DEAD END KIDS

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Heiße News und dreckige Wahrheiten

Mit „Heiß und Dreckig“ veröffentlicht das Trio aus Leipzig ein neues Album, das sich ohne weiteres mit dem letztjährigen Vorgänger „Kommando Glitzer“ messen kann. In der quietschbunten Verpackung steckt neben einer ordentlichen Ladung Power-Punkrock auch so viel nötige Kritik an Schwurbelvolk, Machtmissbrauch, Bullshit-Jobs, toxischen Beziehungen und Ellenbogengesellschaft. Im Gespräch mit Caro (voc, gt), Fatima (dr, voc), und Charlie (gt) ging es vor allem, aber nicht nur um das neue Album.

Das Album heißt „Heiß und dreckig“. Was steckt dahinter?

Fatima: Heiße News und dreckige Wahrheiten erwarten dich passend zum Albumcover. Wird bestimmt demnächst bei „red.“ auf ProSieben diskutiert.

„Influenza“ beschreibt die Sucht, die Social Media auslösen kann. Wie weit könnt ihr euch selbst dem entziehen?
Caro: Ja, Social Media sind Alltag geworden. Zumindest nehme ich das bei den Menschen in meinem Umkreis wahr. Dabei bemerke ich immer wieder, dass es einigen davon ziemlich schwerfällt, ohne das Smartphone und ständige Erreichbarkeit unterwegs zu sein. Teilweise nehmen sie auch ihr Handy in die Hand, obwohl zum Beispiel ihr Akku leer ist, und wollen ihre Nachrichten checken. Es sind also schon automatisierte Handlungen erkennbar. Das finde ich schon erschreckend. Ich selber entziehe mich dem ganz bewusst. Das klappt mal mehr und mal weniger.
Charlie: Ich muss gestehen, dass ich zumindest über Facebook- und Instagram-Accounts verfüge. Als interessierter Musikkonsument sind das für mich gute Werkzeuge, um bei Konzerten oder meinen Lieblingskünstler:innen up to date zu bleiben.
Fatima: Die Plattformen sind wichtige Kanäle, die von TDEK-Hörer:innen genutzt werden. Da sind wir gern, um mit ihnen in Kontakt zu bleiben und die Leute über uns zu informieren. Darüber hinaus habe ich mich in den letzten Jahren viel mit den Funktionen und Einflüssen von Social Media beschäftigt, was mich aber eher abschreckt und oft von diesen Plattformen fernhält. Es gab aber auch schon andere Zeiten.

In „Achtung, Einspruch!“ thematisiert ihr das Verhalten der Cops. Sind da auch eigene Erlebnisse mit eingeflossen?
Caro: Tatsächlich habe ich damit noch keine Erfahrungen machen müssen. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber ich arbeite im sozialen Bereich und bin somit im regen Austausch mit Menschen, die bereits Polizeigewalt erleben mussten. Das beschäftigt mich dann schon sehr.
Fatima: Eigene Gewalterfahrungen mit Cops hatte ich zum Glück noch nicht. Doch Freunde und Bekannte schon, was mich jedes Mal aufs Neue schockiert.
Charlie: Ich bin bisher auch verschont geblieben, jedoch werde ich oftmals medial mit dem Thema konfrontiert.

„Luxusprobleme“ und „Ego“ skizzieren die Ellenbogengesellschaft, in der wir leben. Sind wir Paradiesvögel, wenn wir uns für das „Wir“ und nicht das „Ich“ entscheiden?
Caro: Puh, das ist eine schwierige Frage. Ich umgebe mich mit Menschen, denen das „Wir“ wichtig ist. Aber ich bin mir bewusst, dass das Menschen aus meiner Bubble sind. Außerdem denke ich, dass niemand von uns den Egoismus zu 100% ablegen kann. Wir sind zu sehr damit konfrontiert. Aber ich bin mit dem „Wir-Gefühl“ noch aufgewachsen, sicherlich auch dadurch geprägt. Dennoch bringt der Kapitalismus das Ego auch in uns zum Vorschein. Komplett frei bin ich davon auch nicht. Der Umgang damit und auch das Hinterfragen seiner eigenen Privilegien zum Beispiel sind total wichtig.
Charlie: Da schließe ich mich Caro an. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass durch die Corona-Pandemie, die Lockdowns und die damit verbundene soziale Isolation die Neigung zu egoistischem Verhalten bei der einen oder anderen Person in der Bevölkerung gewachsen ist. Andererseits habe ich in letzter Zeit auch oft gute Beispiele für Zivilcourage gesehen, was ja auch wieder für ein „Wir“ spricht.
Fatima: Ich strebe eine gesunde Balance zwischen „Wir“ und „Ich“ an. Es gibt Lebenssituationen, in denen zum Beispiel Selbstfürsorge an erster Stelle steht. Gleichzeitig stehe ich für Solidarität und eine achtsame Gemeinschaft ein. Denn „Gemeinsam sind wir stark!“, wie es ja im Kinderlied heißt. „Luxusprobleme“ beschreibt ein Extrem und die Perspektive, dass man öfter mal dankbar sein und, wie Caro sagt, seine Privilegien hinterfragen sollte.

Bei „Verliebt“ und „Kartoffelsalat“ geht es um die Vermischung von Rechtsradikalismus, Verschwörungserzählungen und Schwurbelei. Wie präsent ist das in eurem Alltag?
Caro: Wie man merkt, haben wir damit so viele Auseinandersetzungen in den letzten Jahren gehabt, dass das gleich in zwei Songs verarbeitet werden musste. Ich war glücklicherweise nicht davon betroffen, dass ich mich in meinem privaten Umfeld von Menschen verabschieden musste. Aber im beruflichen Umfeld oder durch Berichte von Freunden wurde ich damit sehr konfrontiert und war fassungslos über die Auswüchse und Entwicklungen in den Köpfen der Menschen. Und da war es egal, welche Einstellung die Person vorher hatte. Manche Leute wurden einfach verzaubert und in den Bann der Idioten gezogen.
Charlie: Ich hatte Glück, weder in der Familie noch im Freundeskreis davon betroffen zu sein, jedoch wurde ich im beruflichen Umfeld hier und da mal mit Meinungen und Aussagen konfrontiert, die schon deutlich unter das Thema fallen. Es ist dann sehr schwierig, sich mit den entsprechenden Personen auseinanderzusetzen, weil man ja ständig miteinander zu tun hat.
Fatima: Verschwörungsmythen und Schwurbelei begegnen mir aktiv, doch in einem erträglichen Ausmaß, im beruflichen und familiären Kontext. Ich habe gelernt, damit umzugehen, wenn Menschen der Meinung sind, dass China Corona entwickelt hat, um die Welt zu beherrschen, oder Trump eigentlich doch der eigentliche Wahlsieger ist.

Mit „Immer mehr“, „Monopoly“ und „Arbeit“ gibt es gleich einen Dreierblock, der sich mit den kranken Auswüchsen der Gier beschäftigt. Ihr singt: „Arbeit ist das Wichtigste, ohne Arbeit bist du nichts. Menschen ohne Arbeit sind gesellschaftlich benachteiligt. Was meist vergessen wird: Eine Arbeit ohne Sinn bringt Unglück, bringt Traurigkeit, keinen persönlichen Gewinn“. Auch hier die Frage, wie gut könnt ihr euch dem entziehen?
Caro: Ich glaube, jeder Mensch hätte gern eine Arbeit, die ihm Spaß macht und von der er sich auch ernähren könnte. Mich beschäftigt das immer wieder, da ich das in unserer Generation verstärkt wahrnehme, dass wir nicht richtig wissen, was wir machen sollen. Die Auswahl unseres beruflichen Weges ist abhängig vom Geld. Von irgendwas muss man ja die steigenden Mieten und Lebenshaltungskosten bezahlen. Aber die Entscheidung wird meist nicht aus der Leidenschaft heraus getroffen.
Fatima: Hinzu kommt, dass die „Nebentätigkeit“ in der Band, die sich manchmal als Hauptberuf anfühlt, diese Entscheidungsfindung nicht unbedingt erleichtert.
Charlie: Oftmals ist es ja auch so, dass sich das Studium oder die Ausbildung doch stark von der Realität des späteren Berufsalltags unterscheidet. Das kann verschiedene Ursachen haben, aber ein Beispiel ist Unterbesetzung bei gleichbleibenden Arbeitspensum. Dabei entstehen dann Fehler, Unmut und so weiter.

„Sie träumt“ und „Übergriff“, auch hier stehen zwei Songs in der Reihenfolge hintereinander, die von der Thematik her ähnlich sind. Oder irre ich mich da?
Caro: Ich differenziere die Songs inhaltlich. In „Sie träumt“ geht es um eine traditionelle toxische Beziehung zwischen einem Mann und seiner Ehefrau. Die Frau ordnet sich dem Mann unter, da sie so mit ihrer Geschlechterrolle sozialisiert wurde. In der Ehe bemerkte sie, in welcher Situation sie sich befand und suchte nach Lösungen, um den physischen und psychischen Schmerzen zu entfliehen. In „Übergriff“ geht es tatsächlich um alltägliche Übergriffe, ganz aus der Ich-Perspektive beschrieben. Denn diese Übergriffe finden geschlechtsunabhängig statt und wir wollten hier alle Menschen miteinbeziehen, weil alle solche Erfahrungen machen.

Was kommt als Nächstes?
Fatima: Ab April startet unsere „Heiß und dreckig“-Tour 2023. Jedes Konzert, das wir dieses Jahr spielen, wird für uns spannend. Wir freuen uns auf viele Festivals und coole Support-Shows. Aber besonders wichtig sind uns die zwei Record-Release-Gigs mit MOLLY PUNCH und ROSA C am 28.04. in der Chemiefabrik in Dresden und am 29.04. im Schokoladen, Berlin. Das sind unsere ersten eigenen Shows überhaupt und wir sind mega heiß drauf! Wir freuen uns über alle, die an den Abenden vorbeischauen und mit uns unser neues Baby „Heiß und dreckig“ feiern!