In Europa gehören sie zu den größten und erfolgreichsten Metalbands der Gegenwart. Ihr Mix aus technisch versiertem Death Metal und groovigem Prog-Metal ist unverkennbar. Kaum eine Band hatte so viel Einfluss auf die Metal-Szene des 21. Jahrhunderts. Mit ihrem neuen Album „Fortitude“ liefern GOJIRA ein weiteres Argument, warum sie zur Elite ihrer Szene gehören. Sänger und Gitarrist Joe Duplantier spricht über die Entwicklung der Band, die wichtigsten Themen für GOJIRA und was die Zukunft für ihn bringen soll.
Bandgeschichte
Vor 25 Jahren gründeten sich GOJIRA, zuerst noch unter dem englischen Synonym GODZILLA, erst fünf Jahre später änderten die Franzosen den Namen in das japanische Pendant. Dass GOJIRA einmal so groß werden, folgte laut Joe einer gewissen Provokation. „Wir haben es nicht erwartet, sondern eher dafür gesorgt, dass es klappt. Es ist keine Lotterie, in der du eventuell Glück hast. Wenn wir zu viel darüber nachgedacht hätten, hätten wir das vielleicht nie hinbekommen. Was du machen musst, ist dir den Arsch abarbeiten und versuchen, alles zu geben, um die besten Songs schreiben, die du schreiben kannst, und es wird funktionieren. Garantien gibt es natürlich nicht.“ Doch alle Mitglieder hatten von Beginn an das Vertrauen und den Glauben an ihre Musik, so haben sie es geschafft. „Haben wir es gefühlt oder provoziert? Es ist ein schmaler Grat!“
Intuition
Die Art und Weise, wie GOJIRA-Songs schreiben, bezeichnet Joe als sehr organisch. „Die Musik, die wir machen, basiert auf dem, was wir gerne von uns hören wollen. Daran hat sich seit Tag eins nichts geändert. Wir spielen, was wir für richtig halten, und wenn man es so betrachtet, entsteht GOJIRA aus unserer Fantasie, die auf Intuition und Instinkt basiert.“ Einen wirklichen Plan gibt es im Songwriting dabei nicht. Das lässt der Band viel Raum für Experimente. Joe möchte nicht, dass sich alles auf die Gitarren und das Schlagzeug beschränkt. Stattdessen geht es ihm darum, den Sound von GOJIRA mit verschiedenen Elementen und exotischen Instrumenten, wie zum Beispiel der Maultrommel in „Amazonia“, zu würzen und vieles auszuprobieren.
Inspiration
Ein Grund für den Erfolg ist sicherlich der typische GOJIRA-Sound, der durch diverse Riffs und Elemente unverwechselbar geworden ist. Damit haben sie etliche andere Bands beeinflusst und inspiriert. Hin und wieder kommt es vor, dass Joe über Musik stolpert, die sich ähnlicher Elemente bedient, etwa der typischen Gitarren-Scrapes. „Es ist witzig und fühlt sich immer gut an, wenn man überlegt, welchen Einfluss wir auf die Nachwelt haben. Das ist unser Fingerprint in der Entwicklung des Heavy Metal“, sagt Joe. „Es fühlt sich für mich so an, als seien wir Teil der Musikgeschichte und das ist sehr erfreulich, denn ich glaube, jeder hat das Verlangen, etwas zur menschlichen Schöpfung beizutragen.“ Dass eine Band ein Riff mehr oder weniger geklaut hat, sei ebenfalls schon vorgekommen, doch auch das betrachtet der Gitarrist als eine Art von Tribut.
Einfluss
Auf „Fortitude“ finden sich Parts, die typisch nach GOJIRA klingen, aber auch andere die an SYSTEM OF A DOWN oder SEPULTARA erinnern. Insbesondere der deutsche Musiker Stephan Micus ist mit seinem experimentellen Ansatz eine große Inspiration für Joe. Der Sänger schämt sich auch nicht, zu diesen Einflüssen zu stehen. Wie er scherzhaft anmerkt, ist ihm auch sehr klar bewusst, dass der Song „Amazonia“ quasi ein Tribut an SEPULTURA ist. „Ich hoffe, sie verklagen uns nicht!“, scherzt Joe über den Song, der auch inhaltlich auf die brasilianische Herkunft der Metal-Giganten verweist. „Wir haben gejammt und das Mainriff mit der Maultrommel hat uns an den Amazonas erinnert. Das war zu einer Zeit, in der die Feuer im brasilianischen Regenwald wüteten. Wir fühlten uns sehr schlecht und haben uns dieser Thematik gewidmet.“
Umweltschutz
Zur Identität und Erfolgsgeschichte von GOJIRA gehört insbesondere der Aspekt des Umweltschutzes. Dass dieser noch wichtiger ist als je zuvor, ist für Joe eine Selbstverständlichkeit. „Wir wiederholen uns ständig selbst, aber die Menschheit hat ein kurzes Gedächtnis. Momentan leben wir in einer Zeit, in der alles infrage gestellt ist, sogar die Gestalt unserer Erde.“, sagt Joe. „Es ist fast, als hätten wir nichts aus der Geschichte gelernt, weil wir ihr nicht vertrauen. Es ist gut, der Geschichte nicht blind zu vertrauen, denn sie wird von den Siegern geschrieben. Wer den Krieg gewinnt, wird die Geschichtsbücher schreiben. Also gibt es immer eine ultimative Realität in der Geschichte.“ Doch mit der Klimakrise verhält es sich für den Franzosen anders. „Es gibt seit Jahren alarmierende Beweise und ein Bewusstsein für die Erderwärmung und Umweltverschmutzung. Es macht viel mehr Sinn, denn dahinter steckt sich mehr als nur Zahlen und Thesen von Wissenschaftlern. Wenn du dich umschaust und siehst, wie sich die Menschen verhalten, ohne nachzudenken, wird dir das Problem enorm schnell klar.“ Auch deshalb ist es für GOJIRA so wichtig, diese Themen laut anzusprechen.
Nachhaltige Zukunft
Der Aspekt der Nachhaltigkeit knüpft daran an und beschäftigt Joe seit Beginn der Pandemie besonders stark. „Ich denke viel darüber nach, wie man nachhaltiger touren kann“, sagt Joe. „Das ist eine enorm wichtige Frage, mit der wir uns dringend mehr auseinandersetzen müssen.“ In der Zukunft steht neben dem Release von „Fortitude“ auch eine Charity-Aktion an, die den Betroffenen der Brände im Amazonas zugute kommen soll, wie Joe erzählt. „Diese Menschen gehören zu den letzten, die noch im Einklang mit der Natur leben und ihr nicht schaden. Wir können uns von diesen Menschen sehr viel abschauen und sollten sie unterstützen.“
© by Fuze - Ausgabe #87 April/Mai 2021 und Rodney Fuchs
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