GOVERNMENT ISSUE

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On The Couch With John Stabb

Es gibt viele Bands, die ich für großartig halte, doch nur wenige haben eine besondere Bedeutung für mich. GOVERNMENT ISSUE ist eine dieser Bands. Ich erinnere mich, als ich 17 war, auf eigenen Beinen stand, zur Schule ging (also, manchmal) und meinen Tag damit begann, GOVERNMENT ISSUEs "Boycott Stabb"-12" aufzulegen. Bands wie GOVERNMENT ISSUE waren es, die mich über Wasser hielten, als ich leicht depressiv, unmotiviert oder ausgebrannt hätte sein können. Deshalb bereitete es mir große Freude, dass ich auf Dr. Strange Records einige meiner Lieblingssongs von GOVERNMENT ISSUE wiederveröffentlichen durfte und John Stabb und Tom Lyle jetzt als "Freunde" bezeichnen kann. Als mir zu Ohren kam, dass John im Sommer 2007 ausgeraubt und ziemlich übel zugerichtet worden war, dachte ich mir, ich bitte ihn um ein Interview.


John, es gibt so viele Sachen, über die wir reden können, lass uns mal die unerfreulichen Dinge hinter uns bringen. Es gab überall im Internet etwas über den Überfall auf dich zu lesen. Was genau ist dir denn in dieser Nacht widerfahren?

Das war wie in irgendeinem Gruselfilm. Ich war später am Abend gerade auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, als plötzlich wie aus dem Nichts sechs geschniegelte, junge schwarze Teenager erschienen. Sie lachten und sahen irgendwie unschuldig aus, da keiner von denen Kapuzen oder Masken trug, aber ich sollte eines Besseren belehrt werden, als mich einer von denen fixierte. Die anderen fünf standen etwa zwanzig Meter weit weg und dieser eine Typ versuchte meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, indem er wie ein Boxer mit den Armen herumfuchtelte und ständig sagte "Hey, was geht? Was is' los?" Und da wusste ich, dass es Ärger geben würde. Ich sah mich um und versuchte, sie alle im Auge zu behalten, und fragte mich, ob jetzt gleich jemand auf mich losgeht oder ob sie alle wieder abhauen. Dann wurde ich mit einem Faustschlag überrascht und weitere Schläge prasselten wie Ziegelsteine auf mein Gesicht nieder. Aber das war nicht einmal das erste Mal, dass mir so was passiert ist: Jahre zuvor war ich in Washington, D.C. auf dem Weg von einem Club nach Hause, als ich aus nichtigen Gründen von einem jungen Schwarzen zusammengeschlagen wurde. Das war aber nichts im Vergleich zu dem, was mir in der Nacht des 17. Juli 2007 passiert ist: Mein rechtes Auge begann anzuschwellen und meine Brille lag irgendwo am Boden rum, aber dieser dumme Bastard ließ mich nicht in Ruhe. Ich wusste, mein Leben war ernsthaft in Gefahr, und dann kam mir eine Idee: Ich setzte mein bestes Psychopathengesicht auf und holte mein Messer aus der Gesäßtasche. Einer der Kerle, die vom Hügel aus zusahen, schrie: "Hey, er hat ein Messer!" Unglücklicherweise hielt dies den Angreifer nicht zurück und der Wichser machte weiter, indem er riesige Zementblöcke mit beiden Händen auf mich warf. Im Angesicht der ganzen anderen Kerle um mich herum dachte ich, es wäre das Beste, einfach das Messer wegzulegen, vielleicht würden sie dann abhauen. Aber als der Angreifer noch mal auf mich zuraste, rannte ich mitten auf die Straße, in der Hoffnung, das kommende Auto würde mich im Scheinwerferlicht sehen und anhalten. Das Auto blieb stehen und der Rowdytrupp rannte lachend davon. Der nette Mitbürger rief für mich die Polizei und eine weitere liebenswürdige Person lieh mir ihr Handy, womit ich meine Frau Mika auf der Arbeit anrief, um ihr mitzuteilen, dass ich von einer Horde Jungs angegriffen worden war. Ich war definitiv ziemlich erschüttert. Die Polizei kam binnen weniger Minuten und nahm meinen Bericht auf. Ich gab dem Polizist eine Beschreibung der Täter und er sagte: "Das hört sich ja nach den Typen an, die vor fünf Minuten einen anderen Mann hier die Straße runter angegriffen und beraubt hatten." Diese Kids waren auf irgendeinem Adrenalintrip oder sonst was. Ich war wirklich froh, dass mich der Typ nicht erschossen hatte, denn mit einem gebrochenen Gesicht kann ich noch leben. Wenn so was in einem richtig üblen Teil von L.A. passiert wäre, hättest du eine Todesanzeige von mir lesen können.

Wie hat dich das verändert? Etwas Ähnliches ist einem meiner Freunde vor ein paar Jahren passiert und ein paar Monate später war er Schwarzen gegenüber ziemlich voreingenommen. Und er war zuvor wirklich überhaupt nicht so.

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht an einem posttraumatischen Stress-Syndrom litte, aber das ist vielleicht gar nicht so überraschend nach so einer Attacke. Ich bin jetzt um einiges vorsichtiger und trage für den Fall eines weiteren Überfalls ein weitaus größeres Messer bei mir, das ich als Teppichmesser in meinem Job benutze. Ich werde nicht mehr zulassen, dass mir irgendein Motherfucker noch mal meinen Kopf verunstaltet! Aber es hat nicht dazu geführt, dass ich jemanden wegen seiner Hautfarbe verurteile, denn ich werde niemals als Rassist enden. Von mir aus kannst du weiß, schwarz, gelb oder sonst was sein, das ist kein Grund, jemanden zu beschuldigen.

Ich denke, ein positiver Effekt dieses Zwischenfalls ist die Unterstützung und Besorgnis der Punk-Szene für dich. Ich bekam in meinen Plattenladen Geld aus England geschickt und manche Leute kamen in den Laden und spendeten für deine Krankenhauskosten. Das muss dich doch freuen, oder?

Meine Frau Mika und ich fühlten uns jedes Mal unwahrscheinlich gut, wenn wir eine Spende oder ein mitfühlendes Wort erhielten. Wir hatten ja keine Ahnung, wie viele Menschen da draußen sich um den alten Knacker von GOVERNMENT ISSUE sorgen, haha! Es war ein Strom von Mitgefühl, was wir auch niemals vergessen werden. Es erstaunt mich wirklich, in welchem Ausmaß mir Menschen innerhalb und außerhalb der Punk-Community geholfen haben. Wir sind sehr dankbar dafür.

Und wie hat das mit den Krankenhauskosten hingehauen? Hattest du überhaupt irgendeine Versicherung, die dich unterstützt hat?

Die Kosten sind letztlich fast alle nach einer Handvoll Zuschüssen, PayPal-Spenden und Ebay-Auktionen gedeckt. Ich habe eine BlueCross/BlueShield-Versicherung durch meine Arbeit, aber das deckt nur etwa die Hälfte der Schulden. Wir hätten es nicht geschafft ohne die Hilfe von außen. Mein Gesicht sieht dank des Talents meines Kieferchirurgen normal aus und ich bin glücklich, die verdammte Zahnspange wieder los zu sein. Der Running Gag auf der Arbeit war schon: "Endlich haben wir einen Weg gefunden, Stabb das Maul zu stopfen." Aber ich kam dann von der Operation mit einer Spange zurück und quasselte voll drauf los: You can't keep a good Stabb quiet, haha!

Wurden denn welche von diesen Typen geschnappt?

Nein, und nicht mal die Polizei denkt, diese Schläger erwischen zu können. Es wäre toll, sie hinter Gittern zu sehen, damit die so eine Scheiße nicht noch mal anstellen, aber es ist nichts, über das ich die ganze Nacht nachdenke. Deren Verhaftung wird jetzt nicht zu meinem Lebensziel werden. Das Leben geht weiter, nicht wahr?

Themenwechsel ... Ich habe ja praktisch gerade einen der Gründungsväter der frühen D.C.-Szene vor mir. Denkst du selbst auch so von dir?

Ich denke nicht, dass ich die Washingtoner Musikszene in dieser Form geprägt habe, somit ist der Terminus "Gründungsvater" seltsam. Ich bin glücklich, zu den Leuten zu gehören, die geholfen haben, den Namen der DC-Punk-Szene in der Welt bekannt zu machen, aber es liegt ganz bei den Leuten, was die Bücher über mich oder GOVERNMENT ISSUE berichten. Nichtsdestotrotz fühle ich mich ein wenig von gewissen Punk-Kreisen ausgeschlossen, wenn ich ein Buch über die Underground-Musikszene lese und es nicht einmal eine Randnotiz über GOVERNMENT ISSUE gibt, weil sie ewig über eine andere D.C.-Band sprechen werden, nämlich MINOR THREAT. Nun ist es so, dass ich MINOR THREAT liebe, aber GOVERNMENT ISSUE haben in ihrer aktiven Zeit auch was zur DC-Punk-Szene beigetragen, nur werden sie manchmal übersehen. Ich finde immer noch, dass die meisten der 80er-Jahre-Punkbands großartig sind und deshalb ist es enttäuschend, wenn man ignoriert wird, so als hätte man als Band dieser Szene nie etwas bedeutet. Mir ist es aber relativ egal, was diese Leute sagen, so lange etwas Wahrheit hinter ihren Nachforschungen steckt, insofern bedeutet mir ein Buch wie "American Hardcore" nichts. Und ich bin glücklich, im Gegensatz zu Ian oder Henry keine Galionsfigur zu sein, denn die bekommen so viel Scheiße ab. Manche Leute haben so extrem hohe Erwartungen an berühmte Personen, Musiker, Schauspieler, Sportstars, die niemand erfüllen kann. Ich mag es, eine "Anhängerschaft" zu haben, aber nicht weltberühmt zu sein. Ich bin nur irgendein Kerl in einer weiteren Band und das ist für mich ausreichend.

Was brachte dich ganz allgemein zur Musik? Was war die erste Band, die du gesehen hast?

Das waren THE MONKEES, denn ich mochte die alten TV-Shows aus den 60er Jahren total gerne. Und da war es klar, dass ich die "(I'm not your) Steppin' stone"-Single haben musste! Meine ältere Schwester stand total auf BEATLES, BEACH BOYS oder HERMAN'S HERMITS und ich habe ihre Plattensammlung häufiger mal durchstöbert. Aber THE MONKEES waren meine erste richtige Einführung in die Musik. Von da ab vertiefte es sich dann mit dem doofen Teen-Pop von THE PARTRIDGE FAMILY und dem anspruchsvollen Dino-Rock von LED ZEPPELIN. Aber ich muss sagen, dass "Steppin' Stone" mein erster Einfluss Richtung Punk war, weil der Song - mal abgesehen davon, dass all die frühen DC-Bands ihn später coverten - einfach ziemlich großartig ist. Was mich dann zum Punk brachte, waren die üblichen Sachen, gegen die jeder Vorstadtjunge rebelliert hat: versnobte Mädchen in Designer-Jeans, geistlose Kraftprotze, Schicki-Mickis und die Highschool. Das erste Rock-Konzert, auf das ich gegangen bin, war Linda Ronstadt auf ihrer Tour zum "Mad Love"-Album im Capitol Center im Sommer 1979. Ich begann gerade, durch Bands wie BLONDIE, THE STRANGLERS, TALKING HEADS und THE CARS in Underground-Musik einzutauchen, war aber so naiv zu denken, dass Linda Ronstadt irgendwie Punk sei, weil sie Elvis Costello-Coverversionen spielte. Der erste Punkgig aber muss BLACK MARKET BABY im Psychedely gewesen sein.

Erzähl mal etwas über die Frühzeit von GOVERNMENT ISSUE. Wie war es, im Dischord-Haus abzuhängen, mit Don Zientara im Inner Ear Studio aufzunehmen und im 9:30 Club zu spielen? Hattet ihr damals die leiseste Ahnung, dass sich 30 Jahre später irgendjemand dafür interessieren könnte?

Die Anfangstage von GOVERNMENT ISSUE gehören zu meinen schönsten Erinnerungen. Das war eine Zeit, in der eine Handvoll Bands und Freunde sich gegenseitig angetrieben haben. Wir teilten alle etwas ganz Besonderes, das wir "HarD.C.ore" nannten. Nach ein paar Jahren gab es noch weit mehr Bands, die Leute kamen und gingen, unterschiedliche Fraktionen spalteten sich ab und dann war die bisherige Unschuld der ganzen Sache plötzlich dahin. Es war nicht mehr dieselbe enge Gemeinschaft und viel von dem Spaß, zusammen abzuhängen, verschwand. Ich war damals 19 Jahre alt und kam gerade von der Highschool. Viele von uns waren altersmäßig dicht beisammen. Ich bin tatsächlich genauso alt wie Ian MacKaye und Henry Rollins. Ich war total glücklich, nicht nur im Dischord-Haus abzuhängen, sondern für kurze Zeit auch mit dieser Gruppe Punks zusammenzuleben. Anfangs, als das Haus gegründet wurde, wollte ich dort leben, hatte aber nicht die finanziellen Mittel, um für mein Zimmer zu bezahlen. Sab Grey von IRON CROSS bekam mein Zimmer in dem Haus in Virginia und ich dachte immer darüber nach, wie es wohl gewesen wäre, wenn ich einer der ursprünglichen Hausbewohner geworden wäre. Nachdem meine erste Punkrock-WG ziemlich böse endete, nahmen mich die netten Leute vom Dischord-Haus auf. Alle von uns, Ian MacKaye, Jeff Nelson, Sab Grey, Richard Moore und ich, blieben immer bis in die frühen Morgenstunden auf und guckten alte Wiederholungen von "Perry Mason" und "Private Secretary" im Fernsehen, während wir riesige Coke-Dosen tranken und Fleisch-, Bohnen- und Käse-Burritos aßen. Das war die beste Zeit! Und mit Don im Inner Ear aufzunehmen, war immer eine Freude. Er ist der coolste Techniker, mit dem ein Musiker zusammenarbeiten kann. Nach "Legless Bull", unsere allererste Dischord-Session, war die Atmosphäre allerdings sehr angespannt. Ich kann mich erinnern, wie ich, Brian Gay, John Barry und Marc Alberstadt in dumme Streitereien gerieten, nur weil wir mit dem mächtigen Ian, der uns produzierte, und Don, der aufnahm, zusammen im Studio waren. Das war, als Inner Ear noch nicht das Monster-Studio war, zu dem es jetzt geworden ist. Es war Dons Kellergeschoss mit einer Soundkabine. Tatsächlich habe ich meinen Gesang im Wasch- und Trockenraum aufgenommen. Die Aufnahmen für "Boycott Stabb" waren weitaus entspannter und auch viel spaßiger. Ians Produktion war umwerfend und Dons technische Leistung brillant. Damals im alten 9:30 Club zu spielen, war eine der coolsten Sachen der Welt, der Stagedive-Himmel! Einige meiner schönsten Erinnerungen sind auf dem Grundstück begraben, wo das Gebäude mal stand. Aber zu jener Zeit waren wir alle so in unser Ding vertieft, dass niemand einen Gedanken daran verschwendete, ob wir mal in die Punk-Geschichte eingehen würden. Ich finde es cool, dass man sich an eine Sache, an der ich glücklicherweise Anteil hatte, so ehrfurchtsvoll erinnert. Es ist nach all den Jahren schön, ein wenig Respekt zurück zu bekommen.

Und was hast du über die "Bewegung" zu sagen, die du und andere wie MINOR THREAT initiierten: Straight Edge. Ich selbst war - größtenteils auch wegen dir und MINOR THREAT - sieben Jahre lang Straight Edge. Fühlst du noch heute irgendeine Verantwortung, so zu leben oder ist das Geschichte für dich?

Ich fand nie, dass "straight" zu sein in der Punk-Szene als eine Art Bewegung gegolten hat. Ich werde oft zu "Straight Edge" befragt, aber ich habe mich selbst nie darüber definiert. Ich war auf den Shows so voll mit natürlichem Adrenalin, dass ich es mir nicht mit Drogen zerstören wollte. "Straight Edge" ist halt ein guter MINOR THREAT-Song, aber das war's dann schon. Ich glaube, die Leute haben die Bedeutung von Ians Song extrem überstrapaziert. Andererseits finde ich es auch äußerst tragisch, wenn ich von jungen, talentierten Menschen wie Heath Ledger und Brad Renfro höre, die durch Drogen gestorben sind. Ich weiß heute einen guten Drink hier und da zu schätzen, aber ich würde niemals das Trinken und den Punkrock zu GOVERNMENT ISSUE-Zeiten vermischen wollen. Ich weiß von Leuten, die bekifft oder auf Acid zu GOVERNMENT ISSUE-Shows kamen, und ich finde das wirklich verblüffend, denn unsere Gigs waren so intensiv und emotional, dass ich mir nur vorstellen kann, dass es auf Droge irgendwie noch beeindruckender gewesen sein muss.

Ich konnte euch glücklicherweise Anfang/Mitte der 80er in einem kleinen Laden namens "Oscar's Cornhusker" in Azusa, Kalifornien mit UNIFORM CHOICE sehen. Wie war damals diese Tour?

Diese Mini-Tour, für die uns Mystic Records nach Kalifornien ausgeflogen hatte, war eine Wucht! Nicht nur, weil wir mit Naomi Petersen von SST Records eine großartige Fotografin und liebenswerte Freundin dabei hatten, die uns auf den Shows ablichtete, sondern wir haben auch mit allen möglichen coolen Leuten abgehangen. Der Oberboss von Mystic Records, Doug Moody, hätte kein besserer Kumpel sein können. Ich habe diese ganzen schlimmen Geschichten über die Geschäftspraktiken von Doug und seinem Label gehört, aber zu GOVERNMENT ISSUE waren sie immer fair. Mystic arrangierten für uns eine Handvoll Gigs, einen Fahrer mit einem Winnebago-Wohnmobil, Zeit im Studio und großartiges Essen. Ich hatte auf lange Sicht keinerlei Differenzen mit dem Label. Doug unterhielt uns mit Storys über seine Zeit in der Majorlabel-Industrie.

GOVERNMENT ISSUE sind heute immer noch ziemlich bekannt. Vielleicht heute sogar mehr, als zu der Zeit, in der ihr als Band aktiv gewesen seid. Zum Beispiel in meinem Plattenladen sind viele Leute immer noch ziemlich angetan von G.I. Wieso, denkst du, ist das so? Ist es einfach nur gute Musik oder etwas, das man als "Punk" unbedingt haben muss?

Keine Ahnung, aber es erstaunt mich immer wieder, dass sich GOVERNMENT ISSUE-Anhänger selbst in entlegensten Gegenden Japans finden lassen. Diese Anerkennung ist schön, wenn man in etwas so viel Herzblut gesteckt hat, aber das war nie der Grund, um sich einer bestimmten Gruppe anzuschließen. Ich habe das immer nur für mich selbst getan, und wenn andere auch daran Gefallen finden, ist das in Ordnung. Ich denke nicht, dass die Leute GOVERNMENT ISSUE in derselben Liga ansiedeln wie die CIRCLE JERKS, RAMONES oder ADOLESCENTS. Solche Bands sind viel populärer als eine kleine Band wie GOVERNMENT ISSUE. Ich finde, dass GOVERNMENT ISSUE schon genug Tribut durch die Veröffentlichung unseres Materials durch ein Label wie Dr. Strange gezollt wurde. Das brachte die Leute dazu, mal wieder über uns nachzudenken, und das ist umwerfend. GOVERNMENT ISSUE haben sich in den 80ern die Finger blutig gespielt, also ist es toll, nach 19 Jahren ein wenig Profit daraus zu schlagen. Und wenn ich jemanden treffe, der GOVERNMENT ISSUE als eine seiner Lieblingsbands bezeichnet, dann macht mich das glücklich. Ich wollte immer eine gewisse Bedeutung für manche Leute besitzen, somit denke ich, dass ich das erreicht habe.

Wie ist deine Meinung zum Wert mancher dieser Platten? Eure "Legless Bull"-7" ist nur für ein kleines Vermögen zu bekommen. Fühlst du dich dadurch geschmeichelt oder regt es dich auf, dass jemand wirklich so viel Geld für eine Punk-Platte ausgibt?

Mich erschreckt es immer, wenn jemand für ein Stück Vinyl so viel Geld ausgibt. Ich habe gesehen, dass "Legless Bull" für fast 300 Dollar bei eBay versteigert wird und die erste MINOR THREAT-7"-Testpressung für 1.200 Dollar. Das ist verrückt! Es ärgert mich nicht, aber ich finde es lächerlich, so was zu tun. Ich habe niemals mehr als 40 Dollar für eine Platte ausgegeben, von der ich dachte, dass ich sie haben müsste. Der Sammlermarkt ist eine verrückte Welt. Du solltest Geld nur für Sachen ausgeben, die du wirklich brauchst, finde ich, vor allem wenn ich an Zeiten zurückdenke, wo ich unglaublich abgebrannt war und Sozialhilfe beziehen musste. Das heißt nicht, dass du dir und deinem Lebensgefährten keine Freude machen kannst, indem du Essen gehst, ins Kino oder zu einem Konzert. Das kannst du machen, wenn es in dein Budget passt. Meine Frau und meine zwei Katzen sind die wichtigsten Dinge in meinem Leben, nicht irgendeine Platte.

In Bands bekommen die Sänger oft die ganze Aufmerksamkeit, was ist mit den anderen Jungs wie Tom Lyle? Hast du immer noch Kontakt zu ihm?

Kann schon sein, dass der verrückte Frontmann die meiste Aufmerksamkeit bekommt, aber jemand muss die Band ja auch gut aussehen lassen, haha! Ich bin froh sagen zu können, dass Tom und ich inzwischen wieder gute Freunde sind, so wie es anfangs bei GOVERNMENT ISSUE der Fall war. Er ist ein super Typ und ein wahnsinniger Musiker! Wir hören beide ab und an mal was von Marc Alberstadt, aber er hat sich von der Musik verabschiedet. Marc ist ein netter Kerl, mit dem man abhängen und über Filme und Musik reden kann, aber er ist sehr zurückhaltend und ruhig. John "God" Barry unterrichtet an der Townshend Universität und lebt in der Gegend von Baltimore. Ich bin immer noch mit J. Robbins und Peter Moffett in Verbindung. Sie sind super Typen, wie eigentlich jeder, der mal zur Band gehört hat.

Wo sich gerade wieder viele Bands reformieren, wie etwa THE FREEZE, BAD BRAINS oder SHAM 69, wieso nicht auch ihr?

Tom und ich haben überlegt, einen Reunion-Gig im Rahmen einer Spendenaktion zugunsten von J. Robbins' unter Muskelschwund leidendem Kind zu spielen. Das hätte für uns aber viel Probezeit bedeutet, was mit Tom, der in der Gegend um New Jersey lebt und eine Tochter großzieht, Pete, der als Schlagzeugtechniker mit DASHBOARD CONFESSIONAL um die Welt reist, und J., der nach alternativen Heilmethoden für sein Kind sucht, nicht zu realisieren ist. Es gibt für uns keine vernünftige Möglichkeit, das auch nur annähernd hinzubekommen, also besser überhaupt nicht. Es wäre ein höllisch schlechter Auftritt geworden, glaub mir das, haha.

Um wie läuft es mit deiner neuen Band THE FACTORY INCIDENT?

THE FACTORY INCIDENT gab es gut fünf Jahre und jetzt sind wir damit durch. Karl Hill, der ehemalige FACTORY INCIDENT-Gitarrist, und ich haben vor, uns mit ein paar anderen Leuten zusammenzutun, um zu sehen, ob da was geht. Ich vermisse es, Mitglied einer Band zu sein, aber das Leben ist in letzter Zeit wieder ziemlich arbeitsreich geworden. Aber Mika brennt darauf, ihren verrückten Ehemann wieder auf der Bühne zu sehen, da sie wahrscheinlich mein größter Fan ist.

Und was sind deine Ziele für die Zukunft?

Meine Ziele sind recht überschaubar, zumindest hoffe ich das: Ich will mich nicht wieder verschulden, ich will meine Memoiren "The Sheer Terror Of John Stabb" fertig stellen, einen Verlag mit Mika gründen, um das Buch zu veröffentlichen, eine Lesetour à la Henry Rollins machen, noch eine Band gründen und in der Lage sein, mir ein Haus zu leisten, um ein Kind mit Mika großzuziehen.

Interview: Bill/Dr. Strange Records
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