Wenn es einen Musiker gibt, der mir Musik aus dem Süden der USA so nahe gebracht hat, dass sie mich nun schon längere Zeit begeistert, dann ist es wohl der in Louisiana geborene und in den 90ern nach Hamburg ausgewanderte Robert Tooke, den meisten eher bekannt als DM Bob. Seit seiner Band THE DEFICITS (seitdem verfolge ich seine musikalische Karriere) spielt er mal alleine, mal mit diversen Buddies einen herzerfrischend-knarzigen Mix aus Blues, Rock'n'Roll, Country, Swamp-Pop, Garage und noch so einigem mehr, der so was von Spaß macht, manchmal Schmunzeln lässt und mir schon so manchen Tag gerettet hat. Mittlerweile hat er schon so einige Platten auf Labels wie Crypt, Voodoo Rhythm oder Fanboy veröffentlicht, was für viele wohl schon Referenz genug ist. Aktuell spielt er unter anderem mit Jem Finer, der ja auch schon bei den POGUES die Saiten zupfte, als DM BOB & COUNTRY JEM und gemeinsam mit seiner Frau bei den WATZLOVES.
Du wurdest in Louisiana geboren. Wie ist es, dort zu leben? Warum bist du in den 90ern nach Hamburg gezogen und wie hast du dort deine Kollegen von den DEFICITS getroffen? Fährst du manchmal noch in deine alte Heimat und spielst du dort auch Gigs?
Ich wurde in einer Stadt namens Raceland geboren, 35 Meilen südwestlich von New Orleans. Übrigens ist das eine der interessantesten Städte, die ich kenne, obwohl sie sich nach dem Hurrikan Katrina etwas verändert hat. Im Allgemeinen ist das Leben dort aber heiß und funky und ein wenig gefährlich! Damals, 1966, hatte Hurrikan Betsy einen Großteil meiner Heimatstadt völlig vernichtet. Nach Hamburg bin ich 1991 gezogen - wegen einer Frau, warum sonst würde jemand nach Hamburg ziehen! - und ich traf sofort jede Menge Musiker. Meinen ersten Gig gab ich bei einer Party des Golden Pudel Clubs, dann traf ich Tank-Top und später 1995 gründete ich mit seiner damaligen Partnerin Susie die DEFICITS. Uns gab es sieben Jahre - es war nicht einfach, ein Bandleader zu sein. Nach Louisiana komme ich jeden Frühling zurück. Letzen April hatte ich eine Ausstellung meiner Bilder mit Silky von den WATZLOVES in der Peligro Galerie in New Orleans und da spielte ich mit meiner alten Band THE BUSHHOGS - die haben nichts zu tun mit George Jr.! - und den WATZLOVES. Das Konzert lief gut und wir haben das nicht wirklich erwartet.
Irgendwo hab ich gelesen, dass die DEFICITS früher einmal mit Nikki Sudden zusammengearbeitet und auch Songs aufgenommen haben ...
Ja, wir haben einen Haufen Songs mit Nikki aufgenommen und er sagte mir immer, der und der wird sie rausbringen, aber das ist nie passiert und ich denke, das wird auch jetzt nicht passieren, also ist es ein unveröffentlichtes Album ... Das letzte Mal, dass ich Nikki sah, war in Berlin, wo ich letzten September mit Jem spielte.
Dein aktuelles Album ist ein Two-Man-Band-Projekt mit Mr. Jem Finer von den POGUES. Wie und wann habt ihr euch kennen gelernt und wie kam es zur Zusammenarbeit?
Das erste Mal hab ich ihn durch Silky getroffen - sie hat zusammen mit dessen Frau Marcia Farquhar Kunst in London studiert -, das war 1998, und ich gab ihm die ersten beiden DEFICITS-LPs. Jedenfalls wurde ich oft gefragt, ob ich nicht mal in England spielen wollte. Und nachdem die Band sich aufgelöst hatte, fragte ich Jem, ob er sich nicht meiner One-Man-Band anschließen möchte und er sagte: "Ja, sehr gerne!". Also haben wir die Tour gemacht, und er kam nach Hamburg und wir nahmen "Bum Steer" auf.
Ist die Arbeit mit Jem dein derzeitiges Hauptprojekt oder gibt es vielleicht auch eine neue Version der DEFICITS? Kann man irgendwelche neuen Projekte oder Aufnahmen erwarten?
Ich habe ein paar andere Versionen der DEFICITS nach Tank-Top und Susie gemacht, dann aber mit den WATZLOVES angefangen und das One-Man-Band-Ding gestartet. Ich habe sogar eine Andy Kershaw-Show in Amsterdam mit einer "Post-Deficit"-DEFICITS-Band gespielt. Ich denke mal, es wird nie wieder das Original-Line-up geben, da Tank-Top und Susie getrennte Wege gehen, ich spiele aber immer noch viele der Songs. Verdammt, ich bin in vier Bands: THE WATZLOVES, von denen bald ein großartiges neues Album erscheint und meine One-Man-Band. Ich war gerade in Schweden und es war der Wahnsinn! Dann DM BOB & COUNTRY JEM. Er mag den Namen ja eigentlich nicht mehr, aber wie ich an "DM" klebe, klebt "Country Jem" an ihm. Am 14. November startet in Rostock unsere Tour durch Deutschland und wir werden mit den Aufnahmen für unser zweites Album beginnen. Außerdem mache ich noch ein Country-Duo mit Jakobus von JA KÖNIG JA/WATZLOVES - er begleitet mich auf der Pedal-less Steelguitar. Ich würde dennoch gerne wieder in einer Band spielen, vielleicht als Saxophonist.
John Peel hat zwei Peel-Sessions mit euch gemacht, du trittst auch in seinem Film "On The Road With John Peel" in Erscheinung ... Wie war, es ihn zu treffen?
Der alte Junge war, gelinde gesagt, vielseitig - es ist verdammt schade, dass er so früh von uns gehen musste. John Peel war ein wundervoller Gentleman mit einem unglaublichen Appetit auf Non-Mainstream-Musik, wie fast jeder wissen wird. Ich traf ihn nur ein paar Mal, aber er war immer an jedem und allem interessiert, was um ihn herum vor sich ging. Er erzählte mir von seiner Zeit als DJ in Dallas und darüber, wie er seinen Kindern immer Merle Haggards "Lonesome fugitive" vorsang. Es schien mir immer so, als würde er sich für jeden Zeit nehmen, um mit ihm zu sprechen und zuzuhören, einfach kein bisschen arrogant.
Was würdest du als deine Einflüsse bezeichnen? Sowohl musikalische, als vielleicht auch kulturelle Einflüsse aus deinen Heimatstädten?
Im musikalischen Sinne, und was mich dazu brachte, meine 12-String-Akustikgitarre zu verkaufen und mir meine erste elektrische zuzulegen - eine 63er Gretsch Corvette für 60 Dollar! -, war es die "Los Angeles"-Platte von X und die erste Hound Dog Taylor-LP. Vorher spielte ich nur die Akkorde von Neil Young-Songs ... Ich denke, ich bin von vielen Dingen beeinflusst, neben der Musik zum Beispiel auch von der Malerei. Hauptsächlich ist es aber die Musik aus dem Süden der USA, mit der ich arbeite - es gab jede Menge Cajun und Swamp-Pop in der Gegend meines Heimatortes und mit dieser Musik bin ich aufgewachsen und lernte sie zu schätzen.
Du bist nicht nur Musiker, sondern auch Maler. Für mich scheinen dein Stil und deine Intention manchmal wie eine Alternative zur etablierten Kunst, die sich nur ein paar wenige Leute leisten können ... Vielleicht Poor Art, was sich für mich wie ein lobenswertes Konzept anhört. Malst du eigentlich immer noch diese verrückten Stiere?
Ja, ich denke, auf eine gewisse Art bin ich so was wie ein proletarischer Maler. Und ja, ich male immer noch die Stiere, derzeit male ich aber Trailer-Wohnwagen.
Derzeit scheint es so was wie einen Country-Trend zu geben, wenn man sich Bands wie TEXAS LIGHTNING oder BOSS HOSS anschaut oder Musiker aus dem Punk- und Metalbereich, die plötzlich ihre Liebe zur Countrymusik zu entdecken scheinen. Wie erklärst du dir das?
Es scheint wirklich so, dass Country hier mittlerweile ein bisschen mehr akzeptiert wird, ich denke, dass das Kino da etwas Einfluss haben mag. Vielleicht haben sie aber auch die elektrische Gitarre satt? Vielleicht haben sie so was wie einen Sinn für Humor entdeckt, einen Sinn für Ironie?
Was sind deine derzeitigen Lieblingsplatten?
Ich muss zugeben, dass ich mir normalerweise nicht viel neue Musik anhöre oder kaufe - ich höre oft die KING KHAN & BBQ SHOW-LP, gerade hab ich eine OUTKAST-Compilation bekommen, die ich sehr mag. Was ich wirklich liebe, ist ein Album namens "Ethiopian Modern Instrumental Hits", das ist ein Knaller! Und die "Barnyard Soul"-LPs drehen sich auch ständig auf dem Plattenteller. Ich suche ständig nach billigen Platten, wenn ich jedes Jahr nach Texas und Louisiana fahre, hauptsächlich Southern Soul-7"s - letztes Mal habe ich eine Menge Bobby "Blue" Bland- und Z.Z. Hill-Platten gefunden und drei Martin Mull-LPs, er ist wirklich lustig. Und ich lege immer wieder "Cajun Creole Hot Nuts" auf, das ist immer klasse. Ich habe einfach zu viele Platten und das erste Mal in meinem Leben hab ich beschlossen, dass es vielleicht an der Zeit ist, ein paar davon loszuwerden ...
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #69 Dezember 2006/Januar 2007 und Alex Strucken