FINK, das ist eine Band aus Hamburg, deren Name nicht unbedingt darauf verweist, dass Songschreiber/Gitarrist/Sänger Nils Koppruch und seine Mitstreiter verträumten Country/Folkrock mit deutschen Texten produzieren, der sich aber im Gegensatz zur besoffenen Fröhlichkeit eines JIM WAYNE SWINGTETTs bzw. den SONS OF JIM WAYNE eher an der Melancholie GIANT SANDS oder eines Nick Cave orientiert. Fünf durchweg schöne Platten haben sie bisher gemacht – „Vogelbetrachtungen im Winter“ (1997), „Loch in der Welt“ (1998), „Mondscheiner“ (1999), „Fink“ (2001) und „Haiku Ambulanz“, das diesjährige Album. Inzwischen ist man beim eher konservativen Ratinger Singer/Songwriter-Label Trocadero gelandet, nachdem die beiden vorherigen Platten noch beim Schlaumeier-Label L‘Age D‘Or erschienen. Überraschenderweise konnten sie sich mit dem neuen Album aber noch deutlicher von eventuellen Stereotypen im Kontext von „deutscher Countrymusik“ lösen. Ich unterhielt mich mit Nils Koppruch.
Dich hat mal jemand als Baron Münchhausen bezeichnet, wie kam das zustande?
Ich wurde auch mal irgendwo als ‚Kapitän Blaubär der deutschen Popmusik‘ bezeichnet. Ich benutze halt Bilder in meinen Texten für bestimmte Sachen, und viele Leute sehen das als reine Phantasiegebilde an, die unabhängig von jeder Lebenswirklichkeit existieren. Ich bin zwar großer ‚Kapitän Blaubär‘-Fan, aber ich sehe mich selbst so nicht.
Sind denn die Texte in dieser Form ein Spiegelbild deiner Persönlichkeit?
Grundsätzlich ist das schon meine Sicht der Dinge, darüber schreibe ich, worüber sollte ich sonst schreiben?! Wenn du jetzt einen Song von der neuen Platte nimmst, hat das auch immer was mit meiner Lebenswirklichkeit zu tun, und wie ich meine Umwelt wahrnehme. Allerdings finde ich immer die Künstler am schlimmsten, bei denen ich glaube, sie präsentieren da ihre Tagebucheinträge. Es ist mir beim Texte schreiben immer wichtig, nicht den Abstand zu verlieren, zu wissen, das ist Kunst und das bin ich. Ich möchte als Hörer deutscher Musik noch genug Platz haben, meinen Teil da rein interpretieren zu können. Am liebsten wäre mir die Situation, wo du ein Lied hören kannst und den Text, wenn du willst, einfach nur als Gebrabbel wahrnimmst. Ähnlich wie ich englische Musik höre – wenn ich nicht will, dann geht das an mir vorbei, was da im Text passiert, außer ich konzentriere mich drauf, dann kann ich auch verstehen, was gesagt wird.
Würdest du euch als intellektuelle Band bezeichnen?
Wir sind nicht intellektuell ... Wenn das so wahrgenommen wird, bringt es aber auch nichts, mich daran zu stören. BLUMFELD, so was empfinde ich als intellektuelle Band.
Sind FINK denn in einen bestimmten Hamburger Szene-Kontext eingebettet?
Es gibt hier viele Bands, die aber alle ihr eigenes Ding machen. Da gibt es sicher Überschneidungen, wo man zusammen spielt oder auch mal gefragt wird, ob man bei einer anderen Band was beisteuern möchte, wie wir das ja auch gemacht haben. Aber letztendlich gibt es keinen engen Szene-Zusammenhang, den die Leute scheinbar immer sehen und vor allem früher gesehen haben.
Wie kam es eigentlich zu eurem Labelwechsel?
Die Entscheidung mit Trocadero zusammenzuarbeiten, hat überhaupt nichts mit dem Programm von Trocadero zu tun. Es gibt immer viele Personalwechsel bei Plattenfirmen, und bei L‘Age D‘Or ist keiner mehr gewesen, der FINK damals da haben wollte. Und Rüdiger von Trocadero – das ist ja ein Ein-Mann-Betrieb – hatte bereits das Vinyl von ‚Mondscheiner‘ gemacht und diese ‚Bagdad Blues‘-Geschichte. Deshalb haben wir ihn dann gefragt, ob er nicht auch unsere neue Platte machen will. Und wir haben das Gefühl, dass es eine gute Entscheidung war, das Ganze vom Label her noch mehr einzuschrumpfen. Wir hatten letztes Jahr mit dem Gedanken gespielt zum Major zu gehen. Aber so ein Label wie Grand Hotel van Cleef mit TOMTE und KETTCAR gibt einem Recht, dass es im Moment auch darum geht, nach anderen Möglichkeiten und Strukturen zu suchen, wenn du Musik auf so einem Level machen willst, wie wir das machen. Und FINK ist ja keine Band, die an eine bestimmte Szene-Zugehörigkeit gebunden ist. Letztendlich habe ich die Hoffnung, dass, wenn etwas gut ist, es scheißegal ist, wo es rauskommt.
Apropos „Bagdad Blues“, euer kleiner Anti-Irakkrieg-Song kam ja eher schlecht weg, oder?
Ja, aber es ist ja auch nicht einfach, ein politisches Statement in einen dreiminütigen Popsong zu packen. Wir haben mit ‚Bagdad Blues‘ versucht damit umzugehen, und auch uns ist klar, dass der Song eher naiv angelegt ist. Es war das erste Mal, dass FINK so deutlich und unverschlüsselt zu hören sind – das war für uns auch Neuland. Wir haben den Song auch ganz klar gemacht, um damit ins Radio zu kommen. Es ist total unsinnig, wenn man nur die Leute erreicht, die sowieso im eigenen Boot sitzen. Es ging darum, eine größere Öffentlichkeit zu erreichen. Aber warum nicht das Risiko eingehen, trotzdem ein Statement abzugeben. Und immer, wenn du so was machst, ist es kontrovers und FINK war bisher nie eine kontroverse Band. Ich habe das so wahrgenommen, dass eigentlich alle Leute, die sich zu dem Thema geäußert haben, mehr oder weniger lächerlich gemacht wurden. Das hat sicher damit zu tun, dass man seinen Protest und Unmut nicht mehr in dieser Form ausdrücken kann, so wie man das in den 60ern konnte. Ich würde auch nicht sagen, dass das einer meiner besten Songs ist, aber er hatte ja auch eine ganz andere Funktion. Aber ich fand es schon erschreckend, dass man bei so was nur noch belächelt wird. Leuten wie Konstantin Wecker oder Hannes Wader hat man sofort unterstellt, dass sie sich damit nur noch mal ins Rampenlicht spielen wollten. Das ist schon ziemlich bedauerlich.
Foto: Anja Lubitz
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