Gabi Delgado ist kein Nostalgiker. „Altes Zeug höre ich lediglich aus musikhistorischen Gründen“, sagt er. Aus eben jenem Grund haben Herbert Grönemeyer und Grönland nun die „Das ist DAF“-Box aufgelegt – und wir uns mit Delgado und seinem Partner Robert Görl unterhalten.
In den frühen Achtziger Jahren waren Robert Görl und Gabi Delgado die Speerspitze der elektronisch-rhythmischen deutschen Populärmusik. „Der Mussolini“ erklang in jeder Disko, die Tanzflächen waren voll. Nun kommt als Vinyl- und CD-Box das Werk der prägenden Dekade mit den vier Alben „Die Kleinen und die Bösen“, „Alles ist gut“, „Gold und Liebe“, „Für immer“ sowie mit dem neu aus alten Bändern geremixten „Reworx“ in die Läden. Robert Görl: „Als Grönland die Idee der DAF-Box hatte, sollte sie ursprünglich das Gesamtwerk beinhalten. Jetzt ist es ein Best-Of mit unseren vier Hauptalben geworden. Unser erstes Album nennt Gabi das ‚Nulleralbum‘, weil er auf ,Produkt der deutsch-amerikanischen Freundschaft‘ nicht dabei ist. Das sechste Studioalbum, ‚1st Step To Heaven‘, haben wir in Englisch aufgenommen. 1986 ist es sehr schräg angekommen. Damals ist es richtig durchgefallen, die Leute fanden es zu abgehoben. Seit zwei, drei Jahren mögen sie es jedoch.“
Das siebte, bisher letzte DAF-Studiowerk, „Fünfzehn neue DAF-Lieder“ (2003), entsprang nach Trennungen und Reunions einer völlig anderen Epoche, die mit dem Aufbruch der Szene und dem Ratinger Hof in Düsseldorf nichts mehr zu tun hatte. Die Vinyl-Variante der Box enthält eine Single mit zwei im April/Mai 2017 aufgenommenen, brandneuen DAF-Songs. Lopez: „Die Tracks heißen ‚Sprache der Liebe‘ und ‚Hallo, ich bin nicht da‘. ‚Sprache der Liebe‘ ist für mich ein neuer Klassiker.“
Gabriel Delgado López lebt mittlerweile in seinem Geburtsort Córdoba in Spanien: „Ich pendele zwischen Córdoba und Miami hin und her, weil ich dort als DJ arbeite. In Deutschland hat mich vieles gestört, die Überregulierung und die GEZ hat mich total genervt.“ Seine Träume erlebt er in Deutsch, Englisch und Spanisch. „Wenn ich von deutschen Freunden träume, dann passiert es auf Deutsch. Wenn ich von meiner spanischen Familie träume, sprechen wir spanisch.“
Spanisch kommen einem auch die Gedanken bezüglich des Produzenten Conny Plank vor. Plank war der deutsche Produzent der Siebziger und Achtziger Jahre, seine Arbeiten mit KRAFTWERK, NEU!, Michael Rother, CAN, RHEINGOLD, IDEAL und DAF sind bahnbrechend! Plank wurde kürzlich mit „The Potential of Noise“, einem Film von Reto Caduff und Stephan Plank, noch einmal besonders geehrt. Wie empfinden Görl und Delgado die Arbeit mit dem Mann, der auch den Longplayer „Alles ist gut“ inklusive „Der Mussolini“ produzierte. Lopez: „Für mich persönlich war Conny Plank mein Meister. Er hat mir so viel beigebracht. Studiotechnik, Kompressionen aufbauen – ich war bei ihm sozusagen in einer nicht offiziellen Lehre. Conny hat alle seine Produktionstricks offen gezeigt, und mir auch das Business beigebracht.“
Die Geschichte, Plank hätte quasi wie eine Großmutter alle seine (Kuchen-)Rezepte weitergegeben, damit sie nicht in Vergessenheit geraten, macht die Runde. Lopez: „Conny hat die Rezepte ganz offen geteilt. Er war quasi wie ein Vater, hat mir viel beigebracht über das Leben und die Kunst. Er sagte, ‚Toll, dass du zu 100% ein Künstler bist. Aber das allein bringt nichts. Du musst auch 100% ein Businessmann sein, um dein Werk zu kontrollieren! Ich möchte allerdings betonen, dass Conny für mich eine ganz andere Bedeutung hat als für den Robert. Für mich war da ganz viel mehr. Ich kenne auch Connys Sohn Stephan – als Kleinkind, sowie als Erwachsenen!“
Fairerweise muss hier vermerkt werden, dass die Gespräche mit Delgado und Görl an verschiedenen Tagen geführt wurden. Während Delgado fernmündlich in Córdoba Rede und Antwort stand, war Görl in Berlin persönlich verfügbar. Görl: „Diese Aussagen macht der Delgado erst seit zwei Jahren!“ Während Delgado stets vom Conny und vom Robert sprach, nennt Görl die Protagonisten meistens respektvoll beim Nachnamen. Görl: „Es hat mich überrascht. Vielleicht weiß ich auch einiges nicht. Anscheinend ist Delgado privat bei Plank gewesen, hat dort Unterricht genommen. Diese Infos habe ich vor 2015 allerdings nie gehabt. Plank war für mich ein guter Top-Producer. Wir waren total stolz, die Zusammenarbeit mit ihm hat ‚uns total getaugt‘. Wir wussten, wenn Plank uns produziert, wird das Türen öffnen. Er hatte eine Riesenstruktur. Wenn er produziert hat, hatte man gleich auch einen Verleger und eine Plattenfirma. Selbst im Studio war er ein guter Tonkutscher. Sein Part kam am Schluss, wenn abgemischt wurde. Er hatte ein wahnsinniges Equipment. Wir wussten, der Sound wird fett! Wenn er gemischt hat, habe ich aber oft auch gesagt: ‚Das fand ich jetzt nicht so gut, der Bass ist zu hallig.‘ Gabi fand die Bassdrum meisterlich. Ich: ‚Warum schwabbert der Sequenzer so? Nee, gefällt mir nicht.‘ Dann haben wir den Effekt wieder herausgenommen. Das letzte Wort hatten stets Gabi und ich. Es gab nie Stress. Wir haben uns immer geeinigt! Aber, oh là là, Plank war sein Meister ... Jeder gute Producer hat einen Namen, eigene Rezepte drauf. Es kommt darauf an, wie er die Mischung macht. Bei DAF darf kein Effekt auf die Elektronik! DAF ist nackt! Plank musste sich viel zurückhalten. Bei uns war der Sequenzer pur und knackig. Keine Eff–ekte! Die Sequenzer durfte auch der Plank nicht verändern!“
In punkto „Revorx“, dem Remix-Album, als fünfte CD der Box den Originalen beigefügt, sah die Vorgabe ungleich anders aus. Görl: „Wir haben den Remixern erlaubt, Hand anzulegen, wie sie es wollen. Giorgio Moroder zum Beispiel hat bei seinem ‚Mussolini-Remix‘ viel Text rausgenommen, nur die Zeile ‚Tanz den Mussolini‘ stehen lassen.“
Lopez: „Ich bin gegen eine Restaurierung und Musealisierung von Dingen. Es ist eine interessante Strategie, auch das eigene Denkmal anzugreifen. Die ganze Tabuisierung beim Dritten Reich hat im Endeffekt doch dazu geführt, das unterprivilegierte Männer im Osten von Deutschland es total interessant finden. Diese Zahlen sind im Osten signifikant höher als im Westen. Tabuisierung bewirkt die Schaffung von negativen Denkmälern. Diese muss man umstoßen! Im Text von ‚Der Mussolini‘ wird das klar. Adolf Hitler, Jesus Christus – alles totalitäre Ideologien. Auch der Vatikan, das Christentum, der Kommunismus, Faschismus – hier sind die Darstellungsformen der Machtstrukturen austauschbar.“
Damit in Sachen DAF keine falschen Informationen kommuniziert werden, hat Görl bereits auf den Originalschallplatten dafür gesorgt, als Multi-Instrumentalist und Komponist gekennzeichnet zu werden. Dort steht „Musik: Görl; Words/Lyrics: Delgado“. Görl: „Damals habe ich gedacht, das reicht.“ Dennoch wurde er oft einfach als „der Schlagzeuger von DAF“ gesehen. Görl: „Ich denke, Leute, die so denken, sind Neider. Dafür ist es gut, dass es nun auch das DAF-Buch ,Das ist DAF. Die autorisierte Biografie‘ gibt. Da geht es tiefer ins Detail. Von uns beiden abgesegnet!“
Danke.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #135 Dezember/Januar 2017 und Ralf G. Poppe