GAZA STRIPPERS

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Big Daddy-O

Rick Sims ist im Ox kein Unbekannter, wurde schon in der Vergangenheit ob seiner Verdienste um den Rock’n’Roll in diesem Blatt mit Aufmerksamkeit bedacht. Die DIDJITS sind bis heute eine der großartigsten Punkbands der späten Achtziger, aber auch sträflich in Vergessenheit geraten - wie gut, dass Mr. Sims trotzdem nicht das Handtuch geworfen hat, und nach einem Gastspiel bei den SUPERSUCKERS sind seit ein paar Jahren die GAZA STRIPPERS, mit denen er jüngst im Vorprogramm der HELLACOPTERS unterwegs war sein neues Baby. Apropos Baby ...


Rick, du hast ja die Tour vorzeitig verlassen, weil du Nachwuchs erwartet hast.


Ja, Zwillinge! Jude und Sadie kamen am 22. Januar auf die Welt und ihnen geht es gut.

Und, wie gefällt es dir, Vater zu sein?

Armeen wenden taktischen Schlafentzug an Kriegsgefangenen an, und im Moment fühle ich mich ziemlich gefoltert. Allerdings lächeln die Kinder gerade, und das ist es wert. Wenn sie aber nur schreien und ihre Windeln vollscheißen, fragst du dich, warum du das gemacht hast. Mein Sohn mag GRAND FUNK RAILROAD, aber der psychedelische Sound der PRETTY THINGS war ein bisschen zu viel – er stellte den Betrieb ein und schlief ein. Ich habe den beiden ein paar neue Songs vorgespielt, an denen ich gerade schreibe, und sie fingen an zu weinen. Die Kritiker haben gesprochen!

Musiker tendieren dazu, ihre Kinder nach berühmten Musikern zu benennen. Welche bekannten Namensvettern haben denn deine Kinder?

Du kennst ja sicher ‚Sexy Sadie’ und ‚Hey Jude’. Kinder nach Bandnamen zu benennen, ist für’n Arsch. Sie sind alle schon mal verwendet worden und es ist eine mörderische Arbeit, einen Guten zu finden. Dies sind die einzigen, auf die meine Frau und ich uns einigen konnten. Mit Sid und Nancy war meine Frau nicht einverstanden.

Kinder zu haben bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Demzufolge hast du die Tour mit den HELLACOPTERS abgebrochen, um bei deiner Frau zu sein. Inwieweit wird das die Situation der Band beeinflussen?

Tja, wir werden das Touren generell ein wenig einschränken, und wir werden natürlich keine riesigen, vierwöchigen Mega-Touren mehr machen. Trotzdem werden wir diesen Sommer nach Europa kommen, für eine Zwei-Wochen-Tour in Spanien, Italien und Frankreich. Aber eigentlich müssen wir sowieso zu Hause bleiben und eine neue Platte aufnehmen. Die nächste Platte wird schockierend phantastisch. Sie wird euch mit Schrecken und Staunen erfüllen...

Wie war die Tour denn so?

Die Tour war ein großer Erfolg, abgesehen davon, dass ich nach der fünften Show nach Hause musste. Die Jungs machten dann ohne mich weiter, machten einen Bombenjob und hielten die Fackel souverän hoch. Den Berichten zufolge liebten die Massen sie. Und Nicke und Mitglieder der DATSUNS sprangen bei einigen Liedern ein, was sich wirklich spaßig anhört. Du solltest nicht vergessen, dass die GAZA STRIPPERS auch ohne mich noch besser sind als 90% der heutigen Bands, für die du Eintritt zahlst!

Was hast du in letzter Zeit neben der Band gemacht? Also nicht nur in musikalischer Hinsicht.

Natürlich beschissene Windeln gewechselt. Ein Skript für ein Theaterensemble geschrieben. Es geht um Hinterwäldler, die ein griechisches Stück spielen. Ich bin eine etwas seltsame Art von ‚Schriftsteller’. Aber es sieht so aus, als hätte ich jetzt irgendwie eine größere Daseinsberechtigung. Ich bin nicht länger nur ein Second-Hand-Rockstar. Hemingway, pass auf, du verdammter Schwanz!

“From the Desk of Dr. Freepill“ wurde auf dem italienischen Label Nicotine veröffentlicht. Wie seid ihr mit diesen Leuten zusammengekommen? Und ist das Teil in den USA wieder auf Lookout?

Alberto hat mir einfach gemailt und sagte, dass er Interesse hätte. Und als er sagte, er würde unsere Europa-Tour mit den HELLACOPTERS supporten, war der Deal perfekt. Dass die Italo-Mafia vor meiner Tür aufkreuzte, ließ seine Handelschancen ebenfalls steigen. Für Lookout war die Zeitachse zu kurz, und momentan ist die Platte in den Staaten tatsächlich nicht leicht zu kriegen. Was von meiner Seite aus in Ordnung geht, da die Staaten zur Zeit eh saugen. Fans, die das Teil aber unbedingt haben möchten, können es direkt bei mir kriegen, wenn sie mir dafür einen runterholen.

Großartiges Album übrigens. Wie immer, möchte ich sagen.

Danke. Wir wollten wirklich ein bisschen Abwechslung diesmal und ein paar neue Sachen ausprobieren. Ich weiß nicht, ob das jemand bemerkt hat, aber sogar der Titel war eine abgefahrene Wahl. Außerdem haben wir ja dieses QUEEN-Cover, mit dem wir unsere ‚gay-roots’ erkunden.

Apropos: Es gibt zwei Cover-Songs auf der neuen Platte: „ME262“ von BLUE ÖYSTER CULT und „Sheer Heart Attack“ von QUEEN. Warum diese Stücke?

Wir wollten ein Experiment machen und überprüfen, ob der alte Rock so gut ist wie der neue. Wir haben ‚ME262’ gecovert, weil es einen Spitzen-Luxus bot mit den Sound-Effekten und der 6-Minuten-Länge. Vergiss nicht, es ist alles nicht so ernst gemeint, mein Freund. Es ist so dermaßen ‚Old Rock Star’, dass wir wirklich unsere Unterhosen mit Salami ausstopften, als wir den Song aufnahmen! Wie eben schon gesagt, den QUEEN-Song haben wir gemacht, um zu sehen, ob nicht doch einer von uns schwul ist. Nein, in Wirklichkeit haben wir ihn gemacht, weil der Song wirklich verdammt gut ist und von dem Schlagzeuger geschrieben wurde. Bitte! Finde nur einen Song unter den gehypten ‚New rock’-Bands von heute, der annähernd die Feuerkraft von ‚Sheer Heart Attack’ hat, mal abgesehen von unserer alles wegblasenden Version. Aber Mark hat dazu auch noch was zu sagen...
Mark: Ich habe den QUEEN-Song eingebracht. Mike hatte ihn noch nie gehört, und Rick und Darren waren nicht unbedingt begeistert, aber als wir den Song dann bei der Probe spielten, waren sie überzeugt. Und, treten die Drums nicht ordentlich Arsch? Dachte ich mir.

Also Rock’n’Roll ist zurück, jedenfalls erzählen uns das die Mainstream-Medien und hypen Bands wie die DATSUNS, mit denen ihr auf Tour wart. Du andererseits machst diese Sache seit Jahren – möchtest du das kommentieren?

Nachdem ich die Band gegründet hatte, fragten die Leute mich andauernd, warum ich das mache, und ob ich nicht wüsste, dass Rock tot sei. Ich sagte jedem, dass Rock niemals sterben werde und zur Zeit nur ein bisschen in den Seilen hängt. Ich hatte Recht. Ich meine, schau dir diesen Typen von den VINES an – er ist dieser typische Säufer, der dieses mit sich selbst beschäftigte Klischee-Rockleben führt. Hype ist nur eins: Hype. Es ist nicht die Wahrheit. Leute in den Massenmedien wollen immer hipper als du aussehen, damit sie nicht wie die unwissenden Trottel aussehen, die sie wirklich sind. Vor ein paar Jahren erzählten sie dir, Rock ist tot, und jetzt tun die Medien so, als hätten sie Rock erfunden Das einzig Gute daran ist, dass Bands wie die DATSUNS, HIVES etc. tatsächlich talentierte Bands sind. Aber deren Erfolg basiert auf der Arbeit der GAZA STRIPPERS, HELLACOPTERS, GLUECIFER etc. Wir verdienen jeden Bruchteil des Hypes, den irgendeine ‚New rock’-Band dieser Tage bekommt. Übrigens gibt es so ein Ding wie ‚New rock’ nicht.

Sonst noch irgendwas?

Ja. Ihr könnt mich alle am Arsch lecken.