FOUR YEAR STRONG

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Der unbändige Wille zur ständigen Neuerfindung

Auch nach 23 Jahren Bandgeschichte strotzt das neue Werk geradezu vor neuen Ideen, abwechslungsreichen Sounds und permanent spürbarer songwriterischer Reife, wie man sie im Pop-Punk-plus-Kosmos nicht allzu häufig antrifft. Wir unterhalten uns mit dem bärtigen Frontduo Dan O’Connor und Alan Day über vergangene Albernheiten, Majorlabel-Fehltritte und die allgemeine musikalische Entwicklung der Band aus Massachusetts.

Analysis/Paralysis“ ist auf den ersten Blick nicht das Album, das langjährige Fans von euch erwartet hätten. Wie geht ihr mit der Erwartungshaltung in so einem Fall um?

Dan: Ich glaube, unsere Fans sind auch ein Stück weit mit uns gewachsen. Unsere Entwicklung als Songschreiber können wir uns nicht verkneifen und natürlich mögen wir heute andere Dinge als noch vor 15 Jahren. Wir müssen uns eingestehen, dass wir erst seit einiger Zeit aus einem zu engen Korsett ausgebrochen sind und eine gewisse „Anything goes“-Mentalität an den Tag legen.
Alan: Wir haben zu lange das getan, was man von uns erwartet hat, anstatt auf unser Bauchgefühl zu hören und uns selbst zu verwirklichen. Das heißt allerdings nicht, dass auf „Analysis/Paralysis“ jetzt alles anders ist. Ich denke, es ist definitiv ein FOUR YEAR STRONG-Album. Nur eben komplexer, mit mehr Tiefe und auch mit vielen für uns als Band neuen Sounds und Ideen. Du wirst niemals jeden abholen und somit auch niemals die Erwartungshaltung aller zufriedenstellen können. Das Feedback auf die neuen Songs war aber durchweg positiv, also denke ich, wir haben irgendetwas richtig gemacht.

Also gab es in der Vergangenheit auch Fehltritte aufgrund des Drangs, es allen recht zu machen?
Dan: Definitiv. „In Some Way, Shape, Or Form“ war unser Majorlabel-Debüt und in der Nachbetrachtung ein großer Fehler, keiner mochte das Album und das hätte uns als Band fast gekillt. Wir waren zur falschen Zeit am falschen Ort und haben zusätzlich noch auf die falschen Leute gehört. Auf Leute, die nicht verstanden haben, was FOUR YEAR STRONG ausmacht. Wir haben uns gefangen gefühlt. Die Erwartungshaltung der Leute erzeugte eine Menge Druck und so hatten wir uns dazu entschieden, alles über Bord zu werfen und etwas komplett anderes zu machen, als wir es vorher getan haben. Das hat damals aber nicht funktioniert. Aber das gehört im Endeffekt auch einfach mit zu einer Entwicklung – Fehler machen, aufstehen, abhaken, weitermachen und diese Fehler in der Zukunft möglichst zu vermeiden versuchen.
Alan: Man muss allerdings auch sagen, wir wären nicht die Menschen und nicht die Musiker, die wie heute sind, wenn wir diese Erfahrungen, in all den Jahren, nicht gemacht hätten. Wir wissen heute, zum Glück, ganz genau, was wir wollen und was wir eben nicht wollen. Was wir können und was wir nicht können. Das ist sehr wichtig und hält den Laden auch nach so vielen Jahren noch am Laufen.

Mit eurem letzten Album „Brain Pain“ hatte bereits eine Änderung im Sound eingesetzt, was nun auf „Analysis/Paralysis“ konsequent weitergeführt wurde. Welche Einflüsse wirken am stärksten auf die neuen Songs?
Dan: Zu allererst sind wir einmal Musikfans, Fans so vieler verschiedener Genres und Sounds, dass man gar nicht alle aufzählen kann. Somit gibt es auch verdammt viele Einflüsse, die einen direkten Effekt auf unser Songwriting haben. Die Freiheit, schreiben zu können, worauf man Lust hat, ist eben unglaublich befreiend. Am Ende des Tages wirst du unsere Stücke immer als FOUR YEAR STRONG-Songs wahrnehmen und auch erkennen können. Das hat ja auch viel mit unseren Stimmen zum Beispiel zu tun. Aber wir sind offener geworden, neue Elemente zuzulassen und nach Inspirationen außerhalb ausgetretener Pfade zu suchen.
Alan: Ich glaube, wenn du dich nicht mehr weiterentwickelst, kannst du es auch sein lassen. Es gibt viele Bands, die nur noch Fanservice betreiben und im Endeffekt den immer gleichen Song neu auflegen und ihn nur anders nennen. Das wollen und können wir nicht. Auch auf die Gefahr hin, dass Fans der ersten Stunde die neuen Songs vielleicht nicht mögen. Wir müssen uns ausleben und neue Dinge ausprobieren. Es geht auch immer darum, die Leute zu überraschen. Dinge zu tun, die uns keiner zugetraut hätte.

Seid ihr nun ernsthafter geworden? FOUR YEAR STRONG haben sich immer durch eine besondere Art von Humor ausgezeichnet. Ist der durch den gereiften kreativen Ansatz verschwunden?
Alan: Du kannst mir glauben, das wird niemals passieren. Auch wenn wir uns weiterentwickeln und neue Dinge ausprobieren, sind wir noch immer die, die wir sind. Wir lieben schlechte Witze und Wortspiele. Wir sind aber dadurch als Menschen nicht weniger komplex. Jeder hat seine eigene Art, wie er mit den Geschehnissen in der Welt und den alltäglichen kleinen und großen Problemen umgeht. Ich glaube auch, dass das Ganze etwas komplexer ist, als man es auf den ersten Blick hin wahrnimmt. Wir verpacken oft schwierige Themen mit einem Augenzwinkern, nenn es eine Coping-Strategie, wenn du willst. Man sollte dies aber niemals als Albernheiten missverstehen. Auch wenn das Leben manchmal noch so beschissen ist, hilft ein Lächeln oft weiter.

Ihr habt erneut mit Will Putney von FIT FOR AN AUTOPSY zusammengearbeitet. Er hat „Analysis/Paralysis“ produziert. Welchen Einfluss hatte er auf das Album?
Dan: Will ist seit vielen Jahren ein enger Freund von uns und wir hatten bereits „Brain Pain“ zusammen gemacht. Er ist ein überragender Typ und Musiker und bringt uns wirklich weiter. Er versteht sehr genau, was für ein Typ Musiker und Songwriter wir bei FOUR YEAR STRONG sind. Unser Verhältnis zueinander hilft wirklich, ein Album besser zu machen.
Alan: Er ist ein absoluter „No-nonsense“-Typ und dabei hat er trotzdem das notwendige Fingerspitzengefühl. Er sagt uns, wenn etwas scheiße ist, und freut sich mit uns, wenn etwas so wird, wie wir es uns vorgestellt haben. Seine musikalische Vielseitigkeit ist dabei natürlich ein ganz klarer Bonus.