FINN ERIK TANGEN (SO MUCH HATE, DRUNK, DANGER!MAN)

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My Little Drummerboy – Folge 18

Du bist schon über 40 und interessierst dich für Hardcore norwegischer Prägung? Dann bist du hier richtig, denn sicherlich hast du viele der Platten, auf denen Finn Erik Tangen getrommelt hat, bei dir zu Hause im Plattenregal stehen. Pflicht sind sie eigentlich alle, egal ob SO MUCH HATE, DRUNK oder heute eben DANGER!MAN, denn nicht nur die Songs dieser Bands waren und sind großartig, sondern insbesondere der wahnsinnig treibende Drumsound sorgt immer wieder begeistertes Kopfnicken. Wir baten Finn Erik anlässlich der Minitour von DANGER!MAN und den BONE IDLES zum Gespräch.

Finn, bist du schon als kleines Kind deiner Mutter mit nervendem Herumtrommeln auf diversen Schüsseln auf die Nerven gegangen?


Nein, eigentlich nicht wirklich, denn ich habe ja meine musikalische Entwicklung als Sänger begonnen. Gunnar, Per Arne, Børre, R.I.P., und ich waren schon damals Freunde und haben alle in einer Stadt namens Molde gewohnt. Wir spielten zusammen in der Band BANNLYST, in der ich der Sänger war und nur Gunnar nicht mitspielte. Als wir älter wurden, sind wir alle dann nach Oslo gezogen und wollten da unbedingt in einer Band zusammen mit Gunnar spielen. Das war 1986 und ich war gerade mal zwanzig Jahre alt. Nun ist der aber leider kein wirklich begnadeter Schlagzeuger, also musste er singen und ich habe mich an das Schlagzeug gesetzt. So fing das bei mir an und vorher hatte ich wirklich keine Erfahrung mit dem Schlagzeug. SO MUCH HATE waren also die erste Band für mich, in der ich der Drummer war.

Hat es dir etwas ausgemacht, dass du der Drummer werden „musstest“?

Nein, überhaupt nicht, ich war total heiß darauf und es hat mir viel Spaß gemacht, mich richtig in die Sache hineinzusteigern. Ich bin also nach unseren ersten Proben immer noch im Übungsraum geblieben und habe für mich selbst weiter geübt. Und nicht zuletzt war Gunnar ja wirklich zum Sänger prädestiniert.

Du hast also wirklich sehr spät mit dem Trommeln angefangen.

Ja, das könnte man so sagen. Aber ich habe das gar nicht so empfunden, weil es sich halt einfach so ergeben hat. Ich habe mir das Trommeln Stück für Stück selbst beigebracht. Ich selbst würde sagen, dass ich nicht wirklich viel geübt habe. Hier und dort mal eine Stunde und den Rest habe ich sozusagen gelernt, wenn wir unterwegs waren. Ich habe immer lieber mit der Band geübt, als für mich allein im Proberaum.

Hat es dich jemals gestört, den Platz als Sänger gegen den Drumpart am hinteren Bühnenrand zu tauschen?

Nein, überhaupt nicht. Das war mir wirklich egal und darum geht es ja bei Punk und Hardcore auch nicht. Solange du in der Band bist, ist es großartig und da kommt es nicht darauf an, welchen Part man gerade spielt. Das gemeinsame Erlebnis zählt und die Energie, die man zusammen auf der Bühne entfesselt.

Gab es damals irgendwelche Drummer, von denen du dir Tricks abgeschaut hast oder die dich auf die eine oder andere Weise beeinflusst haben?

Das ist schwierig zu sagen, weil es wirklich lange her ist, aber ich mochte immer alle Drummer, die irgendwie anders als normal klangen oder ein bisschen verrückter spielten als der Rest. Ich mochte die ersten MDC-Platten sehr und vor allem TH’INBRED, die wirklich abgefahrene Songs am Start hatten. Ungewöhnliche und schräge Bands mochte ich eigentlich immer gern. Namentlich hatte ich allerdings als Schlagzeuger keine echten Vorbilder.

Normalerweise spielt man ja als Neueinsteiger nur 4/4-Takt geradeaus und hält sich mit schwierigen Beats eher zurück. Hattest du da als Späteinsteiger manchmal Schwierigkeiten?

Nein, nicht wirklich. Bei SO MUCH HATE ging es in erster Linie um die Geschwindigkeit. Schnell mussten die Songs sein und der Rest entwickelte sich dann mit der Zeit. Harte Arbeit war das jedenfalls nicht für mich. Die mehr technischen Dinge, wie Breaks und Fills, wurden dann erst im Laufe der Zeit immer mehr. Ich habe eben immer viel ausprobiert und dann geschaut, was für mich gut funktioniert hat. Vielleicht war es auch ein großer Vorteil, dass ich kein „gelernter“ Schlagzeuger war, denn so konnte ich immer aus dem Bauch heraus meinen Teil zu den Songs betragen. Vielleicht klingen manche Sachen daher einfach etwas schräger, als man es vermuten würde.

Macht es für dich einen großen Unterschied, ob du live oder im Studio spielst?

Oh ja, das ist schon ein großer Unterschied, denn im Studio muss natürlich alles viel präziser klingen. Früher fand ich das Spielen im Studio furchtbar, aber heute ist es okay für mich. Ich bevorzuge aber unbedingt die Atmosphäre von Live-Auftritten. Allerdings stelle ich doch fest, dass es in zunehmendem Alter – ich bin immerhin fast fünfzig – immer anstrengender wird, ein ganzes Set durchzustehen. Die Muskeln sind einfach nicht mehr so fit wie mit zwanzig.

Treibst du irgendwelchen Sport, um dich fit zu halten?

Ich habe kein Auto und fahre daher viel mit dem Fahrrad durch die Stadt. Außerdem gehe ich so viel wie möglich zu Fuß, aber ernsthaft einen Sport betreibe ich nicht. Vielleicht sollte ich das tun, aber dazu ist es bisher nicht gekommen. Joggen geht zum Beispiel gar nicht, weil meine Knie einfach kaputt sind.

Wie hast du dich im Laufe der Zeit weiterentwickelt?

Oh, zum Glück kann ich feststellen, dass ich mich über die Jahre hinweg ganz gut verbessert habe, denn heute fallen mir viele Sachen leichter als in den Anfangstagen. Aber das ist wohl normal und jetzt freue ich mich, dass ich heute viel differenziertere Sachen spielen kann als damals. Ich sollte wohl erwähnen, dass ich zwischendurch auch mal für längere Zeit gar nicht getrommelt habe, eine Auszeit von drei Jahren hatte, in der ich die Sticks gar nicht angefasst habe. Ich hatte von 1996 an mit Roger und Tom bei DRUNK gespielt und als wir uns in 2006 auflösten, habe ich erst mal die Sticks an den Nagel gehängt. Ich glaube, diese Phase hat mir wirklich gut getan. Ich war immer noch in die Szene involviert, habe mich auf Shows herumgetrieben und so weiter, aber ich habe nicht mehr selbst gespielt. Das war sehr wichtig, um meine Akkus wieder aufzuladen, und als mich Roger dann in 2009 fragte, ob ich bei DANGER!MAN mitspielen wollte, war ich bereit dafür und sagte sofort zu.

Hast du dir jemals überlegt, eine Karriere als professioneller Drummer einzuschlagen, um mit dem Trommeln deinen Lebensunterhalt zu bestreiten?

Nein, nicht wirklich. Mit SO MUCH HATE waren wir ja sehr viel unterwegs, aber Geld war nie die Motivation oder die treibende Kraft dafür. Es war uns immer genug, wenn wir wussten, dass wir den nächsten Ort erreichen würden und dass es Essen und Freigetränke für uns geben würde. Heute habe ich seit elf Jahren einen festen Job, den ich sehr mag, und somit stellt sich die Frage nach einer Profikarriere für mich nicht. Ich arbeite mit alkohol- und drogenabhängigen Menschen und finde in meinem Job meine Erfüllung. Es ist gut so, wie es ist, und wenn ich mit der Band auf Tour bin, ist es immer ein bisschen wie im Urlaub zu sein. Heute ist zum Glück alles viel einfacher geworden. Früher war man stundenlang mit dem Auto unterwegs und auf Tour zu sein hat viel Geld gekostet. Heute können wir mit dem Billigflieger schnell mal von Norwegen nach Deutschland fliegen, ein paar Shows spielen und danach schnell wieder zu Hause sein. Das macht die Sache schon deutlich entspannter.

Bist du in das Songwriting bei DANGER!MAN involviert?

Also Roger kommt meistens mit irgendwelchen Song-Ideen oder Riffs zu den Proben. Aber wenn es um die Drumparts geht, bin ich auf alle Fälle mein eigener Boss. Natürlich dürfen die anderen auch ihre Meinung sagen, aber schlussendlich ist das Songwriting bei uns doch ein kreativer Prozess, der im Übungsraum im Kollektiv stattfindet. Ich bin auch immer sehr gern aktiv beim Arrangieren der Songs dabei. Das macht mir viel Spaß und ich finde es wichtig, dass alle ihren Teil zu den Songs beitragen.

Hast du jemals versucht, ein anderes Instrument zu lernen?

Ach, weißt du, es wäre schon schön, wenn ich etwas besser Gitarre spielen könnte, aber ich fühle mich hinter dem Schlagzeug so wohl, dass ich nicht das Gefühl habe, ich würde irgendwas vermissen. Nein, ich glaube, dass ich beim Schlagzeug bleiben werde.

Würdest du gern mal mit anderen Musikern andere Musikstile ausprobieren?

Nein, ich bin sehr glücklich mit dem, was ich tue. Punkrock und Hardcore liegen meinem Herzen einfach am nächsten und das ist auch gut so. Ich höre mir natürlich auch mal andere Sachen an, aber da ist nichts, was ich unbedingt selbst ausprobieren möchte. Schließlich muss man ja etwas Bestimmtes für die Musik empfinden, um sich ihr voll und ganz hingeben zu können. Das ist bei mir der Fall bei Punkrock und ich werde wohl nicht plötzlich anfangen, Discobeats zu spielen. Glücklicherweise hat sich unser Publikum im Laufe der Jahre auch immer verändert, so dass wir nicht seit zwanzig Jahren vor immer denselben Leuten spielen müssen. Das wäre ja schrecklich langweilig. Es kamen und gingen immer wieder Leute und heute sieht man vor allem auch jüngere Leute im Publikum. Es macht also auch heute noch genau so viel Spaß wie vor zwanzig Jahren und das ist der Grund, warum wir das alles auch heute immer noch tun.

Christoph Lampert