DIE SKEPTIKER

Als wir wir an diesem Abend pünktlich den Schacht Acht in Marl erreichten, war der Tag schon gelaufen: Dauerregen, Frisur im Arsch und die ersten Randalepunks in Sicht. Ohne Zweifel gibt es bessere Orte und Zeitpunkte für ein Interview, und dann auch noch eines mit der vermeintlichen Deutschpunkcombo DIE SKEPTIKER. Alle Leute, die das dachten (ich gehörte selbst dazu), haben sich in den SKEPTIKERN getäuscht. Hier gibt´s keinen stumpfen Anti-Nazi-Pathos oder Rumgeprolle über das harte Leben in der ehemaligen Zone. Vielmehr sind DIE SKEPTIKER eine Band, die es versteht düstere Elemente mit Punkrock zu verbinden und diese dann mit der unverkennbaren Stimme von Sänger Eugen zu mischen. Gesprochen habe ich mit Eugen (Gesang), Tom (Gitarre) und Rudi (Gitarre) wollten auch mal was sagen.

Als erstes hätte ich von euch gerne zwei Songs vom aktuellen Album erläutert. Fangen wir mit "Titania" an: Es könnte so aussehen, als ob ihr versucht einem Trend hinterher zu rennen.

Tom: Das habe ich Eugen auch gesagt, und gerade deswegen hat er das dann auch gemacht. Das ist ja auch ok. Das war halt eine Anregung, und wenn er das dann benutzt und umsetzt ist das ja eine ganz andere Geschichte als dieser grauenvolle Film, den ich persönlich übrigens nicht gesehen habe. Ich weiss gar nicht, ob Eugen sich den angeguckt hat...

Eugen: Nein, das Thema und diese schicksalshafte Katastrophe ist ja seit langem bekannt und ich muss zugeben, dass der Medienhype nicht spurlos an mir vorbeigegangen ist, sondern mir das Thema ins Bewusstsein zurückgerufen hat. Da habe ich mir dann ein bisschen Informationsmaterial besorgt - nicht von dem versunkenen Wrack - und fand es ganz interessant darüber auch mal etwas zu machen. Unabhängig vom Film ist es doch normal, dass man Anregungen gerne benutzt. Der Fall der Mauer ist ja auch in irgendwelchen Titeln verarbeitet worden. Wenn irgendwelche Themen da sind, auch wenn´s hier nur ein Medienhype war, davon lässt man sich halt inspirieren. Das halte ich für einen ganz normalen Vorgang.

Habt ihr eigentlich schon ein paar Sticheleien abgekriegt, weil euer Song "Verteilungskampf" so verdammt nach RAMMSTEIN klingt?

Tom: Das habe ich eigentlich nicht gehört.

Eugen: Ja doch, es ist schon geschrieben worden. Das finde ich albern. Das, was RAMMSTEIN machen, haben sie ja auch nicht kreiert. Da könnte man denen eher vorwerfen, dass die z.B. DIE KRUPPS kopieren. Wenn man Stumpfheavymetalbeat in einer gewissen Monotonie spielt, ist das nicht gleich mit dem RAMMSTEIN-Etikett zu belegen.

Tom: Zumal das Thema vom Text her ein ganz klares Statement ist, was man bei RAMMSTEIN ja nicht so sagen kann. Bei denen fehlt immer so ein bisschen Kontext, man weiss nie wie sie was und warum meinen. "Verteilungskampf" ist eine klare Aussage, und wie das jetzt musikalisch verpackt ist, da sind die Möglichkeiten eben breit gefächert.

Eugen: Es sind letztendlich alles musikalische Stilistiken, die man verarbeitet und sozu sagen durch den Stil-Wolf dreht.

Ihr werdet ja von vielen Leuten immer noch auf alte Parolen-Songs wie z.B. "Strassenkampf" reduziert. Fühlt ihr euch nicht kräftig missverstanden, wenn die Leute auf Konzerten nur die alten Parolen-Klopper hören wollen?

Tom: Ich bin ja erst drei Jahre dabei und ich wollte das Stück am Anfang nicht spielen. Ich konnte überhaupt nicht gut damit umgehen. Aber dann war relativ früh klar, dass man es auf Konzerten spielen muss, weil die Leute das einfach erwarten.

Eugen: Die Leute machen ihre potentielle Hits selber fest und die sollte man ihnen nicht vorenthalten. Wir haben solche Songs auch mal aus dem Programm gestrichen, aber man wäre ja selbst auch enttäuscht wenn man zu einer Band geht und das, was man selber als Hit empfindet, kommt dann nicht.

Tom: Die "Sauerei"-LP ist natürlich im SKEPTIKER-Programm eine enorm wichtige Platte, wie ich finde. Das merkt man auch an den Reaktionen, aber ich persönlich finde die "Harte Zeiten" besser. Auf der "Sauerei"-LP ist der ein oder andere Hit dabei, aber das, was die SKEPTIKER ausmacht, ist die "Harte Zeiten"-LP, meine ich.

Würdet ihr heute nochmal auf einem Sampler wie z.B. "Schlachtrufe BRD", wo damals "Strassenkampf" vertreten war, mitwirken?

Tom: Also ich habe da noch nie mitgemacht. Wart ihr da echt drauf?

Eugen: Ja, Berührungsängste unsererseits gibt´s da nicht, man guckt sich an, wer noch drauf ist und was der thematische Aufhänger ist.

Der thematische Aufhänger bei diesen Samplern sollte wohl klar sein...

Eugen: Ja, aber einen Song wie "Verteilungskampf" könnte ich mir da drauf gut vorstellen, weil es thematisch sehr passend wäre.

Tom: Aber irgendwie ist es ja auch eine Kommerzialisierung von politischen Parolen, die eigentlich dann recht platt an den Mann gebracht werden. Was ist das eigentlich für ein Label? Rock-o-Rama?

Falsch, A.M. Music.

Eugen: Rock-o-Rama ist ja die ganz andere Ecke.

Tom: Ach ja...

Wenn ich mir die Texte so angucke stelle ich mir die Frage, ob ihr eher einen lyrischen oder einen politischen Anspruch habt.

Tom: Eher einen inhaltlichen.

Eugen: Das eine schliesst das andere ja nicht aus. Nur Politik oder nur Lyrik wäre blöd. So eine gewisse Vielfalt ist eine nette Mischung.

Wie wär´s mit ein paar Worten zum "Punk Un-Correctness"-Sampler, auf dem ihr ja auch vertreten seid?

Eugen: Peinlich! Ganz peinlich!

Tom: Mir war vorher nicht klar, was das werden sollte, und als ich mir das dann hinterher angeguckt habe, habe ich mich schon gewundert. Wenn man sich nicht so richtig drum kümmert, kann man nicht später das Maul aufreissen und sich beschweren.

Eugen: Dieses völlig bekloppte Cover, da habe ich mich tierisch geärgert.

Tom: Das Cover war schlecht, der Text hintendrauf war noch schlechter, also dass man probiert hat sich ins rechte Licht zu rücken und über dieses Motto noch ein paar Platten zu verhökern. Da kann ich überhaupt nichts mit anfangen.

Eugen: Das war nicht so der grosse Renner, das Teil.

Ansonsten kommt ihr aber mit der Aussage klar?

Tom: Ich habe das echt nicht gewusst, unter welchemn Motto das Ding läuft. Ich weiss gar nicht warum man das so rausstellen muss. Punk-Correctness oder eben Un-Correctness sind doch kein Mass-Stab. "Wir wissen nicht was wir machen wollen, dann machen wir halt das hier", genau so kommt mir das vor. Da könnte man auch wieder für einen autofreien Sonntag plädieren.

Themawechsel: Die PDS wird ja von vielen Linken als echte Opposition gesehen, wie kommt ihr als Ostberliner denn damit klar? In der heutigen PDS sind doch auch viele Leute vertreten, die z.B. das ein oder andere Auftrittsverbot durchgesetzt haben.

Rudi: Als Alternative zu den alten Parteien sehe ich die heute schon als Opposition. Ich habe als Einzelperson sehr stark unter dem SED-Regime gelitten und habe da auch mal eingesessen. Nach 10 Jahren bin ich aber kein Ostler mehr, sondern Europäer. Ich sehe die, im Vergleich zu den etablierten Parteien, schon als Opposition an. Wenn ich den Menschen nicht zutraue, dass sie sich ändern können, dann würde ich nicht an die Menschen glauben.

Tom: Also ich glaube, dass gewisse Faschos sich nie ändern werden...

Rudi: ...Das ist es ja. Nehmen wir mal die Diskussion über die BÖHSEN ONKELZ: Selbst wenn du denen nicht zutraust, dass sie sich nach Jahren nicht geändert haben, dann glaubst du nicht an dich selbst.

Eugen: Also denen traue ich das nicht zu.

Tom: Die speziell wollte ich auch gar nicht ansprechen, das Thema lasse ich mal aussen vor, da kenne ich mich nicht so aus. Aber ich glaube, gewisse Tendenzen sind unveränderlich. Wenn man vor sieben oder acht Jahren die Grünen gewählt oder unterstützt hat, die kann man heute auch nicht mehr wählen. Die sind jetzt an der Regierung und müssen dafür alle ihre Ziele fallen lassen, damit sie irgendwie akzeptiert werden. Da finde ich die PDS ein bisschen attraktiver als Oppositionspartei als die Grünen oder die CDU. Und dass eine Opposition da sein muss ist ja klar.

Rudi: Als Alternative kannst du auch die APPD oder so wählen. Das ist doch auch Schwachsinn...

Eugen: Deutsche-Biertrinker-Union!

Rudi: Auch wenn in der PDS ein paar Idioten sitzen, ist das trotzdem eine Opposition.

Tom: Man sollte froh sein, dass Gysi bei der PDS und nicht bei der DVU ist, sonst würde das noch echt gefährlich.

Kommt man nach zwölf Jahren Bandgeschichte nicht mal auf den Gedanken so ein Band-Ego-Teil oder ein Nebenprojekt zu machen?

Eugen: Ist alles schon in Arbeit. Ich werde noch eine andere Band aufziehen. Mehr werde ich jetzt nicht verraten.

Welche Personen oder Gruppen haben den die SKEPTIKER geprägt? Musikalisch wie auch textlich.

Eugen: Die DEAD KENNEDYS auf jeden Fall. Mehr fällt mir spontan nicht ein. Ich wollte immer mal eine Platte nur mit Nietzsche-Texten und so machen.

Das wäre ja so ein Band-Ego-Teil.

Eugen: Da erzähle ich schon zehn Jahre von und bisher hat es nicht geklappt. Das ist ziemlich albern, irgendwie. Das habe ich sogar mal im Fernsehen angekündigt.

Wenn man zwölf Jahre in den selben Clubs vor den selben Leuten spielt und sich trotzdem stetig weiterentwickelt, frustriert das nicht auf Dauer?

Eugen: Schön, dass du das so sagst.

Tom: Also ich mache das völlig wertfrei. Mir macht das Spass, und die Leute sind ja ok. Von daher ist das besser, als nichts zu machen. Wenn man mal vor nicht so vielen Leuten spielt, dann muss man da durch und muss dann halt selbst Spass haben.

Eugen: Das ist wie im zwischenmenschlichen Bereich, man kann niemanden zwingen einen zu lieben. Das entscheiden letztendlich die Leute. Ein bisschen frustrierend ist das schon, auf einem gewissen Level stehen zu bleiben. Für sich selbst hofft man ja, dass es immer stückchenweise weiter geht, und wenn du über Jahre auf deiner Treppenstufe stehenbleibst, ist das frustrierend und man überlegt, ob man nicht doch lieber eine andere Band machen sollte. Dass wir das, was wir machen, gerne machen, ist kein Thema, es ist nur schwer, sich damit zu behaupten.

Tom: Man kann heute ja froh sein überhaupt noch was zu machen, egal ob jetzt der Fluch der Stagnation auf einem lastet oder nicht. Wenn man was hat, was man spielen kann, und auch ein paar Leute kommen, ist das in diesen technoiden Zeiten eine Oase.

Was ist die Motivation dafür, zwölf Jahre lang eine Punkband zu machen?

Tom: Da wird der Beruf zur Berufung.

Eugen: Was mich daran immer noch interessiert, ist, dass ich als Teenie mit der Musik gross geworden bin - wäre es Techno gewesen würde ich wohl heute Techno machen. Aber weil es nunmal Punk war, wird die Liebe zu dieser Stilistik mich nicht verlassen.

Gibt´s zum Schluss noch ein paar gute Storys zum Thema "Auftrittsverbote in der DDR" zu erzählen?

Eugen: Na klar. Man brauchte damals eine offizielle Auftrittsgenehmigung, um in irgendwelchen Clubs zu spielen, und weil wir dachten, dass wir nie eine kriegen würden, haben wir mit einer Auftrittsgenehmigung einer anderen Band unter falschem Namen gespielt. Dann sind wir ziemlich schnell bekannt geworden und haben uns dann offiziell unter dem Namen SKEPTIKER vorgestellt und eine Einstufung gemacht. Da waren dann zwei Partei-Bonzen, die meinten man sollte das sofort verbieten, aber da waren auch zwei aktive Musiker dabei, die uns kannten, und die haben sich so für uns stark gemacht, so dass wir zum Schluss die beste Einstufung bekamen, die man haben kann. Da haben wir ziemlich Glück gehabt.