Bands müssen immer am Puls der Zeit sein, nicht nur was ihr künstlerisches Schaffen betrifft. Seit Streaming und Playlisten das Ding sind und ein ganzes Album für den Konsumenten nicht mehr relevant ist, besteht die Herausforderung darin, die Aufmerksamkeit eben wieder darauf zu lenken. FOXING aus St. Louis, Missouri haben sich nun für ihr viertes Werk „Draw Down The Moon“ etwas einfallen lassen. Zunächst gilt es aber, mit Frontmann und Sänger Conor Murphy noch grundsätzlichere Fragen zu klären.
Sind FOXING jetzt eine Dance-Band?
Also was uns betrifft, wir waren schon immer eine Band, zu der man tanzen kann, es hat nur niemand getanzt. Im Ernst, als wir unser letztes Album „Nearer My God“ gemacht haben, dachten wir schon, dass es sich um ziemlich tanzbares Zeug handelt. Auf „Draw Down The Moon“ verfolgen wir diesen Ansatz nun noch konsequenter, auch wenn wir immer noch nicht damit rechnen, dass unsere Shows Tanzveranstaltungen werden – auch wenn das für mich eine wundervolle Vorstellung ist.
Eigentlich war die Frage nur provozierend gemeint. Denn tatsächlich ist „Draw Down The Moon“ nicht nur tanzbarer, sondern allgemein deutlich vielseitiger als frühere Releases.
Es war definitiv unser Plan, etwas Eklektisches zu erschaffen, bei dem man nichts über das Werk in seiner Gänze sagen kann, wenn man nur einen Teil davon kennt. Für mich persönlich strömen solche Alben immer viel mehr Faszination aus als Platten, die man von vornherein durchschaut. Man muss sich gezwungenermaßen mit der größeren Idee auseinandersetzen und wenn man jemandem davon erzählt, kann man nur sagen: Du musst dir das einfach ganz anhören.“
Mutig, 2021 ein Album zu veröffentlichen, das man eigentlich komplett erleben muss.
Unsere Musikkultur ist definitiv an dem Punkt angelangt, der am weitesten davon entfernt ist, albumorientiert zu sein. Es gab noch nie so wenig Respekt gegenüber einem kompletten Werk, weil sich alles nur noch um Singles, Singles, Singles dreht. Auch wir veröffentlichen gut die Hälfte unserer Platte vorab, zeigen damit aber gleichzeitig auch den Mittelfinger, indem wir sagen: Okay, ihr wollt eine Single? Hier sind fünf komplett unterschiedliche Tracks. Meine Hoffnung dabei ist, dass Leute sich das anhören und den Drang verspüren, die komplette Platte zu hören, um dieses vermeintliche Durcheinander – also den Kontext der Songs zueinander – irgendwie einordnen zu können. Wir haben viel Arbeit investiert, um das Album sehr vielseitig zu gestalten, aber genauso viel Arbeit, dass es im Ganzen auch wieder aufgeht.
In den USA könnt ihr wahrscheinlich schon mehr Leute mobilisieren, das gesamte Album zu hören, als in Europa.
Unsere Trips nach Europa waren bisher eher aufreibend für uns, da wir bei euch schätzungsweise fünf Jahre hinter dem zurück sind, was wir uns in den USA aufgebaut haben. Im Prinzip ist das normal, aber trotzdem bin ich jedes Mal unzufrieden heimgekehrt, denn auch wenn die Shows großartig waren, kamen bisher einfach sehr wenige Leute. So gerne wie ich die Reisen nach Europa auch mal als gelegentliche Urlaubstrips betrachte, ist das Ziel natürlich, bei euch genauso regelmäßig auf Tour sein zu können, wie wir es zu Hause sind.
Inwiefern wird euer neugegründetes eigenes Label Grand Paradise bei diesem Vorhaben helfen?
Als wir als Band gestartet sind, war der Plan, die Sache so weit wie möglich zu treiben und zum Beispiel von einem Majorlabel gesignt zu werden. In den letzten drei oder vier Jahren unseres zehnjährigen Bestehens hat sich die Perspektive aber geändert: Es geht uns mittlerweile viel mehr um Autonomie und darum, die Kontrolle über unser eigenes Werk zu bewahren. Wir möchten sowohl die Entstehung unserer Musik selbst in der Hand haben als auch die Rechte daran behalten. Letztendlich möchten wir einfach wir selbst bleiben. Was den Vertrieb und die Finanzen betrifft, stoßen wir aber immer noch an unsere Grenzen. Ich will ehrlich sein, wir machen sehr teure Platten. Es ist nicht billig, weil wir hohe Ansprüche haben, haha. Bei dem neuen Album hat sich die großartige Chance ergeben, dass uns Hopeless Records ihre Unterstützung angeboten haben. Sie helfen uns, während wir aber alle Rechte an der Musik behalten. So können wir tun, was wir für richtig halten, und beobachten, wie weit wir mit Grand Paradise kommen. Wenn junge Bands anfangen – und dazu zähle ich uns definitiv –, glauben sie oft, dass sie nur von einem großen Label gesignt werden müssen und dann kommt der Erfolg von ganz allein. Dieser Sicht der Dinge sind wir mittlerweile entwachsen. Es ist uns nicht mehr wichtig, einen Grammy zu gewinnen oder bei „Saturday Night Live“ aufzutreten. Dafür wissen wir viel zu sehr zu schätzen, was und vor allem wen wir bereits erreicht haben.
Vom Titeltrack von „Nearer My God“ habt ihr vor zwei Jahren einige Versionen in unterschiedlichen Sprachen aufgenommen, auch eine deutsche. Nun landete euer Song „Go down together“ kürzlich in der Spotify-Playlist des erfolgreichsten deutschen Podcasts „Fest & Flauschig“. Wahrscheinlich hat letzteres euch in Deutschland zu mehr Aufmerksamkeit verholfen als die langwierig geplante Aktion von 2018. Ist es mitunter nicht auch frustrierend, wenn einem klar wird, dass man seine Karriere nur so wenig in der Hand hat?
Es ist frustrierend, gleichzeitig aber auch erleuchtend und wirklich das beste Beispiel dafür, was ich eben erklärt habe. Der Ansatz, einen Song in fünf verschiedenen Sprachen aufzunehmen, war damals natürlich in erster Linie ein künstlerischer. Als Inspiration dazu diente Céline Dion, die so etwas schon mehrfach gemacht hat. Und auch deutsche Künstler haben ihre Songs ja schon auf Englisch aufgenommen, weil Amerikaner sich weigern, Musik in einer anderen Sprache zu hören. Nun war uns recht klar, dass der Song weder in Deutschland noch in Japan ein großer Hit werden würde. Der vermeintliche Erfolg darf nicht der Grund dafür sein, warum man etwas tut. Auf den Influencer, der daherkommt und einen berühmt macht, darf man ebenso wenig warten, das ist ebenfalls nicht planbar. Also konzentrieren wir uns doch lieber auf das, was wir haben und das unmittelbar in unserer Macht steht.
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