FUNERAL ORATION

Als mir William von FUNERAL ORATION vor über einem halben Jahr erzählte, seine Band werde auf ihre alten Tage tatsächlich noch in den USA auf Tour gehen, war meine erste Reaktion natürlich "Daß du mir da nicht ohne Tourtagebuch zurückkommst!". Gesagt, getan. Nach der Rückkehr kramte William sein Schuldeutsch wieder raus, setzte sich an den Computer und hackte dieses nette Artikelchen in die Tasten. Viel Spaß damit!

Joachim Hiller


Seit 1983 produzieren FUNERAL ORATION schon Tapes und Schallplatten, der absolute Höhepunkt dabei war die 'Communion'-LP von 1984 - Platte des Jahres bei KALX Radio Berkeley. Zehn Jahre später wurde das Album 'Punk Rock Nation' (CD only) bei dem DIY-Label WRF Records herausgebracht. Die Aufnahmen fanden ab jetzt im Bunt's Studio in Utrecht statt. Techniker und Producer ist seitdem Menno Bakker, der in den letzten Jahren auch z.B. Platten von NRA, SEEIN´ RED, BAMBIX, BREZHNEV produziert hat - was er auch in Zukunft machen wird. Als Louis von Hopeless Records im Herbst 1994 Amsterdam besuchte und wie üblich Unmengen von Punkplatten kaufte, hörte er zum ersten Mal FUNERAL ORATION. Er rief uns an und sagte, er sei total überrascht vom Sound und von unserer Musik und wolle eine Platte mit uns machen. Wir selbst hatten nie Werbung für unsere Musik gemacht, und es war das erste Mal, daß unsere Platten von einem größeren Label entdeckt wurden. Plötzlich wurden die neuen Platten weltweit vertrieben. Wir entdeckten erst später, daß das Vor- und Nachteile hatte.

Ein Vorteil war die USA-Tour vom 27.März bis zum 29.April 1996.

Ein Nachteil, daß wir jetzt mit der Masse mittreiben, denn es war eigentlich ganz nett, unbekannt und eine Art Kultband zu sein. Na ja, aber das ist ja typisch für diese Zeiten im Punkland. Im letzten Jahr haben wir Songs auf mindestens sechs Compilation-CDs und Promo-Platten veröffentlicht. Die erste LP 'Funeral Oration' auf Hopeless und die Promo EP 'What Is It?' (siehe Diskografie) wurden unterstützt von einer Flexi-EP im Flipside Magazine. Während der Tour kam auch die EP ,Chicago vs. Amsterdam' zusammen mit 88 FINGERS LOUIE, BOLLWEEVILS und NRA heraus. Für Oktober 1996 ist das zweite Album bei Hopeless geplant. Wir haben auch Pläne mit Nasty Vinyl für die Wiederveröffentlichung von 'Communion' und 'Shadowland' auf CD.

Die Tour durch die ganze USA startete in Los Angeles, Kalifornien. Genauer gesagt, in Riverside, Hometown von FALLING SICKNESS, unserem Support- Act während der Tour. Sie machen eine Art schnellen Punk-Ska, und zwar ziemlich chaotisch. Riverside ist auch die Stadt ihrer größten Vorbilder, VOODOO GLOW SKULLS sowie der weniger bekannten ASSORTED JELLYBEANS. Vergessen habe ich noch zu erzählen, daß wir uns drei Wochen vor der Tour noch einen neuen Trommler besorgen mußten. Erik, der auch bei YAWP! spielt, war nämlich schon nach Australien geflogen für eine Tour mit dieser Band. Kandidaten waren u.a.: Niels (ex-GEPÖPEL, VERNON WALTERS) und Marcel (ex-NITWITZ, BGK); aber als auch sie nicht mitkommen konnten, blieb uns ja noch Barend (ex-OUTLAWZ, FRITES MODERN). Nach zehnmal Proben hatten wir 18 Songs fertig und trauten uns, den Schritt nach Übersee zu machen. Wir wußten aber noch immer nicht, was uns erwartete.

Die erste Show war in Riverside am 28. März im Yo Mamma's. Das ist eine Art besetztes Haus auf einem Industriegelände außerhalb der Stadt. Hier wohnen auch die FALLING SICKNESS-Jungs. Eigentlich gibt es hier keine Konzerte während der Woche, aber weil das erste Konzert schon nicht geklappt hatte, wurde die Tour hier gestartet. Eine "Last Minute"-Show, was direkt Spaß machte. Immerhin kamen 120 Kids, und es wurde eine totale Fete - und das ohne Bier und Geld. Nachher erfuhren wir, daß das in den USA so üblich ist. Wir waren froh, daß Hopeless auch T-Shirts gemacht hatte, so daß wir damit etwas Geld verdienen konnten. Wir blieben im Saal und schliefen nicht besonders viel und gut.

Am nächsten Tag, am 29. März, stand Corona auf der Liste, das ist die Nachbarstadt. Eine große Show, außerdem ist das Showcase Theatre ausverkauft. Zusätzlich spielen auch noch HOMEGROWN und MEALTICKET. Es sind ungefähr 600 Kids da, Durchschnittsalter 15 Jahre. Die stehen schon um halb acht schon Schlange und sind Punkt Mitternacht, nachdem das Licht angeht, wieder verschwunden. Auf dem Balkon, wo das Merchandise verkauft wird, sind mindestens 40°C. Alles läuft total gut, auch die Show ist super, obwohl wir nur 10 Songs spielen können, weil nicht mehr Zeit übrig ist. Wieder eine 'All-Ages' Show, also erneut Probleme mit Alkohol. Wir schmeissen die Cassetten und CDs in den Bus und benützen die Kartons, um das Bier zu verstecken. So schleichen wir dann wieder in den Saal, als ob wir Merchandise mitnehmen.

30. März, Oceanside, Kalifornien, Tekilyaz Cantina

Klingt, als wäre es eine Bar, was es auch war. Wir haben wieder bei F.S. in Riverside geschlafen und brauchen morgens nur anderthalb Stunden, um nach Oceanside zu gelangen. Wir sind also zu früh da, und können noch am Strand spazieren gehen. Die Kneipe ist erst ab zwei Uhr geöffnet, aber wir bekommen schon vorher mit, was hier so los ist. Oceanside ist ein Marine-Stützpunkt, und die ganzen Marines sind alle schon nachmittags besoffen und dementprechend aggressiv. Überall gibt es 'Barber-Shops', wo man sich für $2 einen Kahlkopf-Einheitslook verpassen lassen kann. Auch die Sex-Shops und Waffenläden fehlen nicht. Mein Gott, was wird das heute wohl für ein Gig werden. Aber was keiner gedacht hätte, passierte dann doch. Die Show spielten wir zusammen mit THE VAGRANTS und WHITE KAPS. Die 'Marines' schienen sich auch wieder erholt zu haben und liessen sich sogar zu Statements wie "This band fucking rocks, man!" und "Funeral Oration rules o.k." hinreissen. Nachher waren alle besoffen - eigentlich vorher schon. Wir hatten noch nie soviele CDs an einem Abend verkauft. Louis von Hopeless hatte auch einen Freund aus San Diego eingeladen, also waren Pennplätze schon organisiert. Alles schnell in den Bus geladen, denn der Freund war müde und hatte es eilig. Der Typ fuhr wie ein Verrückter, und unser Fahrer Jerry (The Wizo Guy) hatte große Probleme ihm zu folgen. In der Aufregung hatte ich total vergessen, vor der Abfahrt zu pissen, und Anhalten kam die nächste halbe Stunde nicht in Frage. Ich musste mir also schnell etwas ausdenken, denn lange konnte ich es nicht mehr aushalten. Im Bus gab es eine grosse 2 Liter Plastikflasche Orangensaft, und ohne lange nachzudenken, schüttete ich den Orangensaft aus dem Fenster. Der Wind blies aber alles wieder in den Bulli hinein. Louis, der vorne saß, wurde total nass und dachte, es wäre Pisse. 'I've got piss all over me', schrie er. Was für ein Spaß. Nachher pisste ich die Flasche während der Fahrt fast voll.

Morgens am 31. März ging es ab in die Wüste, zur vierten Show in Mesa (Phoenix), Arizona, Nile Theatre. Hier hatte auch unsere Touragentur, Gone Booking, ihr Büro. Es war das erste Mal, das wir Molly Helbig begegneten. Ruft sie an (001 602 649 5542), sie organisiert auch euch Gigs. Der Veranstalter vom Nile Theatre hieß William. Ein netter Kerl, der ca. 2.500 Flugblätter für die Show verteilt hatte - leider kamen nur 54 Leute. Trotzdem war es klasse, da wir auch musikalisch immer besser wurden. Außerdem spielten wir mit total geilen Bands zusammen: THE UNWANTED GUESTS und SAM THE BUTCHER. WHITE KAPS konnten leider nicht. Als jemand aus dem Publikum Gabe, den Sänger von FALLING SICKNESS, fragte, wo WHITE KAPS seien, antwortete er: "Who cares, they're white, so they suck!" FALLING SICKNESS sind drei Mexikaner und ein Philipino... Den ganzen Abend gab es Freibier, weshalb ich nachher viele Hände schütteln mußte. Gepennt wurde in Tempe, bei Molly.

Am nächsten Tag wieder rein in die Wüste: El Paso, Texas, Club 101 war unser Ziel. Unterwegs passierte eigentlich nichts, bis auf einige Grenzbullen, die aber nur auf der Suche nach illegalen Mexikanern waren. El Paso sieht nach einer total armen Stadt aus. Nur Einwohner aus Mexico. Club 101 war, wie auch das Nile Theatre, ein ziemlich grosser Saal, ungefähr wie das Paradiso in Amsterdam. Heute spielen wir zusammen mit JERK, WELT, HORACE PINKER und AGENT ORANGE. Meiner Meinung nach eine Supershow. Wir bekamen gleich wieder ein Angebot von WELT für eine Split-EP. Hier bekamen wir zum ersten Mal frei zu essen. Nachts sollten wir gleich wieder weiter fahren, also schliefen wir im Bus.

Sechste Show, 2. April in San Antonio, Texas, DMZ.

Die Hausordnung erinnert an ein christliches Jugendzentrum, aber ein Jugendpfleger mit dem Namen Tony Chainsaw zerstört diesen Eindruck. San Antonio ist ähnlich wie El Paso eine Stadt von Loosern und Habenichtsen. Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Mexikanern, also auch die Kids, die den Gig besuchen. Mohawks füllen den Saal, und die erste Band fängt an. Es ist ANGRY RED, vier schwarze Punks, jetzt gibt es hier also verschiedene ethnische Gruppen. So sollte es eigentlich überall sein. Das Publikum kennt unseren Song 'Still in a punkband' vom Radio und singt die Lyrics mit. Verblüffend ist, wieviel Vinyl man hier noch kauft. Das gilt eigentlich für die ganzen USA. Weiterhin spielt dieser Abend auch noch THE PETURBED - das nur für die Statistik. Wir machen noch ein blödes Interview über Essen und Kochen und reisen ab. Wir sollen ja die ganze Nacht und den ganzen Tag fahren, um an unserem 'Day Off' noch in New Orleans anzukommen. 3. April off.

Siebte Show, 4. April in New Orleans, Louisiana, Faubourg Center.

Also einen extra Tag in New Orleans, einer der schönsten Städte in den USA. Die Sonne scheint, und was noch wichtiger war, die Kneipen sind rund um die Uhr geöffnet. Total geiles Essen. Schöner Stadtteil, das so genannte 'French Quarter'. Total viel Touristen, aber sehr schön. Wir wohnen zwei Tagen im Faubourg Center, eine Art von Künstler-, Hippie- und New-Age-Haus, aber die waren immerhin ganz nett. Den Gig am Donnerstag spielen wir zusammen mit NUMBER 4, behaltet den Namen, denn die waren super. All-ages-Show, also alles Jugendliche und natürlich wieder kein Bier im Saal. Der Eigentümer hatte seinen Kühlschrank runter geschleppt und versuchte verzweifelt Fruchtsäfte zu verkaufen, aber das hatte keinen Zweck, denn Amerikaner sind fürchterlich geizig, eigentlich so wie Holländer. Für Gigs in New Orleans gibt's Devil Dolls Productions von Deborah, Telefon 001 504 283 4611.

Achte und neunte Show, 5. April in Pensacola, Florida.

Erst nachmittags in Colten's Garage in Gulf Breeze, einer Nachbarstadt von Pensacola am Golf von Mexiko. Gulf Breeze besteht nur aus grossen Villen und verwöhnten Kids. Colten ist auch so ein Kid und der Gig ist in der Garage seiner Eltern.Total grosses Haus, Schwimmbad, alles dabei. Sowas gibt's doch gar nicht. Hier erscheinen dann doch noch 20 Kids, aber die sind alle gelangweilt, so kann man nichts damit anfangen. Colten selber haut auch noch vorher ab zu einem FUGAZI-Gig in einem anderen Staat. Also gleich ab zum zweiten Gig in Pensacola, Handle Bar. Endlich wieder eine normalen Bar mit Bier und Pizza. Eine total andere Atmosphäre, denn die Stammgäste hier sind Landstreicher und 'Gutterpunks', Hunde und Biker, Faschos und Alkoholiker. Es könnte aus einem Spielfilm sein. Es wird eine große Fete,und nachher bekommen noch einige Besucher einen Mohawk rasiert, also ab mit den langen Haaren.

Zehnte Show, 6. April in Gainesville, Florida, Covered Dish.

Total nette Typen, absolut der beste Saal von Florida. Viele Studenten, von denen ungefähr 400 erscheinen. Viel zu viel Bier gesoffen. LESS THAN JAKE spielt auch. Es ist die einheimische Ska-Legende. Ich hoffe ,sie kommen mal nach Europa. Hier bekommen wir auch zum ersten Mal den vorher garantierten Betrag von 200 Dollar pro Band. Pennplätze gab es in der Universität. Morgens früh wurden wir aber wieder rausgeschmissen. Die Fahrt ist heute nicht so lang und deshalb sind wir viel zu früh da. Es wird jetzt total heiss.

Elfte Show, 7. April in Jacksonville, Florida, J Gordy's Cafe.

Die ganzen Tag am Atlantik spazierengehen und in der Kneipe Pool spielen. Der Boulevard war voll mit stereotypen Bullen mit Spiegelsonnenbrillen. Abends passiert die erste Schlägerei der Tour, aber nachher wird es ein total gutes Konzert, mit ungefähr 20_Besuchern, die noch geblieben sind. Außer uns spielen noch CARDS IN SPOKES, die auf John Yates´ Label Allied Recordings aus San Francisco sind. Die CARDS IN SPOKES sind aus Jacksonville, und so werden wir hier bei der Band untergebracht. Morgens fahren wir dann weiter Richtung Norden, während die Cards für einen Gig nach Texas fahren: ungefähr 1000 km für keine fest vereinbarte Gage. Wir haben das früher auch immer so gemacht: erst spielen und dann abwarten, was es bringt.

Zwölfte Show, 8. April in Augusta, Georgia, Capri Cinema.

Augusta ist eine armselige Stadt mit leeren Fabriken und verlassenenen Häusern. Also Platz genug, um Gigs zu organisieren. Ex-Knastbruder Crazy Johnny ist hier in Augusta Punk-Promoter Nr. 1. Alle Looser und aller Abschaum wohnen oder schlafen bei ihm. Auf Holländisch würden wir sagen: er spurt nicht, aber er war total gut für die Bands. Ruf ihm mal an für Gigs: 001 706 736 4426. Heute werden auch die britischen CONFLICT, THE PIST, LOCAL H und TIMEBOMB 77 noch erwartet. Leider erscheinen die erste beiden Ba-nds nicht. Angeblich hat einer von CONFLICT ein Mädchen vergewaltigt und war aus den USA ausgewiesen worden. THE PIST kamen aus anderen Gründen nicht. Kein Problem, denn es gab Unmengen von Punks hier, also ein gutes Konzert wurde es sowieso. Nachts hinter Crazy Johnny hergefahren, denn wir konnten in seinem Haus pennen. Als wir da ankamen wollten die meisten im Bus schlafen, denn das Haus war voller Kakerlaken. Ich war zu spät, der Bus war besetzt, also mußte ich die ganze Nacht wach bleiben.

09. April Reisetag. Dreizehnte Show, 10. April in New York, New York, CBGB's.

Der Gig war in letzter Minute organisiert worden, weil die Show in Wilmington, North Carolina ausgefallen war. CBGB's ist leider kein Punkrock-Saal so wie ich mir das vorgestellt hatte. Es ist heute nur noch eine normale Kneipe, wo jeden Abend sechs Bands spielen, überwiegend Pop-Bands. Es gab immerhin noch 60 Dollar und wir haben das East Village besuchen können. Nachts sind wir gleich wieder aus der Stadt heraus gefahren und haben uns ein Motel gesucht. Ein Zimmer bezahlt für zwei Personen und dann immer heimlich mit 12 Personen auf dem Zimmer TV glotzen und natürlich duschen.

Vierzehnte Show, 11. April in Allentown, Pennsylvania, A.F.C.S.H.

Allentown liegt nicht weit westlich von New York. Es ist eine Festhalle von der örtlichen Feuerwehr. Neben uns spielten auch noch DIGGER. Die sind genial, melodisch, laut und sehr eindrucksvoll. Wir haben Louis von Hopeless darauf hingewiesen, und zu dem Zeitpunkt, zu dem ich das hier schreibe, haben die für Hopeless Records schon Songs aufgenommen. Endlich interessante 'Labelmates'. Also behaltet auch diesen Namen. Nachts gleich wieder abgefahren, denn wir hatten ungefähr 11 Stunden Fahrt vor uns.

Fünfzehnte Show, 12. April in Marshall, Michigan, B.E. Henry Building.

Die kommenden drei Shows waren extra für uns von den BOLLWEEVILS aus Chicago organisiert worden, den ersten seriösen und intelligenten Amerikaner die wir auf derTour getroffen haben. Das ist natürlich übertrieben, aber ich war wirklich beeindruckt, was die alles für uns gemacht hatten. Und auch jetzt, nach der Tour, haben wir noch immer Kontakt. Ich hoffe, die haben auch mal Zeit und Lust, nach Europa zu kommen. Nach einer ganzen Nacht Fahrt kommen wir morgens schon in Marshall an. Erstmal wieder frühstücken mit Kaffee und Pfannkuchen. Marshall ist ein total kleiner Ort, und es gab nur eine Möglichkeit zu essen. So gab es auch nur ein Hotel mit Kneipe: 'The Stagecoach Inn' , das unten im Keller auch einen Plattenladen hat. The B.E. Henry war eine öffentliche Festhalle und wieder mal fragten wir uns, wo denn die Kids beim Konzert herkamen. Die Halle war abends total voll. Natürlich spielten auch die BOLLWEEVILS und LESC aus Marshall neben uns und FALLING SICKNESS. Nachts schlafen wir umsonst im Hotel und obendrein bekommen wir auch noch Frühstück. Wenn ihr mal nach Michigan reist, besucht doch mal Marshall und das 'Stagecoach Inn'. Der Wirt heisst Jeff.

Sechzehnte Show, 13. April in Chicago, Illinois, Fire Side Bowl.

Die Fire Side Bowl ist die bekannteste Punkrock-Halle von Chicago. Es ist eine alte Kegelbahn aus den fünfziger Jahren, wirklich ein toller Laden. Wir spielen wieder zusammen mit THE BOLLWEEVILS und GUZZARD. Es sind 600 Kids da, die Bude ist ziemlich voll, und es wird eine feine Aufführung. Wir spielen immer besser und auch für Hopeless sieht es hoffnungsvoll aus. Was mir noch aufgefallen ist, ist daß die Großstädte in den USA grosse, traurige und graue Viertel haben, speziell wo wir gespielt haben. Nur in Kalifornien gibt es sowas nicht. Das ist es wohl auch, warum ich Kalifornien nicht mag... Pennen tun wir bei Bob Bollweevil. Ein grosses Frühstück wird uns zuteil.

Siebzehnte Show, 14. April in Green Bay, Wisconsin, Concert Café.

Green Bay ist wirklich ein Ort in einem entlegenen Winkel. Als wir in die Stadt hineinfahren, sind die Strassen total verlassen. Klar, es ist Sonntagnachmittag, aber es sieht wirklich nicht sehr lebendig aus. Beim Konzert, in einer Art Jugendclub, kommen auch ziemlich viel Familien mit kleinen Kindern. Eine sehr gemütliche Atmosphäre also. Noch zwei örtliche Bands spielten nämlich, SLURR und die HORSHACKS. Es erscheinen 50 Besucher, und das ist für einen Ort wie Green Bay an einem Sonntag ziemlich gut. Heute ist auch wieder Abschied von den BOLLWEEVILS. Das fällt uns ziemlich schwer. Gruppenphotos werden gemacht, Adressen getauscht. Wieder sollen wir gleich abfahren. Aber Nachts fängt es an zu schneien, es wird zu gefährlich weiterzureisen, und so suchen wir uns ein Motel.

Achtzehnte Show, 15. April in Minneapolis, Minnesota, The Bomb Shelter.

Ich denke, es war der kleinste Saal der Tour. Und an diesem Montagabend kommen 20 Besucher. Wieder sind da einige, die 15 Stunden gefahren sind,um uns zu sehen, weil sie uns noch von 1986, als sie die 'I've Got An Attitude Problem' EP gekauft haben (siehe Diskografie), kennen. The Bomb Shelter befindet sich in einem Keller in einem leeren Gebäude. Eigentlich ist alles leer in dieser Gegend. Die Städte sind sich ziemlich ähnlich, so wie z.B. Chicago oder Augusta. Abends nach 8 Uhr gibt es totales Alkoholverbot in der Stadt. Wir spielen zusammen mit THE KUNG FOOLS aus Minneapolis (BUZZCOCKS-Covers) und nachher pennen wir bei Bill, dem Promoter. Er trinkt nicht, aber wir zwingen ihn, uns erst zu einer Kneipe zu bringen, bevor wir schlafen gehen. Nachts kocht Barend (Schlagzeug) noch eine Mahlzeit für die ganze Mannschaft.

Neunzehnte Show, 16. April in Waterloo, Iowa.

Den Namen der Halle habe ich vergessen, aber es war wirklich das andere Extrem von Minneapolis. Die Halle war wirklich so gross wie eine Sporthalle (Kapazität 3.000). Die P.A. und Lichtanlage würde auch für Gewehre und Rosen zu gross sein. Die Promoter ist ein 'Country & Western-Typ' und will nur Geld verdienen. Aber mit uns hat er sich wohl verschätzt. Später kommen dann aber doch noch 142 Schüler zum Gig. Das Eintrittsgeld verschwindet zum P.A.-Vermieter und Miete für die Halle muß auch noch berappt werden. Ausserdem geht noch Geld zu zwei 'Rent-A-Pigs' die den ganzen Abend Anti-Alkohol Kontrole gemacht haben. Nachher verabschiedet der Promoter sich, aber bezahlen tut er nix. Totaler 'Rip-Off' also. Ja, das ist Amerika. Die Bands müssen immer abwarten, ob es was bringt.

17. April Reisetag. Zwanzigste Show, 18. April in Colorado Springs, Colorado, The Clubhouse.

Hometown von einer anderen neuen Hopeless Band: NOBODYS. Louis und Darren von Hopeless Records kommen nach C.S., weil die nächsten drei Shows von Hopeless und Nobodys organisiert sind. Nach 18 Stunden Fahrt kommen wir nachmittags schon in C.S. an. Hier ist wieder tropisches Wetter. Wir logieren bei den Idioten von NOBODYS. The Show ist in ein grosses Zentrum für Musik, oben sind Bars und Pooltables. Diese drei Shows spielen auch noch VIOLENT NINE aus C.S. Musikalisch nicht interessant, aber sehr nette Jungs. In Colorado Springs ist Eric der Promoter. Er leitet die Bude und macht auch noch den Sound. Er macht für uns auch noch eine BBQ-Party und hat uns extra noch eine Flasche Whiskey gekauft. Auch pennen wir bei ihm. Jetzt fangen eigentlich auch drei schlechte Tagen an, denn jetzt sind wir mit einer riesigen Gruppe zusammen und müssen immer lange warten und können nicht einfach machen, was wir wollen. Es zeigt sich jetzt auch, daß wir uns schlecht mit den meisten Amerikanern verstehen. Denn viele 'Punkrocker' die wir getroffen haben, reden nur Unsinn und sind nicht sehr klug. Aber vielleicht ist das auch nur holländische Wichtigtuerei. Die Konzerte von uns sind auf jeden Fall sehr erfolgreich, d.h. die meisten Kids kannten uns schon von die Platten und tanzten immer wie die Verrückten. Das machte die ganze Sache natürlich wieder positiv.

Einundzwanzigste Show, 19. April in Denver, Colorado, The Raven.

Eine alte Diskothek aus den siebziger Jahren. Peter hat sich noch verirrt in den eintönigen Strassen. Alles sieht hier ähnlich aus. Auch hier wieder voller Saal. Total viel junge Kids.

Zweiundzwanzigste Show, 20. April in Casper, Wyoming, Club Dance West.

Ja, ja das sollte natürlich auch noch pasieren, ein Gig in einer 'Square-Dance' Tanzschule. Das ist auch das einzige Vergnügen, was die hier haben. In der besten Kneipe der Stadt finden wir nur einen Besucher. Eine total desolate 0-Stadt. Nur Jude und Clair vom örtlichen Plattenladen Sonic Rainbow konnte es nichts anhaben (Adresse: 140 S. Center Street, Casper, Wyoming 82601). Schreibt denen mal, damit die sich nicht vor Frust und Langeweile umbringen. Nachts gab es noch Krawalle vor der Tanzschule. Unmengen von bösen Polizisten kamen vorbei. Wir haben fast nichts davon gemerkt, drinnen war es total voll. Ich versteh es noch immer nicht, wo die Cops immer so schnell herkommen. Tagsüber verstecken die sich wohl irgendwie.

Dreiundzwanzigste Show, 21. April in Cheyenne, Wyoming, G.I. Forum.

Hier lebt Adam (16 Jahre) mit seinen Eltern und dem Brüderchen. Es war unglaublich: Seine Mutter hatte soviel zu essen gekocht, wir haben gleich für drei Tage gegessen. Vati hat mitgeholfen, die Halle einzurichten (Stühle, Aschenbecher, Lichtanlage, Gesangsanlage, Sprudelversorgung, usw.) Die haben alles selber gemacht und die ganze Familie hat mitgemacht. In ihrem Haus schliefen drei Bands. Ich denke, Adam wurde ein bißchen verwöhnt. Adam hatte auch THE FACET und WAFFLE STOMPER noch eingeladen. WAFFLE STOMPER ist geil, eine Art SUPERCHUNK, aber besser. Platten via Hair Hurt Records, P.O. Box 201, Redmond, Washington 98073. Total gutes Konzert.

Vierundzwanzigste Show, 22. April in Rexburg, Idaho, Craig O's Pizza.

Eine Pizzeria, endlich gratis Essen. Alles Studenten hier, 80 Prozent Frauen. Das Lokal war mittags schon voll. Nur der Promoter war verschwunden und es spielten schon andere Bands diesen Abend. Keiner wusste, daß wir auch gebucht waren, aber das war kein Problem. Je größer die Gesellschaft, desto größer das Vergnügen. Der Promoter war ein irrer Typ, denn er war zu alt, hieß es. 'Der ist schon 34 Jahre' wurde gesagt. Ich bin 32, sagte ich, ......und die Fete konnte anfangen. Insgesamt haben, glaube ich, 8 Bands gespielt, aber alle Namen habe ich nicht aufgeschrieben. Der Beste war Gravy, der Eigentümer. Er wollte uns noch unterbringen, Benzingeld bezahlen, füttern, gab uns noch ein Stapel T-Shirts seines Geschäfts. Aber später wußte ich warum, denn er wollte rauchen, und wir waren aus Amsterdam, jawohl. Aber trotzdem ein netter Kerl. No big deal, dude!

23. April Reisetag. Fünfundzwanzigste Show, 24. April in Vancouver, British Columbia, Canada, The Hungry Eye.

Ja, Kanada, das wurde nichts. Wir waren schon vorbereitet. Über die Grenze ist total schwer rüber zu kommen. Zu DDR-Zeiten nackt in der Friedrichstrasse über die Grenze nach Ost-Berlin zu kommen war einfacher. Die 'Backline' hatten wir schon in Seattle hinter gelassen. An der Grenze wurden wir separat genommen und richtig verhört. Aber die durften nicht wissen, daß wir eine Band waren. Doch Holländer sind Angsthasen, und lange hielten wir das Theater nicht aus. Auch der Bus wurde richtig durchsucht. Na ja, leider, es klappte nicht. FALLING SICKNESS kamen auch nicht rüber. Zwei hatten Knastausweise, und damit kann man nicht reisen.

Sechsundzwanzigste Show, 25. April in Seattle, Washington, Pioneer Square Theater.

Hier gab es ein großes Festival. Mohawks und Chaoten aus Washington und Oregon versammelten sich in Seattle. Das Publikum war wirklich wie aus einem Dokumentarfilm von 1977. Hier haben wir die meisten 'Shots' für unseren zweiten Videoclip gemacht. DISCHARGE-ähnliche Bands waren auch da, wie DEFIANCE, THE BLOODCLOTS, THE UNABOMBERS und die 7 SECONDS-Clonen D.B.S. aus Vancouver.

Siebenundzwanzigste Show, 26. April in Eugene, Oregon, Icky's.

Von 1977 nach 1968. Alte Volkswagen-Busse all over the place. Alles Hippies hier und natürlich 28 Sorten Tee. In dem ganzen Viertel ist die Zeit stehengeblieben. Absoluter Knaller des Abends waren THE READYMEN, ein Ska-Quartett aus Eugene. Kontakt: Mr. White Records, P.O. Box 24377, Milwaukee, Wisconsin 53224.

Achtundzwanzigste Show, 27. April in Berkeley, California, Gilman Street.

Ein von Freiwilligen betriebener Jugendclub. Ich hatte das Gefühl, daß es hier wirklich eine DIY-Attitüde gab. Kann ja auch nicht anders sein in der Stadt von MAXIMUMROCKNROLL, CRIMPSHRINE, OPERATION IVY usw.

Finale Show, 28. April in Van Nuys, California, Hopeless Garden Party.

Auf amerikanische Weise Abschied nehmen. Am letzten Abend noch ein Fass Bier getrunken. Alle Bands hatten Delegierte geschickt: NOFX, GUTTERMOUTH, JUGHEADS REVENGE, GRABBERS, WHITE KAPS etc. Obwohl wir sturzbesoffen waren, haben wir noch anderhalb Stunde gespielt, und alles wurde aufgenommen.

Leider habe ich diesen letzten Tagen nichts mehr geschrieben, denn ich hatte es satt. Fast fünf Wochen nur Bier trinken und im Bus schlafen. Aber ich würde es jeder Band empfehlen. Wir fahren vielleicht nächstes Jahr wieder, aber dann nur zwei Wochen. Bah, jetzt erstmal frische Unterhose anziehen und schnell nach Hause, das war das einzige was ich zum Schluß noch dachte. Wir sind gut angekommen in Amsterdam, aber mit Kopfschmerzen.

Tschüss,
William, Funeral Oration