EDGE

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Perspectives on drug free culture

Über Straight Edge ist schon viel gesagt und geredet worden, jeder hat eine Meinung zu diesem emotionalisierenden Thema, doch der reale Hintergrund dieser Lebensphilosophie gerät oft aus dem Fokus, wenn persönliche Begeisterung oder Vorbehalte Interviews, Gespräche und Diskussionen bestimmen. Dem stellt sich der Dokumentarfilm „Edge“ entgegen, der die maßgeblichen US-Protagonisten jener in den Achtzigern begründeten Hardcore-Variante wie Ian MacKaye (MINOR THREAT), Ray Cappo (YOUTH OF TODAY) oder Karl Buechner (EARTH CRISIS) zu Wort kommen lässt und ein differenziertes Bild dieser alles andere als einheitlichen Szene vermittelt. Wir befragten die beiden Filmemacher Marc Pierschel und Michael Kirchner.

Wer seid ihr, woher kommt ihr, welchen Szene-Hintergrund habt ihr, welche Erfahrung im Filmemachen?

Marc, 32 Jahre und Michael, 31 Jahre. Beide aus Münster. Wir haben beide unter anderem Soziologie studiert, und vor etlichen Jahren mal in einer Punkband zusammen gespielt. Daher kennen wir uns auch. Vor „Edge“ hatten wir einige Kurzfilme zusammen gedreht, aber die waren alle nicht vergleichbar mit diesem Projekt.

Und wie kamt ihr auf die Idee, einen Film über Straight Edge zu machen?

Michael wollte eigentlich seine Diplomarbeit über Straight Edge schreiben, allerdings war der Prof davon nicht so begeistert, ihm fehlte die soziale Relevanz. Marc war gerade dabei, einen Kurzfilm zu drehen, und da kam die Idee auf, eine Doku über Straight Edge zu machen. Besonders weil es in dem Zusammenhang noch nichts Vergleichbares gab und die wenigen TV-Dokus aus den USA eher einseitig waren. Das war vor etwa drei Jahren. Wir saßen im Café und haben angefangen, Begriffe, die uns bezüglich Straigth Edge relevant vorkamen, aufzuschreiben und zu verbinden. Eine Abwandlung dieser so genannten Mindmap haben wir dann auch in den Film integriert, da sie auch die Grundlage unserer Recherche und des ganzen Film darstellt.

Wie seid ihr das Projekt angegangen, wie habt ihr das finanziert? Ihr habt ja viel in den USA gedreht, da laufen ja schon einige Reisekosten auf. Gab es irgendeine Art von Förderung?

Wir hatten einige Förderungen beantragt, am Ende allerdings keine bekommen. Daher ist der Film zu 100% selbstfinanziert. Das Problem bei den Förderungen war, dass wir einen Film in den USA drehen wollten, in englischer Sprache, der kaum eine Relevanz für Deutschland hat. Die Reisekosten waren leider in der Tat der Hauptkostenpunkt, einmal natürlich die Flüge und dann die Fahrtkosten in den USA selbst, obwohl wir dort teilweise mit Greyhound-Bussen gereist sind und nie in Hotels oder dergleichen übernachtet haben, sondern immer bei Leuten auf dem Fußboden oder der Couch. Alles war also so „low budget“ wie möglich.

Und wie lief das rein technisch? Wer hat mit was gefilmt, wie habt ihr das sicher stundenlange Material gesichtet und ausgewählt?

Wir haben alle Interviews mit zwei Kameras gefilmt, die wir gebraucht auf eBay ersteigert hatten, eine Stativkamera und eine zweite Kamera, mit der wir Nahaufnahmen und andere Perspektiven gefilmt haben. Damit haben wir uns das Schneiden wesentlich erleichtert, und es hat die Interviews etwas aufgelockert. Mit den Kameras und Interviews haben wir uns abgewechselt. Wir hatten am Ende circa. 40 Stunden Material, und das Sichten hat dementsprechend sehr lange gedauert. Allerdings lässt sich mit mehr Material natürlich auch mehr anfangen. Der Schnittprozess hat insgesamt etwa ein Jahr gedauert, da wir ja auch noch die Recherche-Szenen mit dem Journalisten nachdrehen mussten. Das Projekt lief ja auch immer neben unseren regulären Jobs.

Was war/ist eure Idee hinter dem Film, wie habt ihr ihn konzipiert? Er kommt ja ohne Kommentarstimme aus, stattdessen skizziert eine Person, von der man nur die Hand und einen Edding sieht, auf einem großen Blatt Papier die Aspekte und die Geschichte von SxE. Und die „Basics“ gibt es als Blick auf den englischen Wikipedia-Eintrag zu Straight Edge.

Unsere Intention war es, den Film einerseits für Szenepublikum interessant zu machen, aber andererseits auch für Menschen außerhalb, die keine Ahnung von Straight Edge haben. Daher auch der fiktive Journalist, der als roter Faden des Filmes anhand der Mindmap den Straight Edge Begriff beleuchtet. Sicherlich wäre ein Sprecher im Off filmtechnisch wesentlich einfacher gewesen, aber wir wollten den Zuschauern keine Meinung vorgeben, sondern ihn vielmehr einbeziehen, damit er sich anhand dessen, was er sieht und liest, sein eigenes Bild von Straight Edge machen kann. Genau das spiegelt ja auch in etwa die Grundessenz von Straigth Edge wider: sich selbst Gedanken machen und nicht nur konsumieren, ohne nachzufragen.

Was bedeutet SxE für euch persönlich?

Uns hat Straight Edge eine andere Perspektive auf das Leben ermöglicht. Wir beide sind in einem Umfeld aufgewachsen, in dem Alkohol selbstverständlich war und irgendwie zu allen Anlässen dazugehört hat. Deswegen haben wir die Bedeutung von Alkohol nie wirklich hinterfragt, und so war das auch immer ein Teil des Wochenendes, um Spaß zu haben. Durch den bewussten Verzicht auf Drogen konnten wir das besser reflektieren und haben gemerkt, dass uns ohne Alkohol rein gar nichts fehlt. Dass Drogen bei Problemen auch nicht wirklich auf Dauer helfen, kommt noch hinzu. Außerdem hatten wir im familiären Bereich einige negative Erfahrungen mit Drogen beobachtet, wie auch im Zivildienst bei einem Rettungsdienst und im Obdachlosenwohnheim.

Alle paar Jahre ist Straight Edge plötzlich wieder ein Thema. Da läuft unvermittelt ein Feature über diese seltsame neue Szene im ZDF-Morgenmagazin, oder bei Spiegel Online taucht eine Meldung auf ... Was an SxE ist für die „Normalos“ und die Medien so spannend, dass es immer wieder einen erstaunten Bericht über diese asketische Jugendbewegung wert ist?

Also zum einen fasziniert natürlich ein den Drogen Entsagen, gerade weil sie so ein zentraler Teil unserer Kultur sind, und zum anderen widerspricht so etwas ja den Meldungen von Flatrate-Partys und exzessivem Alkoholkonsum. Daher wird es wahrscheinlich auch eine subkulturelle Bewegung bleiben und nie vollends im Mainstream ankommen, weil es dessen Werte offensichtlich in Frage stellt. Außerdem ist es ein sehr gern genutztes Stilmittel der Medien, solche „Extrempositionen“ darzustellen – je ausgefallener, desto besser. Bei Screenings hatten wir oft die Frage, ob es nicht vielleicht eine Mainstream-kompatiblere Form von Straight Edge geben sollte. Vor kurzem haben ich CM Punk gesehen, einen US-amerikanischen Wrestler, der als Wrestling-Gimmick die Rolle des übermoralischen Wrestlers spielt, der ja eher einer der „Bösen“ ist. Das war ganz interessant, da er auch eine Menge Fans hat, die sich ein X auf die Hände gemalt hatten, obwohl natürlich der Großteil des Publikums gegen ihn war, aber zu polarisieren ist ja auch sein Job. Keine Ahnung, wie ernst die es damit meinen, aber mit Straight beim Wrestling geht es vielleicht einen ersten Schritt in Richtung Mainstream.

Euer Film konzentriert sich rein auf die US-Szene, die europäische und die deutsche bleiben außen vor. Warum dieser Ansatz?

Mit den TEEN IDLES und MINOR THREAT hat alles in den USA begonnen und die maßgeblichen Entwicklungen sind dort entstanden, daher der Fokus auf die USA. Zum anderen hatten wir nur ein begrenztes Budget und wenn wir andere Länder mit einbezogen hätten, dann wollten wir das nur aus einer globalen Perspektive machen. Nur ein Porträt der europäischen und amerikanischen Szene hätte das Bild sehr verfälscht, da die aktivsten Szenen mittlerweile in Südostasien, Russland und Südamerika zu finden sind. Das wäre zu einem noch größerem Mammutprojekt geworden. Aber vielleicht wäre das ja interessant für eine Fortsetzung?!

Seht ihr eine stärkere kulturelle Verwurzelung von SxE in den USA als in Europa? Es wurde ja immer wieder mal gesagt, ohne die „21+“-Politik von Konzertorten in den USA, die man in Europa nicht kennt, würde es SxE kaum geben. Auch scheint mir die US-Gesellschaft von jeher viel mehr von Drogen-, Medikamenten- und Alkoholmissbrauch geplagt zu sein, ebenso wie der Puritanismus ein aus der Einwanderungsgeschichte der USA resultierendes Phänomen ist. Oder ist SxE trotz US-Herkunft ein weltweit adaptierbares Modell, unabhängig von Religion und Kultur?

Zur kulturellen Verwurzelung: Die „21+“-Politik war sicher ein wesentlicher Faktor in der Entwicklung von Straight Edge, was ja hier in Deutschland kein Thema ist. Auf diese All-Ages-Problematik geht Ian MacKaye in unserem Film ein, als er sagt, dass er nie ein Konzert spielen würde, bei dem nur Besucher ab 21 Jahren zugelassen sind. Ein wichtiger Punkt ist da vielleicht auch, dass es in den USA kaum eine Kultur linker Zentren oder Konzertorte gibt, wo ja bei uns ein wesentlicher Teil der kleineren Konzerte bestritten wird. Das sind dort meistens Kneipen, und in so einer Umgebung hat natürlich Alkohol einen ganz anderen Stellenwert, besonders wenn du unter 21 gar nicht reingelassen wirst. Und zu Straight Edge als globales Modell – die Herkunft von Straight Edge liegt ja im Punk und dieser ist sicherlich nicht ohne Grund in der westlichen Kultur entstanden. Ähnliches gilt auch für Straight Edge, denn überall dort, wo etwas bis ins Extreme vorangetrieben wird, entstehen meist auch Gegenbewegungen. Da spielen natürlich noch eine Menge anderer Faktoren eine Rolle, aber das Internet etwa hat dem Ganzen sicherlich noch mal einen gewaltigen Schub versetzt und darüber haben sich Inhalte wesentlich schneller verbreitet, so dass relativ junge Szenen wie in Russland, Südamerika oder Südostasien rasch gewachsen sind. In Indonesien zum Beispiel, dem Land mit der größten muslimischen Bevölkerung, ist Punk und Straight Edge sehr verbreitet, obwohl dort ganz andere kulturelle Identitäten herrschen, so dass eine globale Adaption bereits zu beobachten ist.

Straight Edge ist eine widersprüchliche Szene. Ihr weist auf die positiven Aspekte hin, neben der Ablehnung von Drogen aller Art auch die emanzipatorischen Bestrebungen oder den Anti-Konsumismus. Nun ist das ein guter Ansatz, aber ich muss mich aufregen, wenn Leute ihre Sucht vom Alkohol auf ausbeuterisch hergestellte, grotesk überteuerte Nike-Turnschuhe verlegen. Ich kann darin nichts Positives erkennen. Ebenso sehe ich den Aspekt des militanten Umweltschutzes à la EARTH CRISIS nicht gerade überzeugend gelebt, wenn SxE-Veganer statt auf ökologisch erzeugte Lebensmittel auf „Hauptsache vegan!“-Convenience-Produkte mit reichlich E-Zusatzstoffen zurückgreifen.

Straight Edge ist sicher kein moralisches Optimum. Ian MacKaye hat im Interview Straight Edge als einen stetigen Prozess beschrieben, Konventionen oder Normen zu hinterfragen und sich damit kritisch auseinanderzusetzen. Das kann man natürlich nicht von jeder Person in der Szene erwarten oder voraussetzen. Straigth Edge wird ja aus verschiedenen Motivationen heraus gelebt, darunter sicherlich viele gute, aber auch viele nicht so gute. In unserem Film wollten wir natürlich auch die Widersprüche, die du gerade angesprochen hast, darstellen. Nur weil eine Person Straight Edge ist, heißt das natürlich nicht, dass er oder sie einen ethisch optimalen Lebensstil hat ... Und diese Idealvorstellung moralischen Handelns wird leider auch sehr oft von Außenstehenden als Maßstab an Straight Edger herangetragen, was sicherlich auch einiger Kritik bedarf. Wir sollten uns abkehren von dieser Vorstellung und anerkennen, dass Straight Edge für manche Menschen der Verzicht auf Alkohol, Tabak und besitzergreifenden Sex ist. Nicht mehr und nicht weniger. Manche oder eigentlich sehr viele Personen sehen dies lediglich als Grundlage beziehungsweise Ausgangspunkt. Und was jeder individuell daraus macht, ist natürlich eine ganz andere Geschichte.

Auch in eurem Film erweist sich Ray Cappo von YOUTH OF TODAY als erbitterter Kritiker der Szene. Er sagte schon 2000 im Ox-Interview: „Ich bezeichne mich eigentlich nicht mehr als SxE. Das habe ich früher getan, als ich noch jünger war. Letztes Jahr gab es ja so eine Art Skandal, als ich mit einem Glas Wein in einem italienischen Restaurant gesehen wurde. Viele Fanatiker haben sich darüber aufgeregt. Ich habe sehr viel gemischte Post bekommen – manche fanden das völlig in Ordnung, aber manche fanatischen Hardliner haben sich auch bitter beschwert. Mir hat diese ganze Geschichte die Augen geöffnet – dieser ganze Fanatismus zeigt doch nur, dass irgendwas nicht stimmt. Fanatiker sind immer Idioten, egal ob SxE-Fanatiker, Krishna-Fanatiker oder was auch immer. Fanatiker haben einfach keine rationale Philosophie. Straight Edge an sich ist eine gute Sache, wenn es darum geht, sich selbst zu verbessern. Aber wenn es nur darum geht, mit dem Finger auf andere Leute zu zeigen und sie zu verdammen, dann ist das idiotisch. Eigentlich habe ich auch gar keine Lust mehr, über dieses Thema zu reden, weil es meine Privatsache ist.“ Wie geht so ein Phänomen mit eurer positiven Wahrnehmung von SxE zusammen, wie geht ihr mit den Widersprüchen um?

Gute Frage. Also, in unserem Film zeigen wir ein ausgeglichenes Bild von Straight Edge, wir zeigen positive Dinge und beleuchten auch die negativen Seiten. Ray Cappo sagt ja im Film in etwa auch das, was du hier zitierst, aber als Person, die die Idee von Straight Edge so maßgeblich mitgestaltet hat, hat er ja noch mal einen anderen Status in der Szene. Daher ist es in gewisser Weise schon nicht verwunderlich, dass es Kritik gab, gerade wenn einer der Mitbegründer sich gegen die von ihm propagierten Werte richtet. Aber natürlich hat Ray Recht, wenn er sagt, dass es seine Privatsache ist und es der Szene teilweise an Toleranz fehlt.

Wie ist eure Einschätzung zum Stand der Szene heute in Europa wie in den USA: Eine stabile oder gar wachsende Bewegung, oder eine, die ihre besten Zeiten hinter sich hat? Habt ihr eine Vorstellung, wie viele Leute sich in den USA oder Deutschland zum Kern der Szene zählen würden?

Das lässt sich nur sehr schwer einschätzen, aber wir haben beobachtet, dass die Verbreitung von Straight Edge immer sehr stark davon abhängig ist, ob es gerade viele aktive Bands gibt oder nicht. Das war ja in der Vergangenheit auch schon so und wird wohl auch in Zukunft so bleiben. Es ist immer ein Auf und Ab ... Und solange Alkohol und Drogen weiterhin einen so hohen Stellenwert in der Gesellschaft haben, wird es auch immer eine Grundlage für eine Gegenbewegung geben. Aber konkrete Zahlen zu nennen ist sehr schwer.- Festzustellen ist allerdings, dass die Szene in den USA um einiges größer ist, dort sogar teilweise Einzug in den Mainstream genommen hat und in der „normalen“ Bevölkerung durchaus ein Begriff ist.

Ich habe oft das Gefühl, dass vom Kern der Idee – dem drogenfreien Leben mal abgesehen – vieles in der SxE-Szene im Gestern spielt, und Labels wie Dischord, Ebullition oder Revelation leben fast nur vom Verkaufen uralter Bands an Kids und weniger vom Supporten einer heute aktiven Szene, vom absolut nicht antikonsumistischen Plattensammelwahn ganz abgesehen. Eure Erfahrung und Einschätzung?

Also die Bands der ersten Stunde haben sicherlich einen ganz anderen Stellenwert als heutige Straigh-Edge-Bands, denn sie bilden irgendwie das Fundament. Jeder kennt die Bands, mit denen alles begann – unabhängig davon, ob man sie mag oder nicht. Was die Labels heute machen ... nun, der Vertrieb der Klassiker, ist ja auch eine Art von Support. Viele der älteren Labels entwickeln sich weiter – oder eben auch nicht – und für die neueren Straight-Edge-Bands gibt es ja auch wiederum neue Labels. Es gibt keinen Stillstand, die Szene verändert sich ständig – und das ist auch gut so. Wir verstehen, worauf du mit der Frage hinaus willst, allerdings denken wir nicht, dass Platten sammeln – ein beliebtes Hobby bei vielen Hardcore-Kids – unbedingt konträr zu einer konsumkritischen Haltung stehen muss. Es geht ja nicht um die Anhäufung von wertvollen Dingen, sondern um Inhalte, die ja viele Menschen zum Hinterfragen, Nachdenken und Handeln anregen. Die Platten sind ja letztlich im wahrsten Sinne des Wortes nur die (Ton-)Träger einer Botschaft. Und trotz einer fortschreitenden Kommerzialisierung aller Lebensbereiche, die vor Subkulturen auch keinen Halt macht, sind viele Labels im Hardcore-Bereich immer noch selbstorganisiert, also D.I.Y., und suchen nicht den finanziellen Erfolg, so dass Platten auf Konzerten zu erschwinglichen Preisen – oftmals sogar zu Herstellungskosten – angeboten werden.

Man erfährt in „Edge“ viel über die porträtierten Personen, weniger über die Labels – welche sind heute wichtig? –, die Fanzines – gibt es noch welche? –, die Konzertszene oder die Modetrends der Szene. Was sind eure aktuellen Beobachtungen?

Also wir wollten ja die Personen in den Vordergrund stellen, damit die Zuschauer erfahren, wie die einzelnen Charaktere in ihrem täglichen Leben mit Straight Edge umgehen. Im Bereich der Labels hat sich sicherlich viel verändert, einige sind weniger aktiv, neue Labels setzen die Impulse. Insbesondere Bridge Nine aus Boston ist mit Bands wie HAVE HEART und CHAMPION sicherlich in den letzten Jahren ziemlich groß geworden. Den Sänger von HAVE HEART, Pat Flynn, haben wir auch für „Edge“ interviewt, wie auch deren Gig gefilmt bei der Edge Day Show 2007. Über Zines haben wir auch mit Kent McClard gesprochen, der ja erst das No Answers- und dann das Heartattack-Zine gemacht hat. Durch das Internet hat sich da natürlich viel verändert und Zines haben auf jeden Fall an Bedeutung verloren, was wir wirklich schade finden. Das verhält sich ja ähnlich wie mit den mp3s. Ob ich mir ein Album runterlade oder die Platte kaufe – die visuellen Eindrücke des Artworks oder Booklets fehlen, was dann im Endeffekt einen anderen Eindruck hinterlässt. Gerade bei politischen Bands fanden wir die Texte und Anmerkungen im Booklet immer interessant und die haben uns sicherlich auch maßgeblich geprägt. Mit Zines ist das ähnlich. Die haben wir früher von vorne bis hinten gelesen, wozu uns allerdings mittlerweile die Zeit fehlt. Zu den Szenen können wir gar nicht so viel sagen, allerdings ist uns bei den rund 100 Screenings, die wir bisher weltweit gemacht haben, aufgefallen, dass die Orientierung an US-amerikanischen Bands und Musiktrends immer noch enorm ist, obwohl es gerade ja beispielsweise in Europa viele gute Bands gibt. Gleiches gilt bei den angesprochenen so genannten Modetrends. Bei unseren Vorstellungen in ganz Europa, USA, Kanada, China und Malaysia war das Publikum rein äußerlich austauschbar: alle hatten die gleichen Shirts, Caps und Sneaker an. Allerdings heißt das keineswegs, dass Straight Edge ein Trend ist. Durch das Internet, insbesondere durch so genannte Social Networks ist die Szene einfach sehr eng zusammengewachsen, so dass lokale Entwicklungen eher selten sind. Insgesamt hat das sicherlich Vor- und Nachteile.

Nun ist der Film auf DVD raus, es gab schon einige Festivalaufführungen. Wie sind die Reaktionen von „normalen“ Zuschauern, wie die aus der Szene?

Der Großteil der Zuschauer sind natürlich schon Kids aus der Szene, aber zu einem kleinen Teil hatten wir auch „reguläres“ Publikum und das Feedback, was wir von denen hatten, war schon sehr positiv. In den USA waren viele Eltern von Straight-Edge-Kids im Publikum, die alle ein relativ einseitiges, meist negatives Bild von Straight Edge aus den US-Medien hatten, das wird, wie gesagt, ja ziemlich populistisch dargestellt. Die Szenegänger haben uns dann nach der Vorstellung sogar gedankt, dass wir das ganze neutral und ausgewogen porträtiert haben, und die Eltern meinten, dass sie jetzt endlich wissen, was Straight Edge wirklich ist.

Ihr habt Untertitel in zig Sprachen gemacht. Was ist der Hintergrund?

Wir wollten den Film gerne so vielen Menschen wie möglich zugänglich machen. Daher haben wir einen Aufruf auf unserer Website gepostet und es haben sich eine Menge von Menschen gemeldet und angeboten, den Film zu übersetzen. Die ganze Koordination war natürlich noch mal eine ganze Menge Arbeit, aber ich hoffe, es hat sich gelohnt! Zudem zeigt die Vielzahl von Untertiteln auch gleichzeitig, dass Straight Edge ein globales Phänomen darstellt und viele Leute in der Szene sehr hilfsbereit sind.