Sein Name ist und bleibt untrennbar mit Ska in Deutschland verbunden. Das Motto seiner wohl bekanntesten Hymne „Immer nur Ska“ gilt auch heute noch: El Bosso ist zurück! 20 Jahre nach dem gleichnamigen Debüt von EL BOSSO & DIE PING PONGS, welche gleichzeitig die erste deutschsprachige Ska-Band war, ist Markus Seidensticker alias El Bosso mit seiner neuen Band SKADIOLAS und neuem Album „Helden der Nacht“ wieder aktiv. Grund genug für ein Interview mit dem auch schauspielerisch sehr erfolgreichen Musiker.
EL BOSSO MEETS THE SKADIOLAS – wer seid ihr genau und wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen?
Die Münstersche Punkband THE RADIOLAS mit einem anderen Bassisten und einem weiteren Sänger, Bosso, sind EBMTS, entstanden aus einer Laune der Natur heraus. Eigentlich sollte es ja nur einen Gastauftritt von mir bei „Im schönen Münsterland“ geben, aber daraus wurde schließlich ein ganzes Album und der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Die SKADIOLAS hatten die Idee, mich bei einem ihrer Songs, eben „Im schönen Münsterland“, zu featuren und fragten einfach, ohne mich vorher persönlich zu kennen. Ich fand den Song lustig und hatte, gerade als Exilwestfale, große Lust darauf. Nach der Aufnahme und nachdem man sich beschnuppert und für sympathisch befunden hatte, war bald die Idee da, mehr Songs zu machen. Die RADIOLAS hatten offenbar Blut geleckt und schrieben innerhalb kürzester Zeit genug Songs für ein ganzes Album, was dann ja auch entstand. Richie, also Dr. Ring Ding, war auch schnell für die Aufnahmen gewonnen, und so ging’s los. Der Sound dieser Kooperation war natürlich kein Punk mehr und so musste auch ein neuer Name für das Baby her, heraus kam bekanntermaßen EBMTS. Erst sollte die Band ja „El Bosso und die Skadiolas“ heißen, wir merkten aber sehr schnell, dass es da leicht zu Verwechslungen mit EL BOSSO & DIE PING PONGS kommt, darum EBMTS.
Besteht auch musikalisch Verwechslungsgefahr oder wie unterscheidet sich EBMTS von den PING PONGS?
EBUPP waren viel poppiger als EBMTS, hier geht es etwas rauher, punkiger zu, mit einem Hauch von Rockabilly.
Wie kam es damals überhaupt zur Trennung der PING PONGS?
Die Trennung der Band 1993 hatte verschiedene Gründe. Ein wichtiger war aber, dass wir das Gefühl hatten, musikalisch nicht weiterzukommen beziehungsweise es sehr unterschiedliche Meinungen über das „weiter“ gab. Aktuellen musikalischen Einflüssen gegenüber waren wir grundsätzlich offen, was ja auch der Song „Touri“ zeigt. Unser Gitarrist Skacus, der ja auch der Hauptsongschreiber der Band war, hatte zu der Zeit zum Beispiel so gut wie gar keine Lust mehr auf Ska, bestimmt auch, weil er als Gitarrist immer besser wurde, und er orientierte sich sehr in die rockige Richtung, was nicht alle in der Band gut fanden. Was mich betraf, so stand ich auch gerade an einem Punkt, wo ich Entscheidungen über meine weitere berufliche Laufbahn treffen musste. Es hatte sich ja herausgestellt, dass man von der Musik nicht leben konnte, und ich wollte erstens nicht ohne eine Berufsausbildung dastehen und zweitens meinem Traum, Schauspieler zu werden, auf jeden Fall eine Chance geben. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich die Entscheidung zu Gunsten der Band lange mit Zivildienst und einem Praktikum in einem Kindergarten hinausgezögert. So kam mir die „Endzeitstimmung“ innerhalb der Gruppe entgegen und die Trennung fiel mir nicht allzu schwer. Endlich konnte ich auch mal raus aus Münster. Ich zog nach Berlin, studierte Sozialarbeit/Sozialpädagogik und bewarb mich nebenbei an Schauspielschulen, was ja dann auch von Erfolg gekrönt war.
Wie kam dann der Sprung von der Band zur Theaterbühne?
So riesengroß war der Sprung gar nicht, denn ich stamme aus einer Schauspielerfamilie. Meine Großeltern mütterlicherseits waren professionelle Theaterschauspieler/sänger und mein Großvater väterlicherseits Amateurschauspieler im volkstümlichen Mundarttheater auf westfälisch Platt, und der war auch ein Entertainer vor dem Herrn. So kam es, dass auch meine Eltern – und früher auch meine Schwester – auf die Bühne traten, allerdings „nur“ als Hobbysänger, vorwiegend im Karneval. Es wurde also viel gesungen bei uns zu Hause und man kann uns auch nicht gerade als introvertierte Familie bezeichnen. Ich kam folgerichtig auch über den Gesang zur Bühne. Mein Sandkastenfreund Skacus lernte Gitarre spielen und so war es nur konsequent, dass wir irgendwann unsere erste Band gründeten. 1985 war es dann soweit: EBUPP hatten ihren ersten Auftritt. In all den Jahren mit EBUPP war natürlich die Arbeit als Sänger auf der Bühne das Wichtigste für mich und so trat mein Traum, Schauspieler zu sein beziehungsweise zu werden, zunächst in den Hintergrund. 1993 konnte ich ihn dann endlich mit Aufnahme an der Theaterhochschule in Leipzig verwirklichen. Ich habe es nicht bereut und konnte meiner großen Leidenschaft, dem Singen, ja auch trotzdem treu bleiben.
Aber die PING PONGS haben sich doch nach der ersten Auflösung 1992 und erneuten Live-Reunion 2003 bislang nicht wieder offiziell aufgelöst. Gibt es da auch aktuelle Pläne?
Ganz wichtig ist mir auf jeden Fall zu konstatieren, dass EBMTS auf keinen Fall als Nachfolger oder Konkurrenz zu EBUPP zu betrachten sind! EBMTS ist eine Sache für sich, EBUPP befinden sich gerade in einer kreativen Pause, eventuell kommt da bald auch Neues. Vielleicht gibt es ja 2010 auch wieder eines der beliebten Weihnachtskonzerte in Münster.
Bis jetzt konnte man euch ja eigentlich oder fast gar nicht live sehen. Wird sich das in Zukunft ändern?
Das Problem ist das Gleiche, das auch die Arbeit mit EBUPP so schwer macht: Ich wohne und arbeite 400 Kilometer von Münster entfernt und bin durch meinen Job als fest engagierter Schauspieler am Theater zu sehr ähnlichen Zeiten beschäftigt wie ein Musiker, sprich: ich muss auch am Abend und am Wochenende ran und kann mir nicht „mal so“ ein paar Tage frei nehmen. So muss man wirklich oft lange suchen, um gemeinsame Zeit zum Musizieren zu finden. Nichtsdestotrotz haben wir schon einige Termine für 2010 gefunden und es werden sicher auch noch mehr.
Unter anderem für eure Record-Release-Party in Münster. Eigentlich könnte man Münster doch fast als deutsche Hauptstadt des Ska bezeichnen, oder?
Ich würde Münster nicht nur als Hauptstadt des Ska bezeichnen, sondern als Talentschmiede Deutschlands schlechthin. Münster und das Münsterland haben so unglaublich viele bekannte und erfolgreiche Musiker hervorgebracht, dass es einem schon fast unheimlich wird.
Wie sieht man die Entwicklung des Ska, wenn man daran über 20 Jahre aktiv teilgenommen hat?
Ich bin zum Ska hauptsächlich über Bands wie THE SPECIALS, THE BEAT und MADNESS gekommen, die in einer sehr unruhigen Zeit in England populär waren, sich gegen Thatcher und die National Front, also gegen Rechts positionierten und so den eigentlich unpolitischen Ska politisierten und für eine tolerante, „bunte“ Welt eintraten. Ich teilte diese Überzeugungen. Viele ehemalige Ska-Künstler wendeten sich in den Achtzigern anderen, poppigeren Musikstilen zu, oder öffneten sich in diese Richtung , wie MADNESS, FUN BOY THREE, FINE YOUNG CANNIBALS oder GENERAL PUBLIC. Ich hatte damit kein Problem und konnte meinen Vorbildern als Fan folgen. Und so waren auch EBUPP schon immer eine Band, die sich anderen musikalischen Einflüssen gegenüber offen zeigten. Wir mussten dann aber in den Anfangsjahren von EBUPP oft erleben, dass das Ska-Publikum sich als sehr konservativ, also nicht sehr offen für neue, poppigere Klänge zeigte und auch meine Haartracht, die zunächst immer länger wurde, stieß in Ska-Kreisen nicht immer auf Gegenliebe. Heute ist die Situation anders: EBUPP sind Kult, und das liegt meiner Meinung auch sehr daran, dass sich die Szene und auch der Ska weiterentwickelt haben. Man ist heute viel offener gegenüber modischen und musikalischen Einflüssen. Ska mischt sich mit Reggae, Dancehall, Folk und so weiter und „Langhaarige“ sind auf Ska-Konzerten auch keine Seltenheit mehr oder müssen Angst haben, blöde angemacht zu werden. Alles in allem hat sich der Ska also aus meiner Sicht sehr positiv entwickelt.
Bei der Masse an deutschen Ska/Punk-Bands heutzutage ist die Situation eine komplett andere als zu den Pionierzeiten damals. Was, glaubt ihr, macht eure Musik für das Publikum interessant, abgesehen vom Namen El Bosso?
Die Leute sind doch bestimmt sehr interessiert zu sehen, ob Bosso das in seinem fortgeschrittenem Alter noch hinbekommt und wie er sich behauptet gegen die blutjungen SKADIOLAS, deren Anblick allein schon einen Konzertbesuch lohnt.
Momentan gibt es ja viele Reunions alter Ska- und Punkbands. Was hältst du davon?
Ich würde schon gerne mal die alten Helden, also THE SPECIALS oder MADNESS live erleben. Wenn sich gute Bands reformieren, ist das immer prima.
Viele Ska-Bands äußern sich in ihren Liedern auch politisch, wie sieht das bei euch aus?
Die Texte von EBMTS sind eher familien- als weltpolitisch, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass es auch mal um „große Dinge“ gehen wird, denn wir sind keine unpolitischen Menschen. Zum Glück sind die Zeiten vorbei, in denen sich eine deutsch singende Ska-Band, um nicht missinterpretiert zu werden, klar von Rechts distanzieren musste.
Bis jetzt wurden ja alle eure Veröffentlichungen immer auch auf Vinyl rausgebracht, und auch „Helden der Nacht“ erscheint als limitiertes Vinyl. Hat das für euch eine besondere Bedeutung?
Es gibt ja offenbar immer mehr Leute, die Vinyl lieben und lieben lernen. Ich bin da nicht fanatisch und finde CDs und digitale Tracks auch enorm praktisch, aber so eine schöne Schallplatte oder Single in der Hand zu halten, das hat schon was ... Und wenn man sich den Luxus erlauben kann und will, die Scheibe im CD- und im Vinylformat rauszubringen, dann bin ich der Letzte, der meckert.
Wie sind eure weiteren Pläne für die Zukunft?
Ich bin da ganz entspannt. Bisher hat es großen Spaß gemacht und wenn das so bleibt und natürlich auch die Plattenfirma mitmacht, sind weitere Veröffentlichungen nicht ausgeschlossen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #88 Februar/März 2010 und Christian Fischer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #89 April/Mai 2010 und Kay Werner
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