GUSTAF

Foto© by Sharon Steele

Glückliche Zufälle und kalte Snacks

Die GUSTAF-Offenbarung beginnt im Allgemeinen damit, dass man zu dem Konzert einer Band geht, die man kennt, bei dem GUSTAF die Vorgruppe sind. Im Jahr 2023 waren die Fotografin Sharon Steele, mein Freund Will Shuter und ich wegen der SLEAFORD MODS im Commodore Ballroom in Vancouver; von GUSTAF wussten wir nichts. Hinterher sprachen wir nur noch davon, wie großartig GUSTAF gewesen waren, und als sie das nächste Mal als Headliner in die Stadt kamen, hatten wir alle Karten.

Selten hinterlassen Vorbands einen so starken ersten Eindruck. Doug Smith, ein Veteran der Szene von Vancouver – früher bei CADAVER DOGS, LITTLE GUITAR ARMY, DIRT und den SUBTERRANEANS – schrieb unter einen YouTube-Clip, den ich von GUSTAF aufgenommen hatte: „Ihre Musik erinnert sehr an den aufregenden No Wave und Art-Rock in Brooklyn und der Bronx in den späten 1970er Jahren und frühen 1980ern, sowie an Bands wie ESG, LIQUID LIQUID und THE BUSH TETRAS.“ GUSTAF selbst kommen aus Brooklyn. Ich liebe es, eine Band zu entdecken, mit der ich überhaupt nicht vertraut bin und die mich beim ersten Hören/Sehen wirklich umhaut. Hut ab vor SLEAFORD MODS, dass sie eine so großartige Band auf Tour mitnehmen und sie jeden Abend das Publikum für sich gewinnen lassen. Zweifellos wurden auch andere Zuschauer, die GUSTAF im Vorprogramm von YARD ACT oder IDLES gesehen haben, auf die gleiche Weise überzeugt. Beck scheint einer davon gewesen zu sein, denn er wurde schnell zu einem begeisterten Fan und drehte ein Video zu ihrem Song „Close“, der auf ihrem zweiten Album „Package Part 2“ zu finden ist.
Wir sprachen mit Sängerin Lydia Gammill darüber, wie viel Glück die Band hatte. Aber wir haben sie nicht gebeten, noch mal die oft erzählte „GUSTAF-Entstehungsgeschichte“ zu wiederholen, in der es darum geht, dass sie sich bereit erklärte, Tara Thiessen von den New Yorker Bands SHARKMUFFIN und EX-GIRLFRIEND dabei zu begleiten, im Van von Brooklyn nach Austin zum SXSW 2018 zu fahren. Und als Thiessens Auftritte ins Wasser fielen, schlug Gammill vor, eine neue Band zu gründen – eine, die schon Gigs klargemacht hatte, bevor sie überhaupt einen Namen hatte.

Habt ihr in dem Jahr tatsächlich schon auf dem SXSW gespielt?
Wir haben nicht im offiziellen Festivalprogramm gespielt, aber wir hatten eine Menge inoffizieller Auftritte. Das Plattenlabel, bei dem Taras alte Band SHARKMUFFIN unter Vertrag war, Little Dickman, hatte eine Veranstaltung, bei der wir mitmachen konnten, und dann haben wir einfach jeden angesprochen, den wir kannten und der eine Show organisierte. Wir hatten fünf bis sieben Songs. Ich habe damals an Demos gearbeitet.

Du hast einige schauspielerische Erfahrungen gesammelt, aber ich habe dich nicht in der IMDB gefunden.
Ich habe in der Highschool etwas Theater gespielt und mit Anfang zwanzig einige Improvisationskurse besucht, was eine gute Übung in Sachen Bescheidenheit und Sicherheit auf der Bühne ist. Die ganze Idee dabei ist, dass man das Scheitern annimmt und begrüßt, weil man sich nur dadurch verbessern kann. Ich hatte einen Lehrer, der sagte: „Das ultimative Ziel ist es, auf einem Stuhl auf der Bühne zu sitzen und nichts zu tun, und sich damit völlig wohl zu fühlen.“ Vor allem in der Anfangszeit der Band, als sich die anderen noch fragten „Was machen wir eigentlich?“, sagte ich: „Leute, wir haben es drauf, ihr müsst nur daran glauben, dann überträgt sich das auch auf das Publikum.“

Nachdem es 2018 mit der Band losging, gab es wegen Corona eine zweijährige Pause. Wie konntet ihr trotzdem vorankommen?
Das Gute an unserer Situation während der Pandemie war, dass wir im Februar 2020 mit einer Gruppe von Freunden aus New York nach L.A. gezogen sind. Wir haben dort einen Monat lang gelebt und ein paar Shows gespielt. Der Chef unserer Plattenfirma sah uns, vereinbarte eine Aufnahmesession mit Chris Coady, um zwei Songs aufzunehmen, und beschloss, uns bei Royal Mountain unter Vertrag zu nehmen. Ich schickte dem Typen ein paar Sachen, an denen wir gearbeitet hatten, und er sagte: „Nein, lasst uns neu anfangen.“ Daraus wurde unser erstes Album „Audio Drag For Ego Slobs“. Und so ging es los. Plötzlich arbeiteten wir mit dieser Plattenfirma zusammen, hatten wöchentliche Zoom-Meetings, legten einen Zeitplan für die Aufnahmen fest und drehten ein Musikvideo. Nicht während des ersten Lockdowns, sondern während der Zeit, in der sich jeder ständig testete, Masken trug ... wir haben alles nach Vorschrift gemacht. Von außen betrachtet sah es also nicht so aus, als würden wir viel tun, aber wir wussten, dass etwas kommen würde, was für die Moral der Band sehr hilfreich war. Wir haben also Glück gehabt. Es gab viele glückliche Zufälle, aber eine Menge passierte auch, weil wir einfach am Start waren. Es gab öfter diese Momente, in denen der Zufall, dass wir irgendwo waren und eine Show spielten, das Schicksal unserer Band in eine positive Richtung lenkte. Andererseits sind wir auch nur deshalb so weit gekommen, weil wir einfach konstant gespielt haben.

Wie seid ihr an Beck geraten?
Das ist wieder so ein Zufall, der den weiteren Weg unserer Band und unseres Lebens positiv beeinflusst hat. Er war mit CAGE THE ELEPHANT auf Tour, und der Sänger Matt Shultz plante eine Loftparty in Greenpoint, um das Ende der Tour zu feiern. Er hatte eine gemeinsame Freundin gebeten, coole lokale Bands zu finden, die dort spielen sollten. Sie schickte mir also eine Message und ich war gerade bei Tara zu Besuch, als ich die Nachricht bekam; und Tara arbeitete gerade an einem Musikvideo für ihre alte Band, weswegen unser Schlagzeuger zufällig in der Stadt war, und sie sagte: „Das ist verrückt, aber ich wurde gebeten, Leute für diese Dinner-Party mit Beck und CAGE THE ELEPHANT zu finden.“ Wir tauchten also auf, spielten, und Beck sah uns und mochte uns sofort. Von da an entwickelte sich eine Freundschaft zwischen uns. Er lud uns für den nächsten Tag zu einer Show in New Jersey ein, und wir fuhren in Taras Van hin, und am Ende fragte er: „Wie seid ihr hierher gekommen? Wollt ihr mit mir zurückfahren?“ Und Tara sagte: „Ja! Ja, wollen wir!“ Also ließen wir Taras Auto auf dem Parkplatz stehen, in dem meine Hausschlüssel waren, und fuhren mit Beck zurück in die Stadt. Was großartig war. Und ich erinnere mich an den nächsten Tag – wir hatten auf ihrem Fußboden geschlafen, es war wie ein „Mini-Tourtag“, und wir wachten auf und hatten diesen Freudenkater: Was zum Teufel ist gestern passiert?! Aber er ist ein wirklich cooler Typ. Wir sind in den letzten Jahren wirklich gute Freunde geworden, und er kommt zu vielen unserer Shows. Wir sagen fast: „Beck, mach mal langsam, du hast uns oft genug gesehen!“ Aber das war auch einer der Gründe, warum wir uns entschieden hatten, einen Monat in L.A. zu verbringen. Das war Taras Ding: Lass uns einfach ein paar Shows spielen und mit Beck abhängen. Das führte dazu, dass wir im Satellite spielten und Beck im Publikum war, und unser Plattenlabel-Typ fragte: „Wer ist diese Band, die Beck bei ihren Konzerten hat?“

Sein Video zu „Close“ setzt deine Mimik sehr gut in Szene; es erinnert sehr daran, dich auf der Bühne zu sehen.
Ja, er wollte einfach ein Video machen, das wiedergibt, wie es ist, uns live spielen zu sehen. Das Lustige ist, dass ich mich sehr wohl damit fühle, Raum einzunehmen, wenn ich mit der Band auftrete, aber wenn ich nicht auf der Bühne stehe oder Videos drehe oder was auch immer, dann denke ich: Oh wow, das ist viel von mir! Aber er lässt mich großartig aussehen, also danke, Beck!

Verbindet euch auch etwas mit Deutschland?
Ja, wir spielen gerne in Deutschland wegen der kalten Platten. Wir lieben kalte Platten. Dieser sehr beliebte Imbiss in Deutschland, der auch mein Favorit ist, besteht aus rohen Gemüse, Käse und Brot! Wir hatten das Glück, in ein paar Städten in Deutschland zu spielen. Wir haben auf dem Haldern Pop gespielt, und Stefan Reichmann ist ein wirklich cooler Promoter. Wir haben ein Schlüsselband für unsere Sachen bekommen und auf unserer letzten Tour haben wir unser Haldern Pop-Schlüsselband für die Autoschlüssel benutzt. So hat uns ein kleines Stück Haldern auch durch Nordamerika begleitet.

Und habt auf dieser Tour im Vorprogramm von SLEATER-KINNEY gespielt. Gab es da eine besondere Verbindung?
Es gab keine Verbindung, außer dass wir gerade eine neue Booking-Agentur bekommen hatten, die zufällig auch SLEATER-KINNEY vertritt. Wir hatten also großes Glück.

Ihr seid schon mit einigen tollen Bands auf Tour gewesen – habt ihr einen Favoriten?
Wir lieben sie alle gleichermaßen! Wir hatten sehr viel Glück, sind mit vielen tollen Bands getourt und haben für sie eröffnet: IDLES, YARD ACT, SLEAFORD MODS. Sie sind alle unglaublich. Aber der größte Pluspunkt von SLEAFORD MODS ist, dass sie nur aus zwei Leuten und minimalem Equipment bestehen, so dass wir unsere Sachen aufbauen konnten, wo immer wir wollten. Das ist ein echter Luxus für eine Vorband. Sie sind also nicht unsere „Lieblingsband“, aber sie sind unsere „Lieblingsband für den Auf- und Abbau“.