Sie gehören zu den absoluten Urgesteinen der New-Orleans-Szene und haben in ihrer seit mehr als dreißig Jahre andauernden Karriere schon so ziemlich alles erlebt. Eine weltweite Pandemie ist allerdings auch für die US-Sludge-Veteranen eine große Herausforderung, wie uns Frontmann Mike Williams erklärt.
Viele Künstler und Musiker leiden extrem unter der Corona-Pandemie und ihren Folgen. Wie schwierig ist die Situation für euch?
Wir sind eine Live-Band, weswegen das Ganze für uns natürlich ein riesiger Tiefschlag ist. Das ist ja einer der wenigen Wege heutzutage, wie du als Band bei der Stange bleibst – indem du Shows spielst. Und wir sind ja ohnehin keine klassische Album-Band. Das wissen die Leute auch. Ich meine, die vorherige Platte ist ja schon sieben Jahre alt. Und davor hatte es es ja sogar 13 Jahre gedauert, eine zu schreiben. Aber die neue Platte zu machen, war jetzt trotzdem cool, weil es etwas war, das unsere Motivation in diesen Zeiten aufrechterhalten hat. Wenngleich die Band ja mittlerweile auch unser Leben ist. Wir beschäftigen uns ständig mit Musik. Daran hat auch die Pandemie nichts geändert.
Wie hart wurdet ihr finanziell getroffen?
Nun, wenn wir Geld verdienen, dann in erster Linie auf Tour. Wenn du nicht gerade ein Riesen-Weltstar bist, ist das für alle Bands die Überlebensgrundlage. Bei uns ist es glücklicherweise so, dass wir nicht immer ein neues Album am Start haben müssen. Wenn wir touren, kommen die Leute meistens auch so zu unseren Shows. Wahrscheinlich denken sie jedes Mal: Hey, das könnte das letzte Mal sein, dass ich diese alten Typen sehen kann. Und wenn man sich unsere Vergangenheit so anschaut, kann man den Leuten diese Gedanken gar nicht übelnehmen, haha. Aber ja, das bricht alles weg gerade. Immerhin haben wir einen Merchstore, den wir selbst betreiben. Mit dem können wir uns ganz gut über Wasser halten. Der ist mehr oder weniger unsere einzige Einnahmequelle im Moment. Wir haben außerdem während der Pandemie ein eigenes Label gegründet und unser allererstes Album noch mal neu veröffentlicht. Einfach auch damit wir irgendwas anbieten können.
War es keine Option, Live-Shows zu streamen?
Wir wurden mehrfach gefragt, ob wir das machen wollen. Aber vor einer Kamera statt einem echten Publikum zu spielen, ist nicht unser Ding. Es fühlt sich für mich einfach merkwürdig an. Da spüre ich keine Energie. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige Fans sich so etwas wünschen, aber ich finde es persönlich einfach sinnlos. Immerhin scheint es ja mittlerweile einen Hoffnungsschimmer am Horizont zu geben. Wir werden einfach so lange warten, bis wir wieder echte Konzerte spielen können. Das ist unser großes Ziel.
Ihr seid seit mehr als dreißig Jahren aktiv. Wie leicht ging das Schreiben der neuen Platte von der Hand?
Es hat ja sieben Jahre gedauert, haha. Wir sind aber auch nicht eine dieser Bands, die ein Album schreiben, sofort auf Tour gehen, dann kommen sie wieder und zwingen sich, sofort das nächste Album zu schreiben. Wir veröffentlichen Platten, wenn wir uns danach fühlen. Es ist nicht mehr wie damals zu den Anfangstagen, da hatten wir deutlich mehr Zeit – und deswegen auch deutlich mehr Output. Aber ich habe hier schon auch einiges rumliegen, ich schreibe eigentlich immer an irgendwelchen Texten. Manchmal auch nur eine einzelne Zeile am Tag. Ich weiß nicht, was die anderen Jungs so machen. Ich hoffe, sie schreiben auch irgendwas, haha. Ich meine, wir haben im Moment sowieso nichts anderes zu tun.
Die Platte wird es in elf verschiedenen Vinyl-Varianten geben. Splatter Green, Smoke Purple – ist der ganze Hype mittlerweile nicht ein wenig aus dem Ruder gelaufen?
Ach, ich finde das total cool. Ich höre mein ganzes Leben schon Musik auf Vinyl, seit ich ein Kind war. Ich selber will auch alle elf Farben haben, haha. Da hat uns auch keiner reingeredet, wir haben uns alle Farben und Versionen selber ausgedacht. Ich denke, auch für viele junge Menschen da draußen, die sich wieder mit dem Thema Vinyl beschäftigen, ist es eine coole Sache. Es macht einfach Spaß zu sammeln. So wie es damals für mich war. Wir haben bislang alles, was wir jemals aufgenommen haben, auf Vinyl rausgebracht. Ich liebe es einfach.
In den USA gab es jüngst eine denkwürdige Präsidentschaftswahl und einen Machtwechsel im Weißen Haus. Wie ist die Stimmung im Land?
Ja, das Land ist immer noch gespalten. Und ich glaube, die Lage könnte nach wie vor eskalieren. Es gibt immer noch Menschen, die denselben Bullshit propagieren wie vor und während der Wahl und der vergangenen Jahre. Aber ich denke, der neue Präsident steht auch für Hoffnung. Natürlich ist er am Ende des Tages einfach nur ein anderer Politiker. Aber immerhin scheint er einige andere Ansichten zu haben als sein Vorgänger. Der war untragbar.
Auf euren Social-Media-Kanälen verweist ihr immer mal wieder auf diverse Spotify-Playlists. Das Portal ist bei Musikern allerdings nicht unumstritten. Deine Meinung dazu?
Ich habe kein Problem mit Spotify. Als Band machst du damit keine Kohle, das ist klar. Das Geld machst du auf Tour und mit deinen Merch-Verkäufen. Es ist mit den Alben mittlerweile so: Sobald etwas rauskommt, wird es sowieso jemand downloaden und irgendwo im Netz verbreiten. So ist es einfach. Auf einen Albumkäufer kommen sicher zehn, die es irgendwo runterladen oder kopieren. Es sind andere Zeiten, wir leben nicht mehr in den Achtzigern. Spotify bringt aber immerhin etwas Publicity. Ich selber nutze Spotify ständig, vor allem um neue Musik zu entdecken. Es gibt dort auch jede Menge Underground-Zeug. Das finde ich schon cool.
Der Hurrikan Katrina hat New Orleans vor 15 Jahren schwer getroffen. Hat sich die Szene in der Stadt wieder neu aufgestellt?
New Orleans hat tonnenweise Bands, es ist eine sehr aktive Stadt. Das war schon immer so und ist es auch heute. Nach dem Hurrikan kamen die Leuten zurück, haben neue Bands gegründet, sich neues Equipment besorgt, wenn sie ihr altes verloren hatten. Die Menschen hier sind widerstandsfähig, sie klopfen sich den Staub von den Klamotten und machen weiter. Musik ist sowieso etwas, das nicht einfach aufhört. Wenn es einmal im Kopf ist, geht es weiter, egal wie. Es hört nie auf, es läuft rund um die Uhr. Booze and Music, haha.
© by Fuze - Ausgabe #87 April/Mai 2021 und Anton Kostudis
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