G.B.H.

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Colin Is A Punk Rocker

Wenn es jemanden gibt, den man als wahren Punk betiteln könnte, dann gehört Colin Abrahall, seines Zeichens Sänger der legendären englischen Punkband GBH aus Birmingham, mit absoluter Sicherheit dazu. Er ist seit 37 Jahren Punk, hat alle Höhen und Tiefen miterlebt. Er hat mit GBH Bands wie METALLICA, NIRVANA und SLAYER beeinflusst, aber zum eigenen großen Durchbruch hat es nie gereicht. Ein Grund dafür ist wohl ihr für ein Mainstream-Publikum schon immer zu harter, kompromissloser Stil, mit dem sie einst, als sie noch CHARGED GBH hießen, als prägende Vertreter des neuen, harten „UK 82“-Stils galten. Die drei Buchstaben GBH – sie stehen für „Grievous Bodily Harm“, also „schwere Körperverletzung“ – zieren Millionen Lederjacken auf der ganzen Welt, aber dennoch spielen sie an einem Donnerstagabend in einem kleinen Club in Ostdeutschland vor 30 Zuschauern und geben einen Scheiß darauf, wie viele Leute da sind. Sie haben Spaß auf der Bühne und spielen ihr Set genauso, als ob 3.000 anwesend wären. Trotz seines Bekanntheitsgrades und eines Erfahrungsschatzes, den kaum ein anderer besitzt, ist Colin definitiv sehr „down to earth“ geblieben – jemand, dem man gerne zuhört, denn er hat eine Menge zu erzählen.

Colin, genießt du die Zeit hier in Deutschland?

Aber ja doch, wir fühlen uns immer sehr wohl hier. Wir haben Alkohol, Rock’n’Roll und Drogen.

2010 habt ihr auf Hellcat euer neues Album „Perfume And Piss“ veröffentlicht. Was habt ihr anders gemacht als in der Vergangenheit oder seid ihr bei Altbewährtem geblieben?

Die Platte ist wirklich gut geworden und wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Aufgenommen haben wir sie in Birmingham und danach haben wir sie zu Lars Frederiksen in die USA zum Mixen geschickt. Das war das eigentlich Neue an unserer Arbeit, dass wir zum ersten Mal unsere Songs zum Mixen verschickt haben.

Ihr seid eine der wichtigsten Punkbands aller Zeiten, wie schätzt du die heutige Szene ein, wenn du sie mit der vor 20 oder 30 Jahren vergleichst?

Es ist besser als jemals zuvor! Wir haben ein neues Album gemacht und sind unterwegs auf Tour. Wir waren zweieinhalb Monate in Amerika und haben dort 48 Shows gespielt, danach sind wir für zwei Wochen nach Hause geflogen, dann ging es schon wieder los nach Japan, Neuseeland, Australien und wieder zurück nach Japan. Danach hatten wir zehn Tage frei und nun sind wir hier in Deutschland. Wir spielen ständig überall auf der Welt Konzerte, das ist einfach fantastisch. Wir lernen echt eine Menge netter Leute kennen und haben viel Spaß. Wir wissen, dass wir einfach glücklich darüber sein müssen, dass wir so etwas machen können.

Was war damals der Grund, dass du unbedingt ein Punk sein wolltest?

Als ich noch klein war, hörte ich im Radio „Sheena is a punk rocker“ von den RAMONES und das hat mein Leben verändert. Das war also Punkrock! Und dann lernte man immer mehr Bands kennen, wie die SEX PISTOLS oder THE CLASH. Jeden Tag aufs Neue spürte man: „Ja genau, das ist es, das will ich machen! Das ist genau das, was mein Herz höher schlagen lässt.“ Mittlerweile sind es über dreieinhalb Jahrzehnte, die ich damit zubringe, und Punk ist der Hauptbestandteil meines Lebens. Wenn man etwas liebt, kann man es manchmal nicht in Worte fassen. Ich kann mir nicht vorstellen, etwas anderes zu machen oder ein „normales“ Leben zu führen.

Was bedeutet Punk in der heutigen Zeit für dich?

Das ist mein Leben, und das schon seit 37 Jahren. Alles ist so gut, es gibt keine negativen Sachen, die ich damit in Verbindung bringe. Es ermöglicht mir, durch die ganze Welt zu reisen und eine Menge netter Leute zu treffen, wir betrinken uns mit ihnen und manchmal bekommen wir auch gutes Geld dafür.

Ist es noch das Gleiche, was es früher mal war?

Es ist alles viel professioneller geworden. Heute hat man Handys und Computer, und alles ist sehr gut organisiert. Früher hatte keiner ein Handy, und du wusstest manchmal nicht, wo du am nächsten Tag spielen musst. Damals haben wir von einer Tankstelle aus telefoniert und gefragt: „Hey, wo spielen wir heute Abend eigentlich?“ Heute ist es routiniert und professionell. So bleiben dir eine Menge Probleme einfach erspart.

Politik hat in vielen Punk-Songs eine wichtige Rolle gespielt. Was hat sich in 30 Jahren in dieser Hinsicht verändert?

Nichts hat sich geändert! Es sind immer noch die gleichen Probleme wie damals. Wir sind immer noch Sozialisten, tendieren also eher zu der linken Seite. Wir wollen Gleichheit. In England haben wir eine konservative Regierung, die sich nur für die reichen Leute einsetzt.

Wie ist heute dein Verhältnis zu anderen älteren Bands aus dieser Zeit, zum Beispiel zu Wattie von EXPLOITED?

Wir sind immer noch wirklich gute Freunde. 2010 waren wir zusammen mit EXPLOITED und DISCHARGE für eine kleine Tour in Japan. Wir spielen auch auf Punk-Festivals oft mit ihnen zusammen. Im Grunde sind EXPLOITED, DISCHARGE und GBH ständig irgendwo unterwegs und wir freuen uns sehr, wenn wir uns mal treffen.

Ihr habt tausende von Shows auf der ganzen Welt gespielt. An welche kannst du dich besonders erinnern?

Das kann man nicht so einfach sagen, da gab es eine Menge. Ich kann mich sehr gut an ein Konzert in Kalifornien erinnern, zusammen mit den SEX PISTOLS, es war, glaube ich, 2001. Die SEX PISTOLS waren eine der Bands, wegen denen ich überhaupt ein Punkrocker geworden bin, und jetzt spielten wir mit ihnen zusammen. Dann kann ich mich noch an ein Konzert in Belgrad erinnern, das war noch vor dem Krieg in Bosnien und Serbien, und es war wirklich schwierig, in das Land zu kommen. Wir sind in Belgrad angekommen, ungefähr eine Stunde bevor wir spielen sollten. Es waren mehr als 2.000 Leute anwesend. Es war ein wirklich sehr bewegender und emotionaler Moment, denn man konnte nicht einfach dort auftreten, es war gefährlich. Drei Monate später, ich war schon wieder zu Hause in England, habe ich im Fernsehen gesehen, wie Bomben auf Serbien fielen. Ich fragte mich, was wohl mit den Leuten passiert sei, die wir dort getroffen hatten. Ich meine, es ist sowieso schon schlimm genug, wenn Menschen sterben müssen, aber sie töteten dort meine Freunde. Eine andere unvorstellbare Show hatten wir letztes Jahr in Santiago de Chile, da waren 3.000 Leute, die abgingen wie verrückt. Jeder Einzelne hatte einen Iro oder eine andere verrückte Frisur, und das in den verschiedensten Farben. Es war das erste Mal, dass wir dort waren, und es war echt unglaublich. Nach der Show haben wir drei Stunden gebraucht, um uns um die ganzen Leute zu kümmern, die zu uns Kontakt haben wollten. Überall waren Fotografen und jeder wollte ein Foto mit uns. Es war wirklich verrückt.

Gibt es auch paar witzige Geschichten, die auf Tour passiert sind und die du mir erzählen möchtest?

Da gibt es viele ... Unser Drummer Scott betrinkt sich sehr gern nach der Show. Vor kurzem sind wir auf einer Tattoo-Convention in Paris aufgetreten mit einigen befreundeten Bands. Nach der Show saßen wir in der Lobby des Hotels bei ein paar Drinks. Auf dem Tisch stand eine Flasche Jack Daniel’s, aber nicht die normale, diese war nur halb so groß. Scott machte sie auf und nahm einen großen Schluck. Er verzog das Gesicht und meinte: „Das schmeckt sehr eigenartig. Das ist kein Jackie, das ist irgendetwas anderes!“ Er nahm trotzdem noch zwei große Schlucke, bevor er bemerkte, dass es Tätowiertinte war, die einer in eine Jack-Daniel’s-Flasche gefüllt hat. Wir gingen zu Bett und als wir am nächsten Morgen aufwachten, ging ich auf Toilette und sah, dass das WC komplett schwarz war. Scott pinkelte also schwarze Pisse. Und als wir ihn weckten, entdeckten wir, dass seine Zunge, seine Zähne, alles schwarz war. Hahaha.