GUNNER RECORDS

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Plattenmacher aus Leidenschaft

Im Herzen von Bremen wohnt Gunnar Christiansen, der das Punk-Label Gunner Records betreibt. Da ich mich dazu entschlossen hatte, anlässlich eines Konzertes Anfang Juni ein Wochenende im schönen Bremen zu verbringen, dachte ich mir, das wäre eine gute Gelegenheit für ein Interview mit Gunnar. Zum Interview verabredet waren wir für Samstagmittag, ich habe Gunnar aber bereits am Vorabend beim Konzert kennen gelernt und sofort gespürt, mit welcher Begeisterung und Leidenschaft er bei der Sache ist. Am Tag darauf, nach einer langen Nacht in der Bremer Altstadt, besuche ich ihn in seiner Wohnung und falle erst mal fast um angesichts der Mengen an Platten: auf den ersten Blick wirkt sein Domizil wie eine Lagerhalle. Wie ich später erfahre, steht hier aber nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Sachen. Sein Hauptlager befindet sich im beschaulichen Goldenshop, der zugleich Buch- und Plattenladen ist und sich etwas abseits der Bremer Altstadt befindet. Nach einem kurzen Rundgang stelle ich Gunnar, der noch etwas verkatert ist und deshalb auf Alkohol verzichtet, bei einer Flasche lauwarmem Jever meine Fragen.

Gunnar, wann hast du mit Gunner angefangen?


Angefangen hat das alles bereits 2006 mit MISCHIEF BREW, deren Sänger ich in Amerika kennen lernte, als ich Freunde von THE WORLD/INFERNO FRIENDSHIP SOCIETY besucht habe. Entstanden ist das Ganze bereits daraus, dass ich vorher schon viele Bands, die gerade auf Tour waren, herumgefahren habe. Damals habe ich viele Touren für Ingo Ebeling gefahren, der das Label The Company With The Golden Arm hatte. Und so habe ich dann Erik Petersen kennen gelernt, als er in New York alleine in einer Bar gespielt hat. Er gab mir eine Demo-CD mit, weil er Interesse daran hatte, mal nach Europa zu kommen und hier auch eine Platte zu veröffentlichen. Die CD habe ich dann mitgenommen und Ingo gefragt, ob er es nicht rausbringen wolle, da es mir sehr gut gefallen hätte. Daraufhin hat Ingo mich gefragt: „Warum machst du das dann nicht selber?“ Gute Frage, habe ich dann gedacht und damit war die Idee geboren, ein Plattenlabel zu gründen. Und dann war der Moment auf einmal konkret da und ich dachte: Na gut, mach ich es eben selber.

Den Namen Gunner Records hast du von deinem Vornamen abgeleitet, nehme ich an ...

Genau. Das resultiert ebenfalls aus diesen ganzen Tour-Geschichten, als ich die amerikanischen Bands durch die Gegend gefahren habe. Die können „Gunnar“ einfach nicht aussprechen, aus „Gunnar“ wird dann immer „Gunner“. Und weil ich einen Namen brauchte und nicht viel Zeit zum Überlegen hatte, war es naheliegend, das Label so zu benennen. Mir kam auch direkt die Idee für das Logo mit der Hand und der Pistole und so hat eins zum anderen gefunden.

Wie hat es dich nach Bremen verschlagen? Ist das ein guter Standort für ein kleines Indielabel?

Ich komme aus Bad Bramstedt, das im Herzen Schleswig-Holsteins liegt, so zwischen Kiel und Hamburg etwa. Seit ungefähr sieben Jahren wohne ich jetzt hier. Nach Bremen bin ich aus zwei Gründen gezogen: Erstens weil meine Freundin hier wohnt, und zweitens weil mir damals ein guter Freund ein Zimmer in seiner WG für 100 Euro angeboten hat. Da ich zu diesem Zeitpunkt gerade frisch mit dem Studium fertig war und noch keine Arbeit hatte, habe ich nicht lange überlegt und mir gedacht, dass ich die 100 Euro im Monat schon irgendwie zusammenbekommen werde. Und meine Freundin konnte ich so natürlich auch einfacher und öfter sehen. Zu Bremen als Standort für ein Indielabel kann ich eigentlich gar nicht so viel sagen. Mir fehlt mir da ein konkreter Vergleich, und eigentlich bin ich ja auch der Meinung, dass der Standort relativ egal ist. Man kann von überall aus ein Label betreiben. Bremen hat aber auf jeden Fall eine wirklich sehr schöne Musikszene.

Ist das Label eher Job oder Hobby?

Eigentlich beides irgendwie. Hobby, weil es Spaß macht und kein Geld bringt, und Job, weil es eben auch viel Arbeit ist. Das Ganze ist in etwa eine „plus minus null“-Geschichte, sogar eher mit Tendenz hin zum Verlust. Und um das Ganze zu finanzieren, habe ich neben meinem Hauptjob auch noch weitere Jobs als DJ und als Nachtwache beziehungsweise Betreuer in einer sonderpädagogischen Wohngemeinschaft.

Was machst du hauptberuflich?

Eigentlich bin ich ja Bauingenieur, habe damals in Lübeck studiert und danach auch kurze Zeit in diesem Bereich gearbeitet. Als dann mein Zeitvertrag nicht mehr verlängert wurde, bin ich direkt ins Label eingestiegen und habe zunächst auch versucht, mich darauf zu konzentrieren, bis ich dann gemerkt habe, dass sich damit nicht wirklich viel Geld verdienen lässt. Deshalb brauchte ich dann irgendwann wieder etwas, das meine Rechnungen bezahlt. Vor dem Studium hatte ich bereits eine Ausbildung zum Zimmermann gemacht. Und so bin ich dann hier in eine Firma eingestiegen und arbeite mit drei Freunden selbstständig im Bereich Handwerk, Schwerpunkt Zimmerei. Wir sind vier gleichberechtigte Partner.

Machst du denn alles alleine, was mit Gunner Records zusammenhängt?

Es gibt natürlich einige Leute, die mich dabei unterstützen. Zum Beispiel habe ich meine Internetseite erstellen lassen, mache aber die Updates jetzt immer selbst, was dann hin und wieder auch schon mal eine ganze Weile dauert. Und alles, was mit Grafik zu tun hat, mache ich auch nicht. Meine Freundin hilft mir schon mal beim Packen oder bei anderen kleineren Sachen, die gerade zu erledigen sind, aber im Großen und Ganzen liegt alles in meiner Hand.

Du legst viel Wert auf besondere Sachen und limitierte Auflagen, hast teilweise sehr schöne Siebdrucke als Coverartwork.

Du hast ja gerade in meinem Zimmer gesehen, dass ich selber ein riesiger Plattensammler und Fan bin und ich habe einfach sehr große Freude daran, wenn andere sich Mühe geben und sich etwas Tolles einfallen lassen, da ist es eigentlich ganz klar, dass man selbst dann auch so etwas macht. Aber leider bedeuten die meisten limitierten Sachen, die ich mache, dass ich draufzahlen muss, die bringen also meistens kein Geld ein. Oft arbeite ich da mit unterschiedlichen Leuten zusammen, die etwa die Siebrucke für mich erstellen. Aber das alles kostet natürlich Geld. Zwei Freunde aus Hamburg haben für mich zuletzt die Siebdrucke für Dan Webbs „Much Obliged“ und RED CITY RADIOs „The Dangers Of Standing Still“ gemacht.

Seit diesem Jahr hast du den so genannten „7“-Vinyl-Singles-Club“ in deinem Programm. Was ist das?

Damit habe ich Anfang 2012 begonnen, als erstes Release ist eine Platte von BUG ATTACK erschienen, und zuletzt dann CRAZY ARM. Das Ganze läuft bisher eher schleppend an. Aber das ist eben auch so eine Liebhabersache, die mir viel bedeutet. Ich wollte immer mal 7“s rausbringen und das mit dem Club fand ich eine gute Sache. Die Idee dahinter ist, dass man ein Abo über ein Jahr abschließt für insgesamt 35,70 Euro. Dafür bekommt man dann alle drei Monate eine Single, also vier Stück pro Jahr. Auf diese Weise sollen dann auch mal unbekanntere Bands, die wirklich gut sind, einem etwas breiteren Publikum zugänglich gemacht werden und der Kunde kann auf diese Art auch immer wieder mal etwas Neues entdecken. Die Auflage beträgt immer 100 Stück in farbigem Vinyl und noch mal 400 Stück in klassischem Schwarz für den freien Verkauf. Mir selbst macht es auf jeden Fall viel Spaß, die Platten rauszubringen.

Nach welchen Kriterien wählst du die Bands aus, mit denen du zusammenarbeitest?

Die Grundlage ist auf jeden Fall, dass mir die Musik wirklich gut gefällt. Und wenn ich dann auch noch mit der Message leben kann, die von der Band verbreitet wird, dann ist es meist genau das Richtige. Aber man muss schon genau selektieren, um aus der großen Schwemme an Bands die wirklich guten herauszufiltern. Es kommen auch immer wieder mal Bands auf mich zu, bei denen ich den Eindruck habe, dass die noch ein bisschen üben müssen, haha. Aber ich möchte mir nicht anmaßen, über deren Qualität zu urteilen. Die Geschmäcker sind eben verschieden.

Organisierst du auch die Touren für deine Bands?

Ja, das mache ich auch. Ich buche meistens die Europatouren in einem vorgegebenen Zeitrahmen und kümmere mich dann auch um alles Weitere, so dass sich die Band eigentlich nur noch in den Flieger nach Europa setzen muss. Dazu gehört auch, sich um einen Bus, Essen, Schlafmöglichkeiten und die ganze Backline, also Verstärker und Schlagzeug zu kümmern, eben alles, was für den Transport zu umständlich ist.

Du hast die erste Platte von THE GASLIGHT ANTHEM in Deutschland produziert. Wie kam das zustande?

Ich habe damals, ich glaube, das war 2006, Demo-Aufnahmen von ihnen gehört, die zwar noch ganz anders klangen als jetzt, mir aber schon gut gefallen haben. Ich hab sie kontaktiert und dann ging alles eigentlich recht schnell und unkompliziert über die Bühne. Produziert habe ich die erste LP „Sink Or Swim“ sowie die EP „Senor And The Queen“. Da sie aber relativ schnell erfolgreich waren, haben sofort größere Labels angeklopft, und so sind GASLIGHT ANTHEM erst zu SideOneDummy und mittlerweile zu Mercury Records gewechselt, weil es da einfach mehr Geld gibt, also auch mehr Möglichkeiten, neue Sachen zu produzieren und zu vertreiben. Die bekommen da von vornherein ein bestimmtes Budget zur Verfügung gestellt und können dann damit arbeiten. Das ist etwas, was ich als kleines Indielabel natürlich nicht bieten kann. Aber wir sind immer noch gut befreundet, haben regelmäßig Kontakt und treffen uns auch immer mal wieder.

Bei THE GASLIGHT ANTHEM komme ich auf das Thema Musik und Religion. Wie stehst du dazu?

Brian Fallon ist religiös, aber er lässt es nicht in seine Musik oder in den Umgang mit anderen Menschen einfließen und behelligt damit auch sonst keinen. Und das finde ich entscheidend, so ist es dann einzig und allein seine Sache. Mir steht es nicht zu, ihm vorzuschreiben, was er glauben oder nicht glauben soll, das ist meine Meinung zu dem Thema.