HAUST

Foto© by Matthis Kleeb

Stay negative

Ein starker Titel, den sich HAUST für dieses Album erdacht haben: Ein Daumen, der nach unten zeigt, „Negative Music“ ... was es damit auf sich hat, fragte ich Sänger Vebjørn Guttormsgaard Møllberg in diesem Interview. Passend dazu ist die Musik auf dem gewissermaßen Comeback-Album seiner Band auch alles andere als ein Spaziergang in einem frühlingshaften Park. „Ride The Relapse“ war 2008 das Debüt der nach Oslo übersiedelten Band, aber auch der erste Release ihres Labels Fysisk Format. Es folgten 2010 „Powers Of Horror“, 2013 „NO“ und 2015 „Bodies“, aber dann forderte die Routine ihren Tribut, Menschen gingen, neue kamen, die Band schlief etwas ein und erwachte erst 2018 zu neuem Leben.

Warum habt ihr neun Jahre gebraucht, um ein neues Album herauszubringen?

Nach der Veröffentlichung unseres letzten Albums „Bodies“ 2015 und den anschließenden Touren wurde uns das ganze Projekt ein bisschen langweilig. Wir hatten alle eine Menge anderer Dinge zu tun, außerdem gründeten Henrik, Øystein und ich eine neue Band namens OUTER LIMIT LOTUS, wo wir ein paar neue musikalische Sachen ausprobieren konnten, die nicht in den Rahmen von HAUST passten. Nach einigen Jahren, in denen viele von uns Kinder bekamen und sonstige Projekte verfolgten, spielten wir ein Konzert zum zehnjährigen Jubiläum unserer Debüt-LP „Ride The Relapse“ in der Originalbesetzung. Das war 2018. Nach diesem Konzert fing Ruben an, über neue HAUST-Songs zu sprechen und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, ein paar Texte zu verfassen. Die Produktion der Songs begann erst 2020 und dann hat sich wegen der Pandemie alles noch mehr verzögert. Aber 2023 hatten wir genug Tracks beisammen für ein komplettes neues Album mit der alten Besetzung und „Negative Music“ war geboren.

Euer Sound wurde oft als eine Mischung aus Punk und Black Metal beschrieben. Warum glaubst du, dass diese Genres zusammenpassen?
Ich denke, es ist die primitive, rohe Energie, die man in beiden Genres finden kann. Es sind zwei brisante Zutaten, die sich ganz gut ergänzen, wie ein guter Martini oder eine selbstgebastelte Bombe. Black Metal ist ja auch eng mit der nordischen Natur und Mythologie verbunden, mit der wir aufgewachsen sind. Als wir anfingen mit der Musik, hatten wir ursprünglich vor, eine Black-Metal-Band gründen. Aber wir mussten feststellen, dass die romantische Heimatverklärung des klassischen norwegischen Black Metal sich nicht mit unserem Lebensstil und politischen Einstellung vereinbaren ließ. Wir fühlten uns nirgendwo mehr zugehörig. In der Punkmusik fühlten wir uns schon viel eher zu Hause. Aber einige Black-Metal-Elemente haben wir behalten, weil wir sie mochten.

Welche Bands und Alben aus diesen beiden Genres waren und sind wichtig für euch?
Für mich waren es die ersten EPs von RUDIMENTARY PENI sowie das „Death Church“-Album, wegen der Texte, aber auch wegen der schön-schrägen Horrorstimmung, die die Musik umgibt. Eine Rolle spielten natürlich auch größere Bands wie THE MISFITS, RAMONES, THE STOOGES, POISON IDEA und BLACK FLAG, hier speziell die „My War“-Ära mit ihren langsameren, brütenden Songs wie „I love you“ und „Beat my head against the wall“. Da drei von uns in einer kleinen Stadt namens Notodden aufgewachsen sind, waren am Anfang auch EMPEROR sehr wichtig für uns, besonders „In The Nightside Eclipse“ und „Anthems“. Der kleine Bruder von ihrem Sänger Ihsahn ging mit uns zur Schule, und ich und meine Freunde waren total fasziniert von diesen furchterregenden satanistischen Typen, die die böseste Musik spielten, die wir je gehört hatten, und sie hatten sogar Kirchen niedergebrannt! Platten, die wir oft gehört haben, als wir mit HAUST anfingen, erste Songs zu schreiben, waren etwa „Under A Funeral Moon“ von DARKTHRONE, „Black Thrash Attack“ von AURA NOIR, „Bullhead“ von den MELVINS und SLEEP.

Und wie sieht es mit anderer Musik aus, deren Einfluss man vielleicht nicht so direkt raushört?
Ich kann nur für mich selbst sprechen, aber meine Lieblingssänger sind jetzt nicht ganz so offensichtlich. Ich liebe Dr. John – hör dir den Song „Twilight zone“ an –, Captain Beefheart, Joni Mitchell, Kim Gordon, Nico, Leonard Cohen ... Für meinen Gesangsstil habe ich mir auch was abgeguckt bei Rappern wie Ol’ Dirty Bastard und Busta Rhymes.

HAUST im Jahr 2024 sind also immer noch ... nein, wieder: Ruben Willem, Dag Otto Basgård, Pål Bredrup und Vebjørn Guttormsgaard Møllberg. Wie wichtig ist das für das Wesen dieser Band?
Es ist fast so, als wären es zwei völlig verschiedene Bands gewesen. Und ich liebe sie beide. Wieder mit der alten Gang zusammen zu sein, bedeutet natürlich nicht, dass wir plötzlich zwanzig Jahre jünger sind. Aber es fühlt sich gut an, und die neuen Songs fühlen sich am allerbesten an! Ich freue mich schon darauf, wieder live aufzutreten und rumzuschreien und allen unsere Musik und unsere Texte richtig unter die Nase zu reiben.

Lass uns über PMA sprechen, also Positive Mental Attitude. Was macht dich glücklich?
Menschen, die es wagen, ein eigenes Leben zu leben, anstatt die Erwartungen zu erfüllen. Außenseiter, Freaks, Rebellen und Abweichler machen mich glücklich. Es ist wichtig, der Obrigkeit und den Ausbeutern den Mittelfinger zu zeigen. Aber natürlich ist es auch wichtig, nett und freundlich zu Menschen zu sein, die es brauchen. Menschen, die andere nicht ausnutzen und gegen den Strom schwimmen, machen mich glücklich.

Wie ist das im Kontext des Titels und des Covers eures neuen Albums zu verstehen? Ein Daumen nach unten, „Negative Music“ ...?
Auch das macht mich glücklich. „Negative Music“ macht mich glücklich, Songs wie „Nothing“ von NEGATIVE APPROACH, „Forward to death“ von DEAD KENNEDYS oder „Negative creep“ von NIRVANA sind mein Kuschelrock. Ich denke, es ist wichtig, sich sein ganzes Leben lang eine skeptische oder sogar negative Einstellung zu bewahren und den Status quo nicht zu akzeptieren. Verlangt immer nach Verbesserungen! Menschen, die nach Macht streben, sind das Böse, und es ist wichtig, dass die Kritik nicht nur von jungen Menschen kommt. Bleibt negativ!

Euer erstes Album „Ride The Relapse“ war zugleich die erste Veröffentlichung auf Fysisk Format, jetzt kehrt ihr zu diesem Label zurück. Friends & family forever ...?
Es macht Sinn, dass wir unser Comeback-Album auf demselben Label veröffentlichen, das uns am Anfang eine Chance gegeben hat, als wir noch Niemande waren. Fysisk Format und der Plattenladen Tiger, der von denselben Leuten hier in Oslo betrieben wird, waren super wichtig für uns. Bei ihnen habe ich damals auch meine RUDIMENTARY PENI-Platten gekauft.

In „Left to die“ singt ihr: „There is no room for losers around here.“ Was ist der Hintergrund?
Das ist kein Lied über ein rein individuelles Problem, sondern ich habe es ursprünglich angesichts der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik in Norwegen geschrieben. Es geht darum, dass die sozialdemokratische Regierung stark nach rechts tendiert, und um die Doppelmoral unseres sogenannten Wohlfahrtsstaates. Sozialhilfe gibt es nur für ein paar Begünstigte und alle anderen können sich einfach verpissen. Ich hasse das!

In „Back to nothing“ gibt es die Zeile „My own private hamster wheel“ ... worauf beziehst du dich da?
Es geht um das Hamsterrad, das du dir selbst gebaut hast. Man ist oft selbst sein schlimmster Feind. Im Leben geht es ständig auf und ab. War man eine Zeit lang oben, ist es schwer, wieder ins Nichts zu fallen. Aber man muss sich selbst helfen, so gut es geht, und darf nicht aufgeben. Versucht, am Leben zu bleiben, Leute!

Und in „Turn to stone“ singst du: „I want to disappear [...] / I want to turn to stone.“ Nun, für jemanden, der eine depressive Phase hat, ist das vielleicht schwer zu ertragen.
Ich schätze, jeder kennt den Traum, einfach zu verschwinden oder zu Stein zu werden, wie ein Troll im Sonnenlicht. Vielleicht solltest du besser im Schatten bleiben und den Rest deines Lebens relativ glücklich als mürrischer alter Fiesling leben. Oder du versuchst, nett zu sein, wenn du kannst. Wie viele meiner Texte kann auch dieser als eine Art devotes Liebeslied gelesen werden. Es geht um den Wunsch, unterworfen oder bestraft zu werden, völlig im Leben eines anderen aufzugehen.

Bei „Dead ringer“ ist Ivar Nikolaisen als Gast dabei. Wie ist eure Verbindung zu KVELERTAK?
Ruben hat ihr erstes Demo aufgenommen, also reicht unsere Beziehung zu den Anfängen zurück. Wir haben auch ein Konzert mit ihnen gespielt, kurz bevor sie ihren großen Durchbruch hatten. Unsere musikalische Basis war sehr ähnlich, wir sind nur nach einer Weile in leicht unterschiedliche Richtungen gegangen, vor allem was den Ehrgeiz angeht. Ich meine, sie sind im Moment eine der größten Rockbands der Welt – und wer sind wir? Jedenfalls sind es wirklich nette Leute, und es ist toll, dass Ivar uns seinen Gesang für diesen Song zur Verfügung gestellt hat.