DETROIT COBRAS

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100% D.I.Y. Jukebox

Detroit, Motorcity, 2004. Die Luft scheint dort neuerdings zu brennen, so viele heiße junge Talente wie in den letzten Monaten wurden dort seit den späten 60ern nicht mehr gesichtet. Wahrscheinlich hat es dort schon länger gebrodelt, doch erst der WHITE STRIPES-Urknall hat die dunkle Garagerock-Materie in diesem Sektor sichtbar werden lassen. Zu den Profiteuren des Trends gehören sicherlich auch die DETROIT COBRAS. Mit einer neuen Mappe voller exquisit ausgesuchter Cover aus Detroits Blütephase stieg das Quintett in den Nightliner, um endlich auch mal deutschen Tanzwilligen den Boogaloo, Shimmy und Shake beizubringen. Gitarristin Mary Restrepo war dabei so freundlich, mit dem Ox ein klärendes Vier-Augen-Gespräch zu führen.

Ist das wirklich eure erste Europatour?


„Ja, unglaublich. Wir waren zwar schon ein paar Mal für einzelne Konzerte in Spanien und England, aber in Deutschland spielen wir jetzt wirklich zum ersten Mal“

Und wie gefällt es euch hier? Vorgestern habt ihr in Hamburg gespielt. St. Pauli muss doch für die DETROIT COBRAS ein Paradies auf Erden sein ...

„Ja, exakt. Hamburg war klasse, aber ich dachte immer, Berlin wäre die Stadt mit der Mauer, haha! Ernsthaft: Da stehe ich dann wirklich vor dieser Mauer mitten im Amüsierviertel von St. Pauli und man lässt mich nicht durch diese verdammte Straße gehen, nur weil ich ein Mädchen bin. Aber von Mauern habt ihr Deutschen schon immer viel verstanden, haha!“

Auf eurer neuen LP habt ihr Hank Ballards „Cha Cha Twist“ noch mal aufgewärmt. Warum denn das?

„Weißt du, man hat diesen Song für einen Softdrink-Spot benutzt, und deshalb war es besser, ihn noch mal aufzunehmen. Außerdem haben wir dazu nun auch einen Videoclip – unseren ersten!“

Was hältst du denn von Garage/Punk-Songs in der Werbung? Hört man sich da nicht schnell satt an einem Song?

„Wir sehen eigentlich nicht viel Werbung. Aber ich habe schon öfters mal einen guten Song in der Werbung gesehen, den ich selber gerne gespielt hätte, und dann nervt es schon etwas. Aber das Radioprogramm bei uns ist so mies, dass meistens bei der Werbung die besten Songs laufen. Also lieber ein guter Song in der Werbung als gar keiner ...“

Aber es wäre doch nett, so was wie diese Coke-Jingles aus den 60ern wieder aufleben zu lassen, als jede coole Band, die was auf sich hielt, „Things go better with your favourite soft drink“ spielte?

„Ja genau! Ich gehöre auch zu dieser Generation, und ich kenne 1.001 Jingles. Und ich bin jetzt auch nicht so p.c., dass ich sagen würde ‚Coke ist so böse, für die machen wir nichts‘.“

Auf eurer LP gibt es einen einzigen eigenen Song, Warum so viele Cover, sind die guten Songs alle schon geschrieben?

„Wir haben bislang ausschließlich nachgespielt. Ich liebe Cover und ich liebe gute Songs. Und LPs kosten eine Menge Geld heutzutage, dafür möchte ich auch eine Platte haben, die von Anfang bis Ende gut ist, nicht nur ein oder zwei gute Stücke, und der Rest ist dann Durchschnitt.“

Und das Hauptkriterium für DETROIT COBRAS ist, dass ihr den Song liebt und man dazu gut abfeiern kann?

„Ja, natürlich. Und ein weiterer Grund für unsere Cover ist, dass man diese Songs sonst nirgendwo hören kann. Unsere Meinung dazu ist: Wenn du deine Lieblingssongs nirgends zu hören bekommst, spiele sie einfach selbst. Das ist D.I.Y.-Radio. Wir haben die Band gegründet, um zusammen zu trinken, zu rauchen, Spaß zu haben und die Musik zu spielen, die es nirgends sonst zu hören gibt. Was den ‚Hot dog‘-Song auf der LP betrifft: Ich wollte nie einen eigenen Song veröffentlichen, wenn ich nicht sicher bin, dass er mit den anderen Songs mithalten kann. Wir haben schon sechs Songs geschrieben, aber das war der Einzige, von dem ich sicher war, dass er auch den Qualitätsanspruch erfüllen konnte. Ich würde nicht wollen, dass mein Song der Schlechteste auf der Platte ist, und ‚Hot dog‘ ist es auf keinen Fall!“

Wenn ihr Cover auswählt, wer von euch ist denn derjenige mit der größten Plattensammlung? Wer schleppt neue Songs an?

„Eigentlich jeder. Und vor allem: Als Mädchen gibt’s immer irgendwen, der dir ein Mixtape schenkt, um dich danach flachzulegen. Und wir sind zwei Mädchen in der Band. Kannst du dir vorstellen, wie viele Tapes wir haben? Und diese Typen mit den großen Plattensammlungen, sie wollen sich auch immer gegenseitig übertreffen. Aber das ist auch recht lustig. Immer dieses ‚Kennst du das schon? Hast du diese oder jene Platte?‘. Ich will doch auch mit dem angeben, was ich kann oder habe. Und wenn’s darum geht, großartige Musik miteinander zu teilen, um so besser.“

Spielt ihr schon lange in dem aktuellen Line-up?

„Oh nein, diese Besetzung ist ganz neu. Unser Schlagzeuger ist erst seit drei Shows dabei, unser alter Schlagzeuger wollte nicht mit auf die Tour kommen. Jeder in Detroit hat zwei oder drei Bands, und er wollte sich lieber auf seine anderen Projekte konzentrieren. Aber unser neuer Schlagzeuger – der spielt sonst bei den SIGHTS – hat dann angeboten, auf der Tour mit uns zu spielen. Detroit ist zwar groß, aber irgendwie gibt es auch nicht so viele Leute, die auf unseren Sound stehen. Das ist dann doch eine Nische, und so kommt es, dass immer wieder die gleichen Musiker miteinander spielen. Detroit erinnert mich ziemlich an Deutschland, speziell diese Ecke hier. Alles ist dunkel, grau, schmutzig, aber wenn du ein paar Kilometer raus fährst, bist du schon im Grünen.“

Habt ihr schon mal daran gedacht eine Compilation à la „Songs We Taught The DETROIT COBRAS“ raus zu bringen?

„Das versuchen schon einige Leute zur Zeit. Aber es ist doch viel interessanter, sich selbst auf die Suche nach den Originalen zu machen. Gerade, weil es zum Teil ziemlich rare Sachen sind. Wir haben auf dem zweiten Album diesen Song ‚Oh my lover‘. Ich bin oft gefragt worden, von wem das Original ist, und es ist die B-Seite von ‚He’s so fine‘ von den CHIFFONS. Nicht unbedingt selten, aber einfach ein übersehenes Juwel. Das ist schon verrückt. Und es gibt ja noch ca. 15.000 obskure Songs da draußen. Das ist wunderbar. Ich bin eigentlich nicht dafür, diese Coversong-Originale wieder zu veröffentlichen. Sie sind doch da, findet sie einfach. Tut mal was selber, seid nicht so faul, haha!“

Alle von den DETROIT COBRAS haben noch irgendwelche anderen Bands und Projekte. Lebt ihr denn jetzt von der Musik?

„Mittlerweile geht das schon, nicht zuletzt wegen den WHITE STRIPES. Deren Erfolg hatte auf jeden in der Musikszene von Detroit einen Einfluss. Und das sind auch wirklich tolle Leute. Sie sind sehr nett, sie arbeiten wirklich hart, sie sind großzügig. Für das Video von ‚Cha Cha Twist‘ kam Meg White zu uns, sie hatte sich ein eigenes Kostüm geschneidert und wollte unbedingt beim Video mitmachen. Wir sagten ‚Du kannst nähen?‘, und sie meinte: ‚Morgen früh ist es fertig‘. Da sie aber gerade selber im Studio waren, um ihre Platte abzumischen, haben wir dann mit dem Videodreh bis halb vier morgens gewartet. Also, wir können von unserer Musik leben, aber Detroit ist auch nicht so teuer, denn alles ist ziemlich runtergekommen, deshalb ist es auch ziemlich billig, dort zu leben.“

Habt ihr mal darüber nachgedacht, eure alten Singles und Compilation-Beiträge auf einer Compilation rauszubringen?

„Ich glaube nicht, dass irgendwer das machen möchte. Wir waren bei fast jeder Platte in einer anderen Besetzung, und da gibt es dann oft irgendwelche Streitigkeiten zwischen den Leuten. Da geht es oft um dumme Kleinigkeiten, das ist schon ziemlich blöd.“

Na dann vertragt euch mal schön wieder, damit wir mal die alten Platten zu hören bekommen! Und Dankeschön für das Interview.