Die Bezeichnung „Little Drummerboy“ ist in dieser Ausgabe besonders irreführend, denn natürlich ist Dave Lombardo einer der ganz Großen seiner Zunft. Niemand, der in den Achtziger Jahren mit Metal in Berührung kam, konnte sich dem brachialen Drumstil des SLAYER-Schlagzeugers entziehen und nicht wenige der sogenannten Experten halten ihn auch heute noch für den schnellsten Doublebass-Drummer aller Zeiten. Dave Lombardo spielt mittlerweile bei SUICIDAL TENDENCIES und seiner eigenen Band DEAD CROSS, und wir hatten das Vergnügen, kurz vor dem Start der Persistence Tour in Berlin ausführlich mit ihm sprechen zu können.
Dave, als du noch ein kleiner Junge warst, hast du da schon auf Möbeln oder Küchengeräten deiner Eltern herumgetrommelt?
Oh ja, genau so ging die Sache los. Es gibt da eine Geschichte, die mir meine ältere Schwester immer erzählt hat. Wir wohnten in einem Haus, in dem man durch die eine Tür in die Küche hinein- und durch die andere wieder hinausgehen konnte, und weil meine Mutter arbeiten war, wollte meine Schwester den Boden wischen. Also hat sie mir verboten, die Küche zu betreten, aber als sie durch die eine Tür die Küche verließ, bin ich zur anderen Tür hinein und habe mir alle Pfannen aus dem Schrank geholt, um darauf herumzutrommeln. Zu dieser Zeit hatte ich natürlich noch kein richtiges Schlagzeug gesehen, so dass ich wohl eher durch die Konga-Spieler meiner Heimat Kuba, wo ich geboren wurde, beeinflusst war und mit den bloßen Händen getrommelt habe.
Wolltest du sofort Schlagzeug spielen oder hast du zunächst mit anderen Instrumenten angefangen?
Zunächst wollte ich Gitarre spielen lernen, denn mein älterer Bruder hatte eine Akustikgitarre und das wollte ich auch. Ich war aber Linkshänder und habe sehr schnell begriffen, dass ich mit der Gitarre nichts anfangen konnte. Ich habe zwar die Gitarre einfach umgedreht, aber es fühlte sich einfach falsch an und so habe ich es sein gelassen. Meine Eltern hatten mir mal zu Weihnachten eine kleine Orgel gekauft und die habe ich total geliebt, weil man damit die Sounds von Horrorfilmen so schön nachmachen konnte. Auf der linken Seite waren kleine Knöpfe für die Akkorde und auf der rechten Seite die Tasten für die Noten und der Sound klang wirklich so wie diese schaurige Musik aus den Horrorfilmen, die ich in den Siebziger Jahren immer mit meinen Eltern geschaut habe. Und irgendwie ist das auch heute noch so. Ich spiele immer noch ein bisschen Klavier und mittlerweile habe ich ein paar Linkshändergitarren, auf denen ich spielen kann.
Wie bist du dann zum Schlagzeugspielen gekommen?
Ich habe mit meinen Eltern immer die „Johnny Carson Show“ gesehen und eines Tages hatte dort Buddy Rich einen Gastauftritt, der so unglaublich war, dass er wohl einen bestimmten Nerv bei mir getroffen hat. Da waren so viel Hingabe und Leidenschaft, dass ich unbedingt auch trommeln lernen wollte. Später hatten meine Eltern Karten für irgendein Konzert gekauft und da hat der Schlagzeuger ein Drumsolo hingelegt, das die Zuschauer von den Sitzen gerissen hat, dass für mich klar war, so etwas wollte ich auch können. Nach dieser Initialzündung habe ich meinen Vater gefragt, ob er mir ein Schlagzeug kaufen würde, und dann sind wir losgezogen und er hat mir für 350 Dollar mein erstes fünfteiliges Drumset gekauft, auf dem ich dann lange Zeit gespielt habe. Mein zweites Schlagzeug bekam ich mit 15 und dieses Mal hatte mein Vater ungefähr 1.200 Dollar vorfinanziert. Er schrieb die Summe auf einen Zettel und jede Woche, wenn ich Geld von meinem Schülerjob ausbezahlt bekam, habe ich das Geld an ihn zurückgezahlt.
Was für Musik hast du zu dieser Zeit gehört?
Als ich anfing zu trommeln, habe ich viel KISS gehört. Das „Alive!“-Live-Album war die erste Platte, die ich mir selbst gekauft habe, und die habe ich natürlich rauf und runter gehört. Ich drehte die Lautstärke voll auf und habe dann in meinem Zimmer auf meinem Schlagzeug dazu gespielt. Ich habe aber auch viel Radiomusik gehört und dazu getrommelt. Natürlich sehr viel Rock, aber ich hatte auch eine große Leidenschaft für Funk, Soul und R&B. Als kleiner Junge war das Radio mein einziger Zugang zu neuer Musik und so lief das Radio bei mir eigentlich rund um die Uhr. Immer wenn neue Bands kamen, die mir gefielen, habe ich mir die Namen aufgeschrieben und bin dann die Straße runter zu unserem Schallplattenladen gelaufen und habe habe mir die Singles gekauft. Damals kosteten Singles 49 Cents. So habe ich mir meine kleine Plattensammlung aufgebaut und immer neue Musik kennen gelernt.
Hast du jemals Unterricht genommen oder bist du Autodidakt?
Ich würde mich als kompletten Autodidakten bezeichnen. Ich habe einfach bei vielen Schlagzeugern ganz genau hingehört, was die so spielen, und habe von vielen auch die Drumsoli kopiert. Als KISS-Fan habe ich viel von Peter Criss nachgespielt. Jimmy Hendrix fand ich großartig, so dass Mitch Mitchell auch eines meiner Vorbilder war. Natürlich war da noch der großartige Bill Ward von BLACK SABBATH, den ich versucht habe zu kopieren. Ich erinnere mich auch noch daran, wie sehr ich 1979 „Space truckin’“ und „Highway star“ von DEEP PURPLE geliebt habe und Ian Paices Drumparts nachgespielte.
Obwohl du eigentlich Linkshänder bist, spielst du Schlagzeug als Rechtshänder?
Ja. Das ist eine interessante Geschichte. Als ich mit acht oder neun Jahren die Schule wechselte, kam ich auf eine katholische Privatschule und da wurde ich gefragt, ob ich nicht in der Marching Band mitmachen wollte. Ich sagte natürlich ja, denn ich wollte unbedingt Drums spielen. Der Musiklehrer hat mich dann als Linkshänder spielen sehen, hat mir einen wirklich bösen Blick zugeworfen und mir von diesem Moment an beigebracht, als Rechtshänder zu trommeln. Ich habe bei diesem Lehrer dann so ungefähr ein halbes Jahr lang trommeln gelernt. Nicht wirklich in Form von Unterricht, aber eben dadurch, in der Band zu spielen. Ich wollte mich aber nicht mit Grundlagen beschäftigen und irgendwelche Basics lernen, sondern ich wollte in einer Rockband sein und laute Gitarren hören. Also habe ich mit der Marching Band aufgehört und ein Jahr später begonnen, in Bands zu spielen.
In welcher Art von Bands hast du begonnen?
Das waren Hardrock-Bands, denn Metal-Bands gab es damals ja noch keine. BLACK SABBATH waren Hardrock und auch die frühen JUDAS PRIEST würde ich noch nicht als Metal bezeichnen. Meine erste Band hieß ESCAPE, als ich 14 oder 15 Jahre alt war, und bevor ich die Jungs von SLAYER traf, hatte ich schon in zwei bis drei weiteren Bands gespielt. Zwischendurch habe ich immer mal wieder mit verschiedenen Gitarristen bei mir zu Hause gejammt und einer von diesen Jungs kannte Kerry King, der spätere Gitarrist von SLAYER, der ein paar Blöcke die Straße herunter wohnte. Kerry und Tom Araya spielten damals in einer Top-40-Coverband namens QUITS, bevor ch sie kennen lernte.
War dir bei deinem Einstieg bei SLAYER schon klar, dass du Doublebass spielen wolltest?
Mein musikalisches Interesse wuchs einfach immer weiter und ich entdeckte immer neue Bands, die ich toll fand. So stieß ich irgendwann um 1981 auf MOTÖRHEAD und die „No Sleep ’Til Hammersmith“-Platte, die mich einfach umgehauen hat. Von diesem Moment an habe ich ganz gezielt nach Schlagzeugern gesucht, die Doublebass spielten, wobei man allerdings sagen muss, dass damals viele Drummer zwar ein Doublebass-Schlagzeug auf der Bühne stehen hatten, aber gar nicht Doublebass spielten. Ich habe dann Jazzdrummer wie Louie Bellson oder Ed Shaughnessy entdeckt, die Doublebass spielten, aber nicht in der Art und Weise, wie ich gern spielen wollte. Das war zwar inspirierend, aber außer Phil Taylor von MOTÖRHEAD gab es damals niemanden, der wirklich großartig Doublebass spielte. Phil Taylor war für mich die Initialzündung und so habe ich mir eine zweite Bassdrum zu meinem Drumset dazugekauft.
Hast du hart dafür geübt, mit der Doublebass immer schneller zu werden?
Nein, das war ein ganz natürlicher Prozess. Als ich bei SLAYER einstieg, waren wir ja nur eine Coverband, die in der Highschool und in lokalen Clubs aufgetreten ist. Wir coverten „Highway star“ und „Breaking the law“ und solche Songs, aber da ging es noch nicht um Geschwindigkeit. Dann entdeckten wir immer mehr musikalische Einflüsse. Jeff Hannemann, unser anderer Gitarrist, rasierte sich die Haare ab, wurde Punk und brachte jeden Tag neue Punk-Platten mit, die wir uns anhörten und die einfach schneller waren als alles, was wir vorher gehört hatten. Wir waren damals 17 und diese Musik setzte einfach unglaublich viel Adrenalin in mir frei. Ich liebte die Geschwindigkeit von MINOR THREAT, CIRCLE JERKS oder den DEAD KENNEDYS. Da war diese Wut, die mich inspirierte, und ich wollte unbedingt genauso schnell spielen wie all diese großartigen Bands.
Hätte aus SLAYER also auch eine Punkband werden können?
Zumindest in meiner Wahrnehmung waren SLAYER damals, vom Spirit her, eine Punkband. Nur dass wir diesen JUDAS PRIEST-Einfluss und zwei Gitarristen hatten. Kerry wollte unbedingt wie JUDAS PRIEST klingen. Er holte Jeff in die Band und dann haben sie angefangen, ihre Gitarrenleads zu entwickeln. Die Songs waren sehr schnell und wir haben dann diese JUDAS PRIEST-Doppelgitarrenparts mit den Punk-Rhythmen kombiniert.
Wann wurde dir bewusst, dass du vielleicht mal als professioneller Drummer deinen Lebensunterhalt verdienen würdest?
Als wir „Show No Mercy“ veröffentlichten, war ich 18 und von da an waren wir eigentlich immer irgendwo mit der Band auf Tour, so dass an einen „normalen“ Job nicht mehr zu denken war. Ich habe mich nie vor Arbeit gedrückt, aber es war einfach nicht mehr möglich und glücklicherweise verdienten wir beim Touren ein bisschen Geld, so dass ich es mir leisten konnte, nicht mehr zu arbeiten. Vorher hatte ich noch begonnen, Technisches Zeichnen zu studieren und habe sogar als Zeichner für ein Büro gearbeitet, das Generatoren für Krankenhäuser herstellte. Ich habe da die Häuser für die Stromgeneratoren entworfen. Aber ich wollte natürlich eigentlich immer nur trommeln und so war ich dankbar, dass die Band voll durchstartete und ich die Ausbildung abbrechen konnte.
Nachdem du das erste Mal bei SLAYER ausgestiegen warst, hast du unter anderem GRIP INC. gegründet und später mit Mike Patton bei FANTÔMAS gespielt. Gab es da bei dir ganz unterschiedliche musikalische Ansätze oder ist alles immer typisch Dave Lombardo?
Der grundsätzliche Unterschied zwischen SLAYER und meinen anderen Bands ist die musikalische Freiheit. Sowohl bei GRIP INC. als auch bei FANTÔMAS hatte ich die totale Freiheit, was bei SLAYER nie der Fall war. Ich war zwar immer im Übungsraum dabei, wenn die Songs geschrieben wurden, und viele meiner Parts haben die Gitarrenparts von Jeff und Kerry beeinflusst, aber sie haben mich trotzdem nie als Songwriter akzeptiert oder offiziell angegeben. Es wäre völlig falsch zu sagen, ich hätte bei SLAYER nichts mit dem Songwriting zu tun gehabt, denn wenn vier Leute in einem Raum zusammen Musik machen, dann hat auch jeder seinen Einfluss auf die neu entstehenden Songs. Man beeinflusst sich eben gegenseitig, aber aufgrund ihrer Persönlichkeiten bekam ich nie irgendwelche Credits. Als wir das erste Mal mit der Band aufgenommen haben, hatte ich keine Ahnung vom Publishing oder irgendwelchem juristischen Rechtekram. Die Ahnung hatten die anderen und sie haben es dann so gemanaget, dass nur sie als Songschreiber übrig blieben. Der musikalische Ansatz von FANTÔMAS war ein ganz anderer, denn Mike Patton kam zu mir und erzählte mir, er hätte Musik zu meinem Drumstil geschrieben. Er liebte meinen Drumstil damals – und auch noch heute – und er hatte die Musik von FANTÔMAS um die Drumparts herum arrangiert. Es ist schwer zu beschreiben, aber als ich die Songs das erste Mal hörte, fühlte ich mich dieser Musik besonders verbunden, denn sie hat etwas wirklich Magisches, das bestimmte Gefühle in mir auslöst. Außerdem waren das die schwierigsten Songs, die ich in meinen Leben je gespielt hatte, und ich liebte sie. Mike hatte also alle Songs im Alleingang geschrieben und ich habe durch mein Spiel nur meine Seele dazugegeben. Ich hatte Mike sogar gefragt, wofür er mich eigentlich noch brauchte, und er sagte mir, dass er meinen Spirit für die Aufnahmen und außerdem die Songs auch live performen wollte.
Wie ist dein Verhältnis zur Arbeit im Studio?
Ich liebe die Arbeit im Studio. Ich liebe den kreativen Prozess, wenn neue Musik entsteht und ich ein Teil davon sein kann. Ich liebe unterschiedliche Sounds, und ich mag es, den Drumsound zu perfektionieren. Darin liegt auch ein weiterer Unterschied zwischen meinen verschiedenen Bands. Während wir mit SLAYER zum Beispiel „Reign In Blood“ in nur drei oder vier Tagen eingespielt haben, hat der Aufnahmeprozess mit FANTÔMAS jedes Mal viel länger gedauert, weil wir tagelang an dem perfekten Ergebnis gebastelt haben. Das neue SUICIDAL TENDENCIES-Album „World Gone Mad“ war ein anderes Extrem, denn das haben wir in nur anderthalb Tagen aufgenommen. Es kommt eben immer darauf an, wie gut ich vorbereitet bin. Und natürlich liebe ich es auch, die Songs dann live auf der Bühne zu spielen. Da kann ich mich immer noch mehr entfalten als im Studio. Die Fans hören die Songs, wie wir sie aufgenommen haben, aber live kommt immer noch ein bisschen mehr dazu. Live kommt das besondere Extra an Kreativität zum Tragen. Je öfter man einen Song live gespielt hat, desto mehr hat man ihn verinnerlicht und desto mehr Variationen kann man dann einbauen. Ich liebe also Studioarbeit und Live-Auftritte gleichermaßen. Du kannst mich irgendwo in eine Garage setzen, und solange da ein Drumset zum Spielen steht, bin ich zufrieden.
Weißt du eigentlich, wie viele Alben du bisher aufgenommen hast, und gibt es eines, das dir – warum auch immer – am besten gefällt?
Mit dem neuen DEAD CROSS-Album dürften es jetzt 35 sein und wenn ich eins aussuchen müsste, dann wäre es „Director’s Cut“ von FANTÔMAS. Das muss wohl mein Lieblingsalbum sein, denn auf diesem Album sind so viele verschiedene Variationen unterschiedlichster Stile zu hören, dass meine gesamte musikalische Bandbreite abgedeckt ist. Von Hardcore bis zu ganz geschmeidigem Jazz ist da alles vertreten, und darum ist es das Album, von dem ich hoffe, dass man mich später einmal dafür in Erinnerung behält. Natürlich auch, weil mit Buzz Osborne, Trevor Dunn und Mike Patton großartige Musiker beteiligt waren.
Jetzt spielst du wieder mit Mike Patton zusammen bei DEAD CROSS. Was können wir von eurem Album erwarten?
Das Album ist fertig im Kasten und wird im April auf Ipecac erscheinen. Ich kann ganz ehrlich sagen, dass auf dem Album das brutalste Drumming zu hören ist, das ich je aufgenommen habe. Es gibt kein Album, an dem ich beteiligt war, das so sehr Hardcore ist, wie dieses DEAD CROSS-Album. Mit Michael Crain und Justin Pearson von RETOX und THE LOCUST haben wir zwei Ausnahmemusiker am Start und du kannst dir in etwa vorstellen, welche Energie wir da zusammen entfesseln. Der Sound ist total unwirklich. Ich bin total aufgeregt, weil viele Fans womöglich denken werden: „Was zur Hölle geht da vor sich und wie alt ist dieser Lombardo eigentlich? Was macht der da und was nimmt der ein?“ Die Antwort ist, ich nehme absolut nichts ein und die Platte ist das Ergebnis unserer totalen Hingabe an die Musik. Ich kann die Veröffentlichung kaum erwarten.
Treibst du irgendwelchen Sport, um körperlich immer noch mithalten zu können?
Sport im eigentlichen Sinne betreibe ich nicht, aber wenn ich Zeit habe, versuche ich möglichst viel zu Fuß zu gehen, ohne dass ich es gleich „Walking“ nennen würde. Ich bin also nicht faul, sondern versuche immer genug Bewegung zu haben. Ich mache Liegestütze und Kniebeugen, trinke viel Wasser und nehme regelmäßig Vitamine zu mir. Ich versuche auch, mich so gesund wie möglich zu ernähren. Ich kann Junkfood nicht leiden, sondern versuche auch auf Tour immer gute Restaurants ausfindig zu machen. Und außerdem hält mich das Schlagzeugspielen selbst natürlich auch fit.
Übst du zu Hause für dich allein oder probst du nur, wenn du mit einer Band auf Tour gehst?
Ich übe nur, wenn ich mit einer Band auf Tour gehe. Alles andere spielt sich im mentalen Bereich ab. Ich denke quasi immer an Drums und stelle mir neue Drumfiguren vor. Die trommle ich dann – nur so für mich – auf meinen Knien und schreibe sie später mal irgendwann auf. Viele dieser kleinen Figuren sind später die Grundlage für neue Rhythmen auf dem Schlagzeug oder ich spiele auf der Gitarre dazu. Manches habe ich auch den anderen Jungs vorgespielt und so sind dann viele der DEAD CROSS-Nummern entstanden.
Du scheinst aber mit DEAD CROSS und SUICIDAL TENDENCIES immer noch nicht ausgelastet zu sein.
Ja, da waren noch die zwei Shows, die ich mit den MISFITS gespielt habe, und da besteht auch immer noch die Möglichkeit, dass wir in Zukunft wieder zusammen auftreten werden. Aber es wird immer eine Überraschung sein, wann und wo wir auftauchen. Die Entscheidung liegt bei Glenn, aber ich bin total gespannt, wie es weitergeht, denn ich liebe diese Band. Lustigerweise hatte ich die MISFITS früher nie auf dem Schirm, da ich mich mehr für härtere Musik wie DEAD KENNEDYS oder CIRCLE JERKS interessierte. Die MISFITS kamen und gingen, bevor ich überhaupt mitbekam, dass es sie gab. Ich musste die MISFITS also erst für mich wiederentdecken und heute bekenne ich, dass die ersten Alben für mich wirkliche Klassiker sind, so dass ich wirklich glücklich war, dass die Jungs mich gefragt haben, ob ich mit ihnen auftreten wollte. Ich hatte viel Spaß daran, die Songs zu lernen, und eine großartige Zeit mit Glenn und Jerry auf der Bühne. Glücklicherweise haben sich Glenn und Jerry jetzt wieder lieb, so dass gemeinsamen Konzerten in Zukunft nichts im Wege stehen dürfte.
Wie steht es denn mit deiner Leidenschaft für Kunstprojekte?
Ich liebe Kunst, insbesondere Streetart und gerade hier in Deutschland habe ich einige der großartigsten Graffiti überhaupt gesehen. Wirklich beeindruckend, was sich hierzulande tut, und für mich weltweit das Beste, was ich bisher sehen durfte. Manche Leute empfinden ja Graffiti an Bahnhofswänden als Trash oder Sachbeschädigung, aber in meinen Augen ist das wirklich große Kunst. Ich mag auch Museen und werde demnächst zusammen mit John Zorn im Louvre auftreten. Gemeinsam mit Bill Laswell haben wir ein Projekt namens BLADE RUNNER am Start, wo wir Freejazz in der Art spielen, wie es schon NAKED CITY früher getan haben. Wir spielen nicht häufig, aber auf diese zwei Shows am 1. April mit John in Paris freue ich mich besonders. Ich selbst habe gerade in Zusammenarbeit mit der Firma Scene Four mein eigenes Drum-Art-Projekt realisiert. Ich habe in einer dunklen Fabrikhalle getrommelt und dabei fluoreszierende, also im Dunklen leuchtende Sticks benutzt. Dabei hat ein Fotograf Unmengen an Fotos geschossen, und hinterher sind durch meine Rhythmen quasi Bilder auf Leinwänden entstanden, die es in einem Buch zu sehen gibt. Zusätzlich liegt dem eine Vinyl-Picturedisc bei, auf der es zu jedem der 13 Prints ein ein- oder zweiminütiges Drumsolo von mir gibt. Ich habe keine Ahnung, wie es im Alter mit meinem künstlerischen Output weitergehen wird, aber ich könnte mir auch vorstellen, ganz klassisch zum Pinsel zu greifen und Leinwände zu bemalen.
Gibt es irgendwelche musikalischen Projekte, die du gern noch realisieren würdest?
Ja sicher, da gibt es viele. Insbesondere solche, an die ich bisher noch gar nicht gedacht habe. Ich liebe es, mit anderen Musikern etwas zu machen, und kann mir da noch sehr viel vorstellen. Ich habe schon mit Orchestern zusammengespielt und würde auch gern noch mal mit dem Komponisten Tyler Bates, der zum Beispiel die Musik für „300“ komponiert hat, zusammenarbeiten. Wir haben schon 2003 zusammen an der Musik für „Dawn Of The Dead“ gearbeitet und so etwas würde ich gern noch mal machen. Meine musikalische Karriere ist eigentlich im Moment ziemlich perfekt. Ich kann tun und lassen, was mir gefällt, und habe tolle Leute um mich herum, mit denen ich etwas unternehmen kann. Im Gegensatz zu früher habe ich jetzt viele positive Leute um mich herum und keine negativen Einflüsse. Ich habe ein tolles Management und liebe es, mit SUICIDAL TENDENCIES auf Tour sein zu können, die waren schon früher eine große Inspiration für mich und in den Anfangstagen von SLAYER hatten wir einige Shows zusammen gespielt. Bei Suicidal kann ich mich musikalisch voll entfalten. Da sind diese Funk- und Soul-Elemente in der Musik und trotzdem ist es immer Punk, vermischt mit Metal-Einflüssen. Meine musikalische Freiheit könnte also zur Zeit gar nicht größer sein und ich fühle mich sehr wohl damit. Ich brauche mich nicht verbiegen und kann tun, was ich möchte. Bei meiner Band PHILM hatten wir das Problem, dass viele meiner alten Fans die Musik nicht mochten und wollten, dass wir Hardcore machen. Mir war das egal, aber die Band ist daran zerbrochen. Heute bin ich völlig angstfrei und kümmere mich nicht mehr darum, was andere von mir denken, solange es mir gefällt. Ich lebe in einer sehr ruhigen Gegend und irgendwann bekam ich nachts um zwei einen Rappel. Dann habe ich mein Schlagzeug raus auf die Straße geschafft und wie ein Irrer darauf eingedroschen, bis die ganze Nachbarschaft wach war. Bevor sie die Polizei rufen konnten, hatte ich allerdings das Schlagzeug wieder ins Haus getragen und war schlafen gegangen. Meine Verlobte sagte zu mir: „Dave, du bist ein verdammter Punk“ und ich antwortete nur: „Ja klar, weiß ich doch.“