Miteinander im Web] erhalten haben und dem Preisverleiher Facebook vor versammelter Presse und Gästen die Hosen ausgezogen haben, kamen viele Anfragen. Ebenso nach unserem Breitbart-Deutschland-Fake, auf den selbst die Presse reinfiel, und natürlich jetzt die Attila Hildmann Geschichte, bei der wir Attila geprankt haben. [siehe hogesatzbau.de/attila-hildmann-zerstoert-die-hogesatzbau/]
Grafik: Aber wir hoffen, du hast dich vorbereitet. Komm uns nicht mit so investigativen Fragen wie: „Wie habt ihr euch gegründet?“
Wie habt ihr euch gegründet?
Kiki: Als 2014 in Köln 5.000 „Hooligans gegen Salafisten“ auf die Straße gegangen sind, haben wir uns im Netz in den Kommentarspalten über die ganzen Nasen lustig gemacht. Zunächst haben wir die „HoGeSa“ nur privat korrigiert und denen den Mittelfinger gezeigt, indem wir denen deutlich gesagt haben: Wenn ihr richtig deutsch sein wollt, dann schreibt gefälligst auch richtig deutsch. Das ging ziemlich steil und wir haben viel Applaus bekommen, aber auch Nachrichten wie: „Wir wissen, wo eure Kinder zur Schule gehen.“
Grafik: Der Rest war dann reine Bierlaune und Selbstschutz! Da kam die Idee auf, eine Seite draus zu machen, unsere Namen rauszuhalten und anonym zu bleiben. Kikis Bruder, also mein Schwager, meinte dann: Nennt euch doch „Hooligans gegen Satzbau“!
Und seitdem ist das Imperium gewachsen?
Kiki: Na ja, also meistens sind wir immer noch zu zweit. Ab und an kommt Elsbeth Grammatikhool vorbei. Vor allem dann, wenn’s brennt, einer von uns kurz vorm Nasen-Burnout steht.
„Wir freuen uns wie Bolle, liebes @oxzine. Bis später.“ Habt ihr außerdem vorab geschrieben.
Grafik: Das hat auch mit unserer Entstehung zu tun. Wir kommen beide aus der alternativen und Punkrock-Ecke. Und mit dieser Plattform, mit diesen Aktionen konnten wir auch mal anders Dinge bewegen, als „nur“ auf Demos zu gehen. Hinzu kommt, dass wir keine Fördergelder oder sonst was benötigen.
Kiki: Und im Internet erreichen wir mehr als mit jeder Sitzblockade, bei der man am Ende einfach weggetragen wird. Im Netz bleiben wir so lange sitzen, bis wir unser Ziel erreicht haben, zum Beispiel Beiträge entfernt werden.
Wie oft wurde eure Seite schon entfernt?
Kiki: Noch nie! Durch den Smart Hero Award haben wir einen Direktkontakt zu Facebook und können dadurch inzwischen den kurzen Dienstweg gehen. Wir selbst verstoßen ja nicht gegen die Richtlinien, sondern die Beiträge, die wir nutzen. Das sorgt aber selbst bei Facebook noch manchmal für Verwirrung.
Sind euch Facebook-Kommentare vorher wichtig gewesen?
Kiki: Nee, ich habe die früher eher ab und an als Zaungast gelesen.
Grafik: Ich bin eher der Extrovertierte und soziale Medien waren mir schon immer wichtig. Wir haben uns darüber sogar kennen gelernt, sie sind also schon wichtig.
Kiki: Mir war das Potenzial von Kommentaren vorher gar nicht bewusst. Manchmal sitzen wir draußen auf ein Bier und während wir uns unterhalten, lasse ich halt Sprüche ab und kommentiere Sachen, die ich so gelesen habe. Da passiert’s dann oft, dass der Grafik sagt: „Lass uns da mal was draus machen!“ Und die Aktionen laufen dann gut. Das ist schon cool.
Grafik: Mit der Gründung der Hools und unserer ganz eigenen Art, Leute zu pushen, Gegenrede zu leisten, waren wir etwas früher dran als die Initiative #ichbinhier. Dafür entsprechend Reaktionen und positives Feedback zu bekommen, das ist schon schön.
Ich arbeite auch im Community-Management, moderiere also Kommentare auf Facebook, Instagram und so weiter und mein Eindruck ist: Vor ein paar Jahren haben viele resigniert und gesagt: Die Kommentarspalten sind braun vollgekotzt. Darauf habe ich keine Lust mehr. Erst in den letzten Monaten habe ich den Eindruck, dass Menschen auch wieder Lust auf Gegenrede haben. Wie seht ihr das?
Kiki: Viele rechte Netzwerke haben ja regelrechte Kaderschmieden. Die verabreden sich richtiggehend zu koordinierten Shitstorms auf bestimmten Seiten, unter ausgewählten Beiträgen, zu bestimmten Zeitpunkten. Wie „Reconquista Germanica“ zum Beispiel, dazu haben wir auch mal was gebracht. Das fällt auf jeden Fall auf. Aber auf der anderen Seite bekommen wir auch viel Feedback von Menschen, die sagen: Toll, was ihr macht, wir stehen hinter euch, durch euch bleiben wir dran. Sie haben Bock auf Gegenrede, aber wollen nicht alleine dastehen.
Grafik: Ich glaube, durch Aktionen wie unsere, von #ichbinhier oder auch Volksverpetzer ist die Angst etwas gewichen, brauner Scheiße zu widersprechen.
Kiki: Humor ist dabei ein gutes Mittel gegen die Angst.
Grafik: Das Problem von rechts ist auch nicht weniger geworden, aber man lässt sich nicht mehr so stark einschüchtern. Und das motiviert mich in meiner Arbeit.
Habt ihr keine Angst?
Grafik: Doch.
Kiki: Nein.
Der Streich mit Attila Hildmann war schon nicht ohne: Er hat mehr oder weniger direkt zu einer Hetzjagd aufgerufen. Lass das mal die falsche Person in den Gehörgang bekommen ...
Kiki: Ja. Er hatte ein Kopfgeld auf uns ausgesetzt, uns provoziert. Er wollte zeigen, wer Macht hat. Wir hätten also Angst haben und uns zurückziehen können oder mit doppelter Schlagkraft dagegen schießen. Wir haben uns für letzteres entschieden, das Ding von Anfang an absolut abgesichert und anonym aufgezogen und ihm gezeigt, wo der Hammer hängt. Es gibt keine Daten zu uns im Netz. Keine Adressen, keine Namen, keine Bilder. Und das soll für uns und unsere Kinder auch so bleiben.
Grafik: Mir ist schon manchmal unwohl. Und nach einer versoffenen Nacht frage ich mich schon mal: Habe ich da gestern Nacht was ausgeplappert? Die Bruchschutzfolie an unseren Fenstern habe ich nach genau so einer Nacht, nach einem Erwachen mit einem mulmigen Gefühl, in morgendlicher Katerlaune angebracht. Aber sollte uns jemand outen, outen wir uns lautstark selbst, mit einem breiten Kreuz. Wir wissen, dass viele hinter uns stehen.
Kiki: Nach der Attila Hildmann-Geschichte haben uns viele Leute aus Deutschland, Spanien und Österreich ihre Hilfe und Zimmer angeboten.
Grafik: Also wir könnten jetzt in einer Finca in Spanien leben! Hurra!
Kiki: Sogar die Türsteher-Community hat uns ihren Schutz angeboten!
Zu euren Unterstützenden gehören unter anderem die DONOTS und Bela B, Charlotte Roche hat euer Hörbuch eingelesen. Wie seid ihr an diese „Prominenz“ gekommen?
Kiki: Wenn Grafik sich etwas in den Kopf setzt, dann bastelt der so lange daran, bis er es durch hat. Bei Bela B. war es aber zum Beispiel so, dass er von sich aus einen unserer Beiträge geteilt hat und da wussten wir: Wow, der hat uns auch auf dem Schirm.
Grafik: Inzwischen sind wir schon irgendwie recht bekannt – und zwar quer durch sämtliche Alters- und Gesellschaftsschichten. Da wird mir von einer Arbeitskollegin gesagt: „Guck mal, das könnte ja was für dich sein!“ und dann zeigt sie mir die Hools.
Also Antifaschismus für die breite Masse sozusagen?
Kiki: Ja, genau. Wir bringen durch unsere Art und Weise den antifaschistischen Grundgedanken in die Mitte der Gesellschaft. Das würden wir mit plumpen Antideutschtum nicht schaffen. Uns mögen Menschen, die niemals auf eine Hausbesetzer:innen-Demo gehen würden. Wir feiern, dass wir mit unserem antifaschistischen Engagement die siebzigjährige Oma und den fünfzigjährigen FDPler genauso wie den Mittdreißiger-Polizisten und den Punk mit dem Bier in der Hand erreichen.
Grafik: Die sich zu wichtig nehmende links-linke Szene ist uns oft viel zu verkopft, weil ständig einer noch antisexistischer und linker sein muss als der oder die andere. Die stehen sich oft selbst im Weg. Und damit machen wir uns zum Teil auch in der linken Szene keine Freunde.
Warum nicht?
Kiki: Zum Beispiel, weil wir uns ganz klar gegen Gewalt stellen und, weil wir nicht „A.C.A.B.“ brüllen.
Gibt es bei euren Aktionen Grenzen?
Grafik: Wir würden zum Beispiel keine Adressen oder persönliche Daten veröffentlichen, was ja viele Netzwerke tun.
Kiki: Anfangs haben wir auch private Personen korrigiert. Das nahm irgendwann ein zu unkontrollierbares Ausmaß an, als unsere Fanzahlen stiegen. Da gab’s regelrechte Schwemmen auf die Beiträge, die wir korrigiert haben, auch mit Drohungen und verbal unter aller Sau. Da ist uns bewusst geworden, was das für eine Tragweite hat. Daher fokussieren wir uns wenn, dann nur noch auf Personen des öffentlichen Lebens und konzentrieren uns auf die Meinungsmachenden.
Kommen wir mal auf eure Arbeit an sich zu sprechen. Zum Beispiel die „Wir werden sie jagen“-Kampagne. Dafür habt ihr Grafiken erstellt, die wie Wahlplakate aussehen. „Ich würde niemanden verurteilen, der ein bewohntes Asylantenheim anzündet“, stand da etwa. Dazu ein Foto vom AfD-Mitarbeiter Marcel Grauf. Wie kommt ihr auf solche Ideen?
Kiki: Über die Aussagen wurde berichtet, aber sie gingen unter. Jeder andere hätte diese Zitate ebenso jederzeit lesen können. Darum haben wir sie gebündelt und dann schockieren sie.
Grafik: Joshi von ZSK hat mich das letztens auch gefragt. Da habe ich gesagt: „Du kannst Songs schreiben, ich kann so was nicht.“ Das ist unsere Art von Punkrock. Morgens auf dem Klo liest du auf dem Handy, was deine Pappenheimer so schreiben, und schon hast du genug Schlagzeilen, die man auf viele Arten verarbeiten kann.
Wenn solche Äußerungen alltäglicher werden, knallt es dann nicht irgendwann?
Kiki: Das ist eine tickende Zeitbombe! Wenn Attila Hildmann jetzt Kopfgelder aussetzt, ist es eine Frage der Zeit, bis jemand mit ein paar Hirnzellen weniger losläuft. Das wissen wir seit Hanau, Rostock, Solingen und unzähligen anderen Ereignissen.
Grafik: Und damals gab es noch kein Internet. Heute multiplizieren sich Gesinnungen viel einfacher. Um so besser fühlen wir uns in dem Wissen: Wir haben nicht nichts dagegen unternommen.
Ihr habt ein Buch unter dem Titel „Triumph des Wissens“ veröffentlicht und spielt gerne mit Nazisymbolik. Ist das nicht anmaßend?
Kiki: Natürlich! Der Buchtitel musste beim Verlag auch durch viele Abstimmungen. Eigentlich hatten wir einen anderen Titel geplant: „Die Endlösung der Dudenfrage“, das war dem Verlag aber zu hart. Aber wir wollen den Neonazis auch nicht das Feld überlassen.
Grafik: Ich gönne den Neonazis nicht mal das Hakenkreuz, das ja ursprünglich auch aus einem anderen Kontext kommt.
Kiki: Bei der Corona-Demo in Berlin hat der Reichsbürger Rüdiger Hoffmann von der „finalen Lösung“ gesprochen. Darüber hat kein Medium berichtet.
Grafik: Und da ist es uns sogar lieb, wenn die Leute sich über uns aufregen, weil wir ihnen dann vorzeigen können, dass sie es sonst ignorieren. Die sollen sich über die aufregen, die wir zitieren.
Seid ihr mal über Ziel hinaus geschossen?
Grafik: Oh ja. Das Schlimmste, was ich mal gebracht habe, war im Zusammenhang mit dem Zentrum für Politische Schönheit, die Stelen mit angeblicher Asche von Holocaust-Opfern vor dem Reichstag aufgestellt haben. Da habe ich in Wut über die meiner Meinung nach teils übertriebene Empörung einen jüdischstämmigen Journalisten gefragt, ob er sich vorher auch dafür interessiert hätte, wo „seine Leute“ verscharrt werden. Das war echt drüber.
Kiki: Das gab nicht nur im Netz, sondern auch bei uns zu Hause richtig Ärger.
Ihr wurdet durch Punk sozialisiert. Könnte und sollte Punk politischer und engagierter sein?
Grafik: Nein, Punk ist tot.
Kiki: Punk ist immer politisch gewesen, sollte es auch sein und sollte es auch wieder noch mehr sein. Punk sollte wieder kritisch sein.
Grafik: Ich kann nicht verstehen, dass so was wie MONTREAL, die ich an sich mag, als Deutschpunk-Band gilt. Das hat mit „Schlachtrufe BRD“ oder Chaostage nix mehr zu tun. Punk ist heute zu schickimicki. Da reibt sich nichts mehr. Alles glatt und poppig und nur pseudo-rebellisch.
Was liegt dennoch bei euch auf dem Plattenspieler?
Kiki: Immer je nach Stimmung ... BROILERS, SONDASCHULE, LIEDFETT, FEINE SAHNE FISCHFILET. Und damals waren’s WIZO und DIE ÄRZTE.
Grafik: Ohne DIE ÄRZTE hätte ich nicht zum Punk gefunden, wenn ich NOFX höre, scheint für mich die Sonne, ich freue mich auf die nächste DRITTE WAHL-Scheibe und neuerdings ist zum Beispiel durch K.I.Z. oder WAVING THE GUNS auch HipHop dazugekommen. Zu K.I.Z. bin ich durch Archi von TERRORGRUPPE gekommen. Und hey, bei vielen aktuellen HipHop-Bands ist mehr „Fuck you!“-Attitüde drin als bei so mancher Punkband. SWISS UND DIE ANDEREN feiere ich auch ziemlich hart.
Bevor das schlimme Wort „Kommerz“ unkontrolliert fällt, spreche ich es aus. Also: Wie finanziert ihr euch?
Kiki: Durch unsere Jobs.
Grafik: Wir arbeiten mit den Hools inzwischen weitestgehend kostendeckend. Wir haben Jobs, der Rest ist Hobby. Und wenn aus den Verkäufen von Büchern, Merch etc. etwas übrig bleibt, spenden wir das Geld. Wir haben zum Beispiel für 3.000 Euro Schlafsäcke für Obdachlose gekauft. In den letzten Jahren haben wir rund 40.000 Euro gespendet. Allein dieses Jahr gingen schon 14.000 Euro an Exit. Und ein Freund, der einen kleinen Versandhandel betreibt, macht unseren Merchshop. Der sagte mir letztens: „Ihr habt mich durch Corona gebracht.“ Das ist schon echt cool!
Wie kann man euch unterstützen?
Kiki: Wir nehmen Geldgeschenke gerne per PayPal-Konto an und geben das eben, wenn’s mehr ist, gerne weiter.
Grafik: Wenn es bei Bands heißt: „Hör unsere Musik!“, sagen wir: „Folge unserem Blog, halte uns im Gespräch und behalte deine Attitüde. Bleib dagegen!“
Kiki: Und ab und zu freuen wir uns mal über eine Urlaubskarte ... oder einen Gameboy.
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