Wer "Noiserock" sagt, muss auch "HARMFUL" sagen. Vom derben, unzugänglichen Krach der Anfangstage ist auf "Wromantic", dem vierten Longplayer der Frankfurter, nicht mehr allzu viel übrig geblieben. Mehr noch: HARMFUL haben die Melodien entdeckt, die sich unaufdringlich, aber dennoch omnipräsent zwischen all den Gitarrenwänden eingenistet haben. Erste Liga, gleich hinter BLACKMAIL.
Leicht zugänglich ist der Sound der drei Hessen deshalb aber noch lange nicht. Es rumpelt und scheppert nach wie vor aus allen Ecken, was dem kommerziellen Erfolg auf breiter Ebene wohl auch weiterhin im Weg stehen wird – trotz Majorlabel-Unterstützung. Und Plattentitel wie "Wromantic" klingen auch nicht gerade verkaufsfördernd. "Im Prinzip bin ich der Auffassung, dass Romantik eine Illusion ist", erklärt Frontmann Aren Emirze den Titel näher. "Das habe ich in meinem kurzen Leben immer wieder erfahren. Man trachtet immer wieder danach, Romantik zu erfahren, aber man erreicht sie nie. Die wahre Romantik ist ein unerreichbares Ideal – deshalb falsche Romantik, die uns temporär begegnet. Das ist zwar arg philosophisch, aber ich finde, dass das auch zum Album passt. In gewisser Weise waren wir nämlich auch auf der Suche nach der Magie in den Songs. Deshalb haben wir auch nicht technisch, sondern gefühlsmäßig aufgenommen."
Im Vergleich zum Vorgänger "Counterbalance" haben sich die melodischen Elemente noch wesentlich verstärkt. Absicht oder Zufall? "Alles ist ein bisschen erwachsener geworden", antwortet Aren, der gerade auf Promotion-Tour in Köln ist. "Diesmal haben wir einen roten Faden gefunden. Auf dem letzten Album waren einige Songs, die stärker am Songwriting orientiert waren, während andere, eher quer aufgebaute Stücke noch an früher erinnerten, wodurch der Drahtseilakt nicht immer gelang. Bei "Wromantic" hat dieser Drahtseilakt besser hingehauen, weil wir uns auf das konzentriert haben, was wir am besten können: Melodien und Härte vereinen, ohne dabei das Fundament von HARMFUL zu beschädigen."
Schön ausgedrückt. HARMFUL haben auch allen Grund, selbstbewusst in die Zukunft zu blicken. "Das denke ich auch", freut sich Aren. "Ich glaube, dass wir es geschafft haben, unsere Underground-Wurzeln zu bewahren, obwohl es sich bereits um unsere vierte Platte handelt. Viele Bands werden zu diesem Zeitpunkt wesentlich kommerzieller, während wir uns primär als Songwriter weiterentwickelt haben." Gibt es da keine Spannungen zwischen künstlerischem Anspruch und Major-Deal auf der anderen Seite? "Natürlich gibt es Spannungen dieser Art", räumt er ein. "Das passiert immer wieder. Wenn man sieht, wie viel andere Bands so verkaufen, so eine halbe Million, realisiert man, wie weit der Weg zu diesen Massenmarkt noch ist."
Glaubt er, dass HARMFUL eines Tages in dieses Marktsegment eindringen können? "Nee, nicht wirklich", lautet die ehrliche Antwort, "und das ist ja auch gar nicht unser Ziel. Ich will mit jeder Platte mehr verkaufen, aber nur nach und nach. Mir ist es in erster Linie wichtig, mein ganzes Leben lang Musik machen zu können und dass die Plattenfirma an uns glaubt." In der Vergangenheit wurde der Frankfurter Dreier ja schon oft mit HELMET verglichen, was für eine Plattenfirma genug Ansporn sein könnte. "Der HELMET-Vergleich stört mich überhaupt nicht", gesteht Aren, "das ist schon okay. Lieber HELMET als LIMP BIZKIT oder KORN. Die Kiddies von heute kennen HELMET ja schon gar nicht mehr. HELMET waren Anfang der Neunziger eine der wichtigsten Bands überhaupt. Der größte Einfluss ist für mich allerdings nach wie vor PRONG. In diesem Musikbereich sind PRONG die größte Band überhaupt."
Frühphase oder Spätphase? "Frühphase, so zu "Beg To Differ" und "Prove You Wrong"-Zeiten. Das war echt prägend." Apropos Frühphase: Mit BluNoise-Mastermind Guido Lucas stand ein alter Bekannter an den Knöpfchen, nachdem "Counterbalance" von Dave Sardy von BARKMARKET produziert worden war. Warum wieder Guido Lucas, der ja auch schon die ersten beiden Scheiben betreute? "Wir haben realisiert, dass Guido Lucas DER Mann für HARMFUL ist.. Ich wollte schon immer mal mit Dave Sardy aufnehmen, aber dann habe ich realisiert, dass der auch nur mit Wasser kocht. Jetzt wissen wir endgültig, was wir an Guido haben." HARMFUL waren damals übrigens die erste BluNoise-Band überhaupt. "Stimmt, das war 1994/95, als wir auf dem ersten BlueNoise-Festival gespielt haben", erinnert sich der Sänger. Mal sehen, wie es mit HARMFUL und ihren Noiserock-Böllern in der Zukunft weitergeht.
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