HELLDRIVER sind ein Phänomen. Einst als polnische Auto-Stunt-Band gestartet, haben sie sich inzwischen längst in Hamburg, Cottbus und Scheggeroth einen Kultstatus erspielt. Dabei machen sie eigentlich alles wie immer. Nur sind sie halt eben doch ein wenig anders. Anlässlich des neuen Albums "Mädchen mit Motorsägen" wollte ich den Herren Swingo (Gesang, Gitarre), Flash Ostrock (Schlagzeug) und Winchester (Bass) mal ein wenig auf den Zahn fühlen.
Wie kam es überhaupt dazu, dem Stunt-Geschäft in Polen den Rücken zu kehren und lieber in Hamburg als Rockband seine Sporen zu verdienen? "Eigentlich ist das Ganze ein großes Missverständnis, denn wir sind in Wirklichkeit eine tschechische Stunt-Band. Allerdings spielen wir einmal im Jahr in Polen, in Cottbus, und da haben wir irgendwann den Schlüssel der Stadt bekommen, wurden eingebürgert und so kam dieses Gerücht auf. Nach Hamburg kamen wir dann wegen der guten Hamburger. Und wenn das Wetter mal gut ist, kann man hier auch ganz gut leben."
Doch nicht nur das macht Hamburg für die Jungs von HELLDRIVER so lebenswert. Swingo ergänzt: "Hier gibt es außerdem tolle Einkaufsmöglichkeiten. Ich kaufe gerne bei Lidl ein, bei Edeka im Gaswerk - da gibt es ja alles - und bei Horten, was jetzt Galeria Kaufhof heißt. Und dass Hamburg eine S-Bahn hat, ist auch etwas, was wir vorher so noch nie hatten. Genauso wie einen Hafen direkt am Meer." Doch wie kam man überhaupt dazu, anstatt weiter als Stuntmen zu arbeiten, Musik zu machen? "Das ist die Vorbereitung aufs Altenteil", klärt Flash Ostrock auf. "Als Stuntman kann man ja nicht ewig arbeiten. Das geht zu sehr auf die Knochen. Und so schaffen wir uns mit der Musik ein zweites Standbein."
Nun drängt sich natürlich die Frage auf, ob der Name HELLDRIVER, der offiziell in ein schickes Matchbox-Auto-mäßiges Styling gezwängt wurde, diese beiden Leidenschaften unter einen Hut bringen soll. "Das kam daher, dass ich mir damals ein T-Shirt gekauft hatte, auf dem HELLDRIVER draufstand. Da ich zu der Zeit auf der Suche nach einer neuen Identität war, habe ich aufgrund des T-Shirts dann den Namen HELLDRIVER für die Band gewählt." Sämtliche Klischeevorwürfe lassen die Herren da aber nicht gelten. Denn verwendet wurde der Name bis dato noch von keiner anderen Band. "Ursprünglich wollten wir uns PROJEKT KOTELETT nennen, aber der Name war leider schon besetzt", ergänzt Swingo. "Und wo jetzt auf allen CDs und T-Shirts der Name HELLDRIVER draufsteht, kann man das jetzt ja auch nicht einfach mal wieder ändern", gibt sich Winchester pragmatisch. "Aber eigentlich ist der Name ja auch egal. Heutzutage kennen die ganzen Leute die Namen der Interpreten doch kaum noch. Die kennen durch ihre Computer heutzutage doch nur noch Zahlen und mp3s."
Trotzdem hat die Band ganz herkömmlich gerade ihr zweites Album veröffentlicht. Was hat sich denn inzwischen seit dem Debütwerk verändert? "Neu ist das viel, viel bessere Cover. Das Booklet und Coverfoto sind einfach schöner. Die Plattenfirma ist mit Wolverine Records immer noch die Gleiche, es spielen aber andere Leute mit. Dadurch haben wir nun eine weitaus höher entwickelte Rhythmusgruppe. Außerdem haben wir diesmal die Songs im Kollektiv entstehen lassen, jeder hat sich da irgendwie eingebracht. Im Gegensatz zur ersten Platte, wo praktisch fertige Lieder nur noch eingespielt wurden. Zum Beispiel haben wir uns überlegt, die Platte ‚Mädchen mit Motorsägen‘ zu nennen, um danach erst den entsprechenden Song zu schreiben. Das Gleiche galt auch für die Lieder ‚Der längste Single der Welt‘ oder ‚Highway to heaven‘. Auch hier standen erst die Titel, bevor Songs draus wurden."
Aber zurück zum Albumtitel "Mädchen mit Motorsägen". Worin liegt die Faszination? Und wie steht es mit einem möglichen Sexismusvorwurf? Den wehren HELLDRIVER direkt ab. "‚Männer mit Motorsägen‘ wäre ja zu normal. Und ‚Frauen mit Kochtöpfen‘ wäre doch viel sexistischer, ‚Mädchen mit Laubbläsern‘ dagegen viel unspektakulärer." Aber steckt dahinter nicht der heimliche Wunsch, ein verstecktes Machotum auszuleben? "Nein, wir sind total freundliche Familienmenschen. Uns interessiert diese konventionelle Herangehensweise im Rock'n'Roll-Business heutzutage nicht mehr. Mit Rock'n'Roll werden heutzutage Kreditkarten und Autos verkauft. Die Nischen sind zur breiten Masse geworden. Zwar spielen wir im weiteren Sinne ja auch Rock'n'Roll, aber die ganzen damit verbundenen Klischees reizen uns gar nicht. Diesem Schubladendenken wollen wir einfach nicht entsprechen. Deshalb kümmern wir uns auch selber um die Promotionarbeit. Die geht nämlich in die unterschiedlichsten Richtungen. So spielen wir an einem Wochenende in Bonn bei der dortigen Turbojugend und am nächsten Tag in Recklinghausen bei Peter in der Kneipe, wo nur ältere Leute ihr billiges Bier trinken. Wir spielen mal in Autonomenläden und auf Schützenfesten. Da wollen wir uns nicht auf ein Klientel festlegen." Sind HELLDRIVER somit im Namen der kulturellen Völkerverständigung unterwegs? "Das kann man so sagen. Wir unterhalten uns ja gerne mal nach den Auftritten mit Leuten aus dem Publikum oder lassen Handyfotos von uns machen. Genauso fragen wir die gerne mal, ob sie unter Equipment mit einladen helfen."
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #78 Juni/Juli 2008 und Lars "Abel" Gebhardt
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