GOOD CHARLOTTE

Foto© by Ville Juurikkala

Im Schmerz vereint

Rund zwei Jahre sind mittlerweile vergangen, seitdem GOOD CHARLOTTE mit „Youth Authority“ einen geglückten Comeback-Versuch unternommen haben. Zwei Jahre, in denen die Band fast unermüdlich unterwegs war, aber auch an neuen Songs gearbeitet hat, die nun auf „Generation RX“ ein Zuhause gefunden haben. Wir sprechen mit Gitarrist Benji Madden über die Bedeutung der Texte, die Inspiration der Musik und seine Rolle als Musiker und Produzent.

Euer neues Album hört auf den Namen „Generation RX“. Was hat es mit dem RX auf sich?

RX steht für eine ärztliche Verschreibung. Wenn man über die moderne Welt nachdenkt, wird einem schnell bewusst, dass wir alle nach Möglichkeiten suchen, um unseren Gefühlen und Schmerzen zu entkommen, und dies tun wir nur zu gerne mit Medikamenten und Drogen. Die zentralen Motive auf „Generation RX“ sind Gefühle, Schmerzen und Hoffnungen. Bevor wir angefangen haben, die Songs zu schreiben, waren wir unsicher, ob wir auch unsere Gefühle offen mit unseren Hörern teilen wollen. Da wir diese jedoch dazu ermutigen wollen, sich ihren wahren Gefühlen zu stellen und diese auch mit ihren Mitmenschen zu teilen, mussten wir natürlich das Gleiche tun.

War es schwer für euch, euer Innerstes nach außen zu kehren?
Ja, war es. Als Songschreiber kommt man aber auch an einen Punkt, an dem man es tun muss. Irgendwann bemerkt man, dass man es in der Vergangenheit nicht so oft gemacht hat, wie man geglaubt hat.

Ihr sprecht auch Themen an, die vor ein paar Jahren noch tabu waren, beispielsweise physische Erkrankungen. Glaubst du, Musik beeinflusst die Gesellschaft dahingehend, dass man offener darüber sprechen kann?
Ich glaube, dass Musik etwas verändern kann und auch oft eine Vorreiterrolle übernimmt. Egal, ob es sich jetzt um Mode oder das Bewusstsein für vermeintliche Tabuthemen wie Depressionen handelt. Das ist das Positive an Musik, sie macht Menschen Mut, ihre Gefühle zu teilen.

Im Kontrast zu den intimen Texten steht die, ich nenne es jetzt mal bombastische Musik. Wie kommt es, dass ihr eure ehrlichste Platte als großes Rock-Album aufzieht?
Die Musik ist eine Kulisse für unsere Texte. Wir sind aber auch eine Band, die sich nicht wiederholen möchte. Wir wollen immer wachsen und aus diesem Grund ist „Generation RX“ ein richtiges Rock-Album.

Aber ihr habt trotzdem bestimmte Elemente übernommen aus älteren Alben wie „The Chronicles Of Life And Death“ oder „Good Morning Revival“.
Damals wollten wir unsere Grenzen testen, was wir tun dürfen und vor allem was wir tun können. Und weil wir uns ebenda schon mit diesen Elementen auseinandergesetzt haben, klingt das neue Album auch wie eine natürliche Entwicklung. Für mich klingt es alles sehr organisch. Es ist keine Kopie von unseren alten Werken, ist sich ihrer aber bewusst.

Es steckt nicht nur sehr viel Liebe zum Detail in euren Songs, sondern auch in den dazugehörigen Musikvideos. Kannst du uns etwas über das Konzept erzählen?
„Actual pain“ ist eine Geschichte über ein Kind, das in einem Haushalt aufwächst, in dem die Eltern mit physischen Erkrankungen und Depressionen zu kämpfen haben. In dem Video wird hervorgehoben, wie verwirrend es für ein Kind ist, dies mit anzusehen, zu erleben, aber nicht zu verstehen. Und wie dies die Beziehung zu seiner Mutter nachhaltig geprägt hat. In „Shadowboxer“ geht es dann um die perfekte Fassade. Wir zeigen ein schönes Haus, einen Ort, der nach Harmonie aussieht. Doch der Schein trügt, wenn man sieht, wie sich die Menschen im Spiegel selbst betrachten, und die Dinge hört, die sie sich sagen. Unsere Gedanken werden unsere Realität und ich finde, dass wir zu streng mit uns sind, wenn wir uns im Spiegel anschauen. Die Videos sind diesmal eine Visualisierung der Texte.

Du bist nicht nur als Musiker, sondern auch als Produzent an dem Album beteiligt.
Ich bin schon länger als Produzent tätig und habe in der Vergangenheit einige Alben produziert, nur nie für meine eigene Band. Letztes Jahr habe ich an den Alben von ANTI-FLAG und WATERPARKS gearbeitet und war sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Als klar wurde, dass unsere neue Platte sehr ehrlich und persönlich werden würde, war für mich klar, dass ich es auch produzieren muss. Ich wollte niemanden an die Regler lassen, der nicht hundertprozentig sicher weiß, was wir tun können und was nicht, oder schlimmer noch, was wir tun dürfen und was nicht. Egal, ob es jetzt ein Erfolg wird oder floppt, es ist zumindest authentisch.

Ist es schwieriger, die eigene Band zu produzieren?
Das ist eine gute Frage. In diesem Fall war es leichter. Aber ich denke, dass man es nicht pauschalisieren kann. Besonders wenn du Künstler und zeitgleich Produzent bist, sollte es eigentlich schwieriger sein. Auf der einen Seite kann man zwar alles machen, was man möchte, auf der anderen Seite fehlt aber auch der Input von Leuten, die vielleicht unvoreingenommer auf das Werk gucken.

In eurem Pressetext steht, dass ihr mit „Generation RX“ das tut, was ihr am besten könnt: direkt zu den jungen Menschen sprechen. Eure Band gibt es jetzt seit über zwanzig Jahren. Ist es euer primäres Ziel, junge Leute anzusprechen?
Für junge Menschen interessieren wir uns besonders, weil die Jugend ein so wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Bestandteil unseres Lebens ist. Aber grundsätzlich wollen wir alle Menschen ansprechen, die sich mit uns beschäftigen möchten. Ich denke auch, dass wir an einem Punkt angelangt sind, an dem unsere Hörerschaft nicht nur aus Teenagern besteht. Bei GOOD CHARLOTTE sind alle Menschen willkommen, unabhängig von ihrer Art zu leben, ihrem Alter oder anderen Kriterien.

Was erhoffst du dir von dem Album und den Reaktionen der Fans?
Ich hoffe, sie fühlen sich verstanden. Mit das schönste Gefühl der Welt ist es, wenn man weiß, dass man nicht alleine ist, und jemanden zu finden, der deine Schmerzen versteht. Ich hoffe, wir erzielen eine solche Wirkung mit „Generation RX“.