Musiker haben weltweit besonders heftig mit den Auswirkungen der Corona-Krise zu kämpfen. PRIMORDIAL-Frontmann Alan „Nemtheanga“ Averill hält mit seinem Ärger darüber auch gar nicht hinterm Berg. Mit seiner Spielwiese DREAD SOVEREIGN veröffentlicht er dennoch „Alchemical Warfare“ – das nunmehr dritte Album binnen sieben Jahren. Für die Zukunft gibt der Ire derweil eine düstere Prognose ab.
Die Welt ist dem Untergang geweiht“, lautet seit jeher euer musikalisches Motto. Wie fühlt sich das angesichts der aktuellen Entwicklungen an?
Nun, als Musiker sind wir aktuell ja auch irgendwie dem Untergang nah. Wir können nicht auf Tour gehen und auch nicht live spielen. Und unter diesen Umständen stehen wir genauso vor dem Aus wie die meisten Bands, die darauf angewiesen sind zu touren. Ich sage ganz ehrlich: Ohne Live-Shows gibt es keinen Grund, Musik zu machen. Die ganze Szene ist eingefroren. Wer weiß, wie sich die Dinge in Zukunft entwickeln. Aktuell würde ich aber sagen, dass die Musikszene dem Untergang viel näher ist als der Rest der Welt.
Hast du aufgrund der derzeitigen Situation ein anderes Verhältnis zur Musik entwickelt?
Natürlich. Dadurch, dass wir und auch alle anderen Bands nicht mehr live spielen, wurde die Blutzufuhr zur ganzen Szene durchtrennt. Ich will nicht auf einem Bildschirm rumhampeln, weiter proben, nur damit ich Online-Shows spielen kann. Wenn das die Zukunft ist, werde ich wahrscheinlich aufhören. Das sage ich ganz klar.
Ihr habt die Platte innerhalb eines Jahres bei verschiedenen Sessions aufgenommen. Wie genau lief das ab?
Das lässt sich ganz einfach rekapitulieren: Wir haben uns immer wieder in Dublin getroffen und die Scheibe bei einer Handvoll Sessions aufgenommen. Wir recorden prinzipiell immer gemeinsam und live, im selben Raum. Das soll und wird sich auch niemals ändern.
Ihr lebt seit einiger Zeit in unterschiedlichen Ländern. Was waren die größten Schwierigkeiten bei der Fertigstellung des Albums?
Nun, wir haben die Scheibe ja vor 2020 aufgenommen, damals war alles eigentlich noch ganz einfach: Wir konnten uns im Rahmen unseres Budgets bewegen, haben Flüge gebucht, haben Probentermine ausgemacht und hatten die ganz gewöhnlichen Probleme, die jede Band hat. Aber nun ist natürlich alles anders. Wir können nicht gemeinsam im Proberaum stehen, das Studio ist fast pleite, und auch diverse Airlines stehen vor dem Bankrott, weil niemand reisen darf. Wahnsinn, wie sich innerhalb eines Jahres alles verändern kann.
Ihr habt das komplette Jahr über eine Pause eingelegt, heißt es. Mit welchen Dingen habt ihr euch in den vergangenen zwölf Monaten beschäftigt?
Nun, ich wollte das Album in dem Jahr eigentlich nicht veröffentlichen. Es gibt mir einfach nichts. Ich sitze da und beantworte Interviews und werde mir nach dem Release auf einem Bildschirm die Verkaufszahlen anschauen. Aber für so was habe ich nicht angefangen, kreativ zu sein und in einer Band zu spielen. Fick dieses Jahr! Mal schauen, was 2021 passiert. Ich habe jedenfalls einen Podcast gestartet, der ganz gut lief in den vergangenen Monaten. Darauf habe ich mich im Wesentlichen konzentriert.
Die eine oder andere Band hat ja dennoch schon Touren für 2021 angekündigt. Habt ihr schon Pläne?
Nun, das ist ja mehr oder weniger unmöglich. Es gibt keinen Stichtag, mit dem man irgendwie planen könnte. Es ist nicht klar, wann wir unser normales Leben wiederbekommen. Irgendetwas zu planen oder auch bekanntzugeben ist also recht sinnlos. Klar kannst du das machen und hoffen. Aber es gibt eine realistische Chance, dass es auch in diesem Jahr keine Konzerte geben wird. Und vielleicht auch im Jahr danach. Wer weiß das schon. Es ist frustrierend.
Siehst du im Shutdown der Musik- und Kunstszene irgendeine Chance für die Zukunft?
Nein, da werde ich nicht lügen. Wir sind aktuell dazu gezwungen, einfach nur noch Internet-Content zu produzieren. Aber für Musiker ist es keine zukunftsträchtige Strategie, Konzerte zu streamen und immer wieder Merch-Aktionen im Internet zu machen. Zumindest nicht für ein Oldschool-Genre wie Metal, das einfach live stattfinden muss. Unterdessen wird das Monopol von Spotify weiter zementiert, wie auch das von Amazon beispielsweise. Kleine lokale Geschäfte gehen aktuell pleite. Äquivalent dazu lösen sich Bands auf. Jeder, der kreativ tätig ist, kann nur hoffen, dass er in diesen schweren Zeiten ein paar gute Songs schreibt oder sich neue Fähigkeiten aneignet. Aber am Ende brauchen alle eine Bühne, keinen Bildschirm. Das ist die Wahrheit.
Wie hast du dich in den vergangenen Monaten motiviert und bei Laune gehalten?
Es war eine schwierige Situation, klar. Aber ich habe versucht, so fokussiert und kreativ zu bleiben wie möglich. Ich bin jemand, der nicht gerne stillsteht. Ich habe definitiv Kraft verloren und irgendwie auch den Sinn. Darüber war ich wütend, keine Frage. Ich habe aber versucht, fit zu bleiben, war viel laufen, habe meinen Podcast gemacht. Den werde ich versuchen, weiter zu pushen und weiterhin Menschen irgendwie zu inspirieren. Ansonsten fühle ich mich aktuell ein bisschen wie ein Alien auf einem menschenleeren Planeten.
© by Fuze - Ausgabe #86 Februar/März 2021 und Anton Kostudis
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