Im Sommer 2001 gingen THAT VERY TIME I SAW mit einer mir damals unbekannten Band namens HILLSIDE aus Münster auf Englandtour. Im Februar 2003 sitze ich mit meinem Kollegen Peter im Dienstwagen von Moskito, und wir unterhalten uns über selbstgemachte Musik. Wenig später stellt sich heraus, dass Peter Gitarrenmucke in einer Band macht, irgendwas zwischen HÜSKER DÜ und SUGAR. Interessant! Einige Wochen später sehe ich die Band – HILLSIDE – im Gleis 22 in Münster, die wirklich rocken. Eine Platte steht an, „You And Me, Baby“ (TFR Music/Zomba), das Teil gefällt und kurz entschlossen entscheide ich mich, mit HILLSIDE ein Interview zu machen.
Vielleicht können sich HILLSIDE auch bald in das imaginäre, musikalische Goldene Buch der Stadt Münster eintragen, denn schließlich stammen aus dieser Gemeinde auch Götz Alzmann, H-BLOCKX, MUFF POTTER, EL BOSSO & DIE PING-PONGS, SUNNY DOMESTOZS oder ALPHAVILLE. Warum also nicht auch eine Gitarrenband namens HILLSIDE ... Während ich hier das Interview tippe, sind HILLSIDE gerade mit MUFF POTTER auf Tour. Der folgende Dialog mit Gitarrist und Sänger Hans sowie Bassist Peter entstand an einem regnerischen September-abend. Das zur Einstimmung ...
Stimmt es, dass ihr euch über eine Kleinanzeige kennen gelernt habt?
Hans: „Das stimmt. Phillip, der damalige Gitarrist, hatte diese Anzeige aufgesetzt. Peter und ich wollten selbst eine Band gründen, haben dann diese Anzeige gelesen und meldeten uns darauf. Phillip hatte eigentlich etwas anderes erwartet, aber eigentlich war schon nach der ersten Probe klar, dass es sich musikalisch in eine andere Richtung entwickeln würde.“
Was genau war denn ursprünglich musikalisch geplant?
Hans: „Ich weiß es nicht mehr genau, aber es sollte wohl mehr in Richtung HOT WATER MUSIC gehen. Oder die härtere Screamo-Abteilung ...“
Mich erinnert eure Musik an SUGAR oder NOVA MOB bzw. HÜSKER DÜ. Aber so alt seid ihr doch noch nicht, um mit HÜSKER DÜ aufgewachsen zu sein, oder?
Hans: „Etwa mit 14 stieß ich auf SUGAR und HÜSKER DÜ. Ich dachte aber schon vorher, dass es doch cool wäre, wenn es Bands geben würde, die so eine Musik machen. Es war dann wie eine Erleuchtung, als ich feststellte, dass es tatsächlich Bands da draußen gibt, die so klingen.“
Peter: „Bei mir waren es ALL, MOVING TARGETS und all das andere Gitarrenzeug Ende der 80er, Anfang der 90er, das wir alle in der Band hörten.“
Habt ihr keine Angst, mit diesem Sound als Band von gestern zu gelten?
Hans: „Nein, für mich ist das zeitlose, energiegeladene und melodiöse Musik.“
Peter: „Ansonsten wird in Deutschland mal eben die große Emo-Klatsche ausgefahren, aber eigentlich ist es Gitarrenrock.“
„You And Me, Baby“, eure Platte, file under ...?
Hans: „Rock/Pop, ohne Scherz. Jede Kategorisierung ist direkt mit einer Zuschreibung verbunden. Lieber wäre mir, die Leute können unvoreingenommen an die Musik herangehen. Gefällt mir die Musik oder nicht?“
„You And Me, Baby“ kommt direkt auf einem „richtigen“ Label raus. Wie ist das gelaufen: Klassische Bewerbung mit Demoband? Die Platte sowie Produktionskosten wurden von euch sogar vorfinanziert, was ja nicht die Regel ist.
Peter: „Die Vorfinanzierung war für uns die einzige Möglichkeit, eine Platte machen zu können. Die CD ist über TFR Music/Zomba, das Vinyl über Kleingeld erhältlich, das neue Label von Green Hell-Mitarbeiter Carsten, das auch von Green Hell vertrieben wird.“
Hans: „Wir haben hier in Münster für wenig Geld ein ganz gutes Demo produziert und dann rumgeschickt, worauf wir auch positive Resonanz bekamen. TFR haben das Ding dann auch bekommen, und hatten Lust drauf. Durch einen Freund namens Timo, der bei RANSOM spielt, die ebenfalls auf TFR sind, bekam das dann noch eine etwas persönlichere Note, da er das Band den Leuten vermittelte.“
Was spiegelt sich in den Texten wider, auf deren Inhalte insgesamt ja leider immer weniger Wert gelegt wird?
Hans: „Unsere Texte sind sehr offen gehalten. Keine festgelegten Strukturen, jedoch Bilder, aus denen sich selbst jeder etwas rausziehen kann. Generell geht es um Beziehungen aller Art, Freundschaft, Kommunikation und Probleme zwischen Menschen, alles was damit verbunden sind. Deshalb auch der Titel: ‚You And Me, Baby‘, was in ironischer Form zwischenmenschliche Beziehungen auf den Punkt bringt.“
Wie wollt ihr dem „großen schwarzen Loch“ nach dem ersten Album entgehen? Bei vielen Bands passiert ja leider aus vielerlei Gründen nichts mehr, und es bleibt beim einzigen Album. Eure Kollegen sind in Berlin und Nürnberg wohnhaft, darunter ein Familienvater, alles Faktoren, die Zeit beanspruchen und bei vielen anderen Bands zum Scheitern führen.
Hans: „Ich sehe in dieser begrenzten Zeit durch die momentane Situation einen großen Vorteil. Wir arbeiten seitdem viel effektiver und deshalb auch viel konstruktiver.“
Peter: „Seitdem engagieren wir uns alle auch mehr, was die organisatorischen Belange betrifft. Das mag scheiße klingen, aber es sind alle mit dem Herzen dabei. Diese Grundvoraussetzung sichert das Fortbestehen der Band. Ob sich die Platte jetzt gut verkauft oder nicht, es hält uns sicher nicht davon ab, weiter gemeinsam Musik zu machen und mit Freunden Spaß zu haben. Die Erwartungshaltung, dass es jetzt ganz schnell losgehen muss, um Rockstars zu werden, hat sicher keiner mehr, lieber wollen wir auf lange Zeit diese Sache machen.“
2001 seid ihr bereits mal mit THAT VERY TIME I SAW in England unterwegs gewesen. Zwei deutsche Bands, die kein Schwein auf der Insel kennt. Wie muss man sich das vorstellen?
Peter: „Das ist das, was wir nach wie vor erleben, haha!“
Hans: „Durch diverse Sprachaustauschaufenthalte habe ich England so in Erinnerung, dass Deutsche als die letzten Deppen hingestellt und gerne auch mal verprügelt werden. Aber was diese Szene betrifft, interessiert man sich für deutsche Bands. In den Plattenkisten der Konzertverkäufer findet man immer auch Veröffentlichungen von deutschen Bands, was Gitarrenmusik betrifft. Von ein oder zwei Ausnahmen mal abgesehen, waren die Konzerte gut besucht. Begeisterungsfähige Kids mit SLIPKNOT-Shirts, die in Deutschland wohl nie auf einem unserer Konzerte auftauchen würden.“
Peter: „In England werden ganz bewusst stilistisch unterschiedliche Bands zusammengepackt, um ein breiteres Publikum anzusprechen. In Liverpool spielten wir mit lustigen Nu-Metal-Bands, die sogar unsere Platten gekauft haben, wir aber nicht ihre.“
Mit wem würdet ihr gerne mal auf Tour gehen?
Hans: „SUGAR, würde es die noch geben, aber so gesehen MUFF POTTER, CURSIVE oder BURNING AIRLINES, mit denen wir bereits auch schon gespielt haben.“
Peter: „BULLET LAVOLTA. Und ich würde gerne mit HEY MERCEDES spielen, wenn die nur mal nach Europa kommen würden, aber denen fehlen da wohl die Ambitionen.“
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #54 März/April/Mai 2004 und Simon Brunner
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #53 Dezember 2003/Januar/Februar 2004 und Thomas Eberhardt