FARBEN LEHRE

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Vom Underground in den Overground

„Im Wesentlichen gehen die bestehenden Farbenlehren und Farbtheorien von zwei unterschiedlichen Schwerpunkten aus“, so der wissenschaftliche Ansatz zum Thema Farbenlehre. Recht ähnlich ist es bei der polnischen Punkband FARBEN LEHRE. Sie haben ebenfalls zwei Schwerpunkte, nämlich Punk und Reggae, wobei die Tendenz eindeutig Richtung Punk geht, und zwar der melodischen Stilrichtung nach den Vorbildern SEX PISTOLS, RAMONES und CLASH, von denen einige Songs gecovert wurden. Auf jeden Fall passt Reggae gut zum Punk, man denke nur an „Guns of Brixton“ von THE CLASH.

Irgendwie ist bei der Band aus Plock (Zentralpolen) noch einiges erklärungsbedürftig: „So bis vor 15 Jahren hielten uns viele für eine deutsche Band, doch mittlerweile weiß jeder hier, dass wir eine polnische Band sind“, erzählt Bandleader Wojciech Wojda. „Es gab mal einen berühmten polnischen Lyriker Anfang des 20. Jahrhunderts, der schrieb ein Gedicht, das ,Farbenlehre‘ hieß. Der Name gefiel mir so sehr, dass ich ihn ins Deutsche übersetzte, weil er auf Deutsch besser als klingt auf Polnisch oder Englisch. Und in zwei Worten geschrieben, sieht er einfach besser aus. Deutsche Bands könnten ebenso polnische Namen tragen.“

Ein deutscher Name kann auch problematisch sein: „Als wir 1988 in der Ex-UdSSR auftreten wollten, wurde uns gesagt, eine polnische Band mit einem deutschen Namen kann hier nicht spielen. So benannten wir uns in FL um. Dann klappte es. Das hört sich heute lustig an, war es damals aber überhaupt nicht.“

Jedenfalls gab es so um 1990 einen Bruch: „Wir gingen von dem Underground in den Overground.“ Vor der Wende konnte nichts veröffentlicht werden. 1991 erschien das erste Album. 1990 gewannen sie einen Preis auf dem berühmten Jarocin-Festival. Davor waren sie nur im Ausland auf einigen Samplern vertreten. „Vor der Wende waren unsere Songs sehr pessimistisch, danach wurden wir optimistischer und lustiger.“ Unter dem alten Regime hatten wir Probleme mit den Instrumenten, mit Übungsräumen, Gigs und der Zensur. Wir waren auch oppositionell eingestellt und das machte die Sache nicht einfacher“, erinnert er sich. „Wir waren eine Amateurband, aber heute spielen wir besser“, fügt Wojciech spaßig hinzu. Davon zeugen immerhin zwölf gut verkaufte Alben. Manches war widersprüchlich, denn polnische Punk-Gruppen wie DEZERTER und MOSKWA schafften es auch vor der Wende, Alben rauszubringen. „Sie waren bekannt, populär und Symbole des Widerstands. Wir waren seinerzeit noch Anfänger und eine unbekannte Garagenband.“

Nun gibt es sie schon fast ein Vierteljahrhundert, sie sind nicht in den Mainstream abgedriftet und können seit fast sechs Jahren von ihrer Musik leben, was für eine Punkband nicht die Regel ist. Dafür sind sie ständig auf Tour. Allein um das neueste Album Ferajna zu promoten, stehen sie in Polen etwa 40 mal auf der Bühne. Hinzu kommen noch Konzerte in Österreich und Deutschland – stolz berichten sie von ihren gemeinsamen Gigs mit den TOTEN HOSEN.

Ihre Songs sind einfach lustig oder es geht um Liebe, Beziehungen und Politik. „Wir können heute frei reden und singen. Okay, auch heute ist nicht alles so toll. Doch wir sind eine konsequente Band: was heute schlecht ist, war auch damals schlecht. Selten werden unsere Lieder im Radio gespielt. Eine offizielle Zensur gibt es heute in Polen nicht, eine inoffizielle schon“, merkt er kritisch an. „Doch mein größter Feind ist die menschliche Dummheit. Die gibt es zu jeder Zeit, in jedem Land.“