DAVE LOMBARDO

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Über den Tellerrand!

Man kennt das ja. Seit langem plant man die Reise zu einem Konzert, auf das man sich besonders freut. Und dann, kurz bevor die Show stattfindet und es darum geht, dass alle diejenigen, die ihre Mitfahrt zugesagt haben, sich organisieren, ein Wagen gefunden und die Abfahrtszeit fest gelegt wird, springen alle vorher Unbedingt-dabei-sein-wollen-Kumpels ab. So geschehen Ende Oktober, als die "Unholy Alliance Tour Pt. II" und mit ihr SLAYER durch die Republik tourte und ein Interview mit der Band schon seit längerem vereinbart war. Nun ja, kurzfristig wurde umdisponiert und das Angesicht-zu-Angesicht-Gespräch mit Dave Lombardo vor Ort bei der Erfurter Show als Telefonat neu verabredet. Den auch am Telefon höflichen Drummer von SLAYER und FANTÔMAS, der andauernd in weitere Projekte verwickelt ist, schien das kaum zu irritieren. Er zeigte sich als entspannter und bereitwillig antwortender Frühvierziger. Dave Lombardo ist ein beeindruckender Musiker, dessen musikalisches Können weit reicht und der sich selber keinerlei Grenzen setzt, und SLAYER, so scheint es, sind nur ein Aspekt des musikalischen Universums, das Lombardo beherrscht - das geplante Lombardo-Soloalbum, das von seiner kubanischen Herkunft inspirierte Worldmusic enthalten soll, ein ganz anderer. Für alles, was dazwischen liegt - weiter lesen ...



Dave, 1999 hast du gemeinsam mit dem Italiener Lorenzo Arruga sowie einigen weiteren klassischen Musikern ein Album aufgenommen, auf dem ihr Stücke von Vivaldi spielt. Wie berührt dich diese Art von Musik?




Hm, ich höre mir sehr gerne klassisches Piano an. Für Stücke von Chopin, Rubinstein oder Franz Liszt kann ich mich schon seit langem begeistern. Man könnte vermuten, dass mich klassische Musik in dem Sinne berührt, als dass sie mich ruhiger stimmt als SLAYER-, FANTÔMAS- oder Punkrock-Stücke. Das ist aber nicht ganz der Fall. Ich würde sagen, sie reibt mich nicht so stark auf wie aggressivere, von mir aus gitarrendominierte Musik.



Fiel es dir denn schwer, dich an das Spielen von Klassik zu gewöhnen und"Vivaldi: The Meeting" aufzunehmen?

Nein, überhaupt nicht. Ich denke, entweder hast du ein Gespür für bestimmte Musikstile oder du hast es nicht. Und von mir selber denke ich, dass ich neben einem Gespür für den Stil von SLAYER und anderen Bands, in denen ich spiele, auch ein Gespür für klassische Musik habe. Dieses Gespür, nenn es von mir aus Verständnis, half mir, mich schnell an Klassik zu gewöhnen und die Kompositionen von Vivaldi zu spielen. Es war eine tolle Erfahrung, dieses Album aufzunehmen, wenn ich Zeit habe, würde ich so etwas gerne wieder machen. Übrigens, wo wir gerade von Klassik reden, ich habe auch an einem neuen APOCALYPTICA-Song mitgearbeitet, der aber noch nicht veröffentlicht ist.



Mit APOCALYPTICA hast du auch schon auf den Alben "Reflections" und "Apocalyptica" zusammengearbeitet, während du gemeinsam mit DJ Spooky in 2005 ein HipHop-Album namens "Drums Of Death" aufgenommen hast. Siehst du noch Raum, um zukünftig weitere Stile auszuprobieren, die du bisher noch nicht gespielt hast?

Na klar, ich will jede Chance nutzen, um mich in Stilen auszutoben, die ich bisher nicht gespielt habe. Was mir derzeit im Kopf herumschwirrt ist, eine Country-Platte zu machen. So etwas habe ich noch nie gemacht und ganz egal, ob es jetzt klassischer Country aus den 50ern oder 60ern ist, oder Musik im Stile später Johnny Cash-Songs, ganz generell bin ich von der Idee fasziniert, an einem Country-Album beteiligt zu sein.



Steht dem denn irgendetwas im Weg?

Ja. Einerseits bin ich zeitlich an SLAYER gebunden und werde zunächst alle Touren zu "Christ Illusion" mit ihnen zu Ende spielen. Da ich auch noch nicht vorhersehen kann, wie schnell die Arbeiten am neuen SLAYER-Album nach all den Konzerten losgehen, besteht hier eine zusätzliche Unsicherheit, was meine Zeitplanung betrifft. Zudem kann ich so ein Album ja nicht alleine machen. Bei "Vivaldi: The Meeting", "Drums Of Death" und den APOCALYPTICA-Songs sind die jeweiligen Künstler beziehungsweise Produzenten an mich herangetreten und haben um eine Kollaboration gebeten. So konnte ich mich immer ins gemachte Nest setzen, die Band um mich herum stand ja schon. Bei einem Country-Album müsste das auch so sein. Und bisher scheint es mir nicht so, als hätte irgendeiner der heutigen Country-Musiker Lust auf eine Platte mit mir. Schon gar nicht die Mainstream-Country-Musiker.



Was muss jemand mitbringen, der mit dir arbeiten will, was für Angebote reizen dich besonders?

Unabhängig vom Stil, den jemand mit mir spielen will, habe ich die Maxime: "Je experimenteller, desto besser". Wenn es um einen Stil geht, den ich entweder selber noch nicht gespielt habe oder den es in der vorgeschlagenen Form noch gar nicht gibt, dann bin ich ziemlich sicher dabei, wenn meine Zeit es zulässt. Denn etwas Neues auszuprobieren fordert mich und lässt die Menschen aufhorchen. Ganz abgesehen davon verwirkliche ich mich selber mit jedem neuen Stil, den ich ausprobiere, ein Stück mehr.



Welche Band hat dich bis jetzt am stärksten gefordert?

Definitiv FANTÔMAS. Weißt du, für SLAYER wende ich viel - und das meine ich ganz neutral - Muskelkraft auf, um die Songs zu spielen. Außerdem bin ich mit der Musik groß geworden, ich fühle mich in ihr wie ein Fisch im Wasser. Beim Spielen von FANTÔMAS-Songs muss ich hingegen viel nachdenken, üben und mich immer und immer wieder mit den Songs auseinandersetzen, ehe ich sie so gespielt bekomme, wie Mike Patton sie haben will. Haha, er ist ein echter Freak, der alle bei FANTÔMAS immer wieder mit seinen Songideen überrascht. Die Band ist von Patton ja geschaffen worden, um Menschen zu irritieren, dementsprechend arbeiten wir immer wieder an neuen, die Musiker und Fans herausfordernden Stücken.



Mike Patton und du - was für eine Beziehung habt ihr und wie sieht die Zukunft von FANTÔMAS aus?

Oh, sehr gut. Manche Menschen beschreiben Mike als schwer zugänglichen Typen, aber dem kann ich nur widersprechen. Wenn du nicht mit schwieriger Musik klar kommst, dann könnte es zwischen dir und ihm nicht ganz funktionieren. Aber das ist dann dein Fehler. Leider habe ich auch für FANTÔMAS kaum Zeit, da für mich SLAYER und die "Christ Illusion"-Tour derzeit auf Platz eins der "To do"-Liste steht. Daher kann ich über ein nächstes FANTÔMAS-Album oder eine Tour leider nichts sagen.



Welche Reaktion auf "Christ Illusion" hat dich am stärksten fasziniert?

Ich fand es irgendwie cool, dass sie in Indien Kopien des Albums verbrannt und zerstört haben. Ich meine, hey, sie haben dieses Pappschuber-Cover in einigen Ländern für "Christ Illusion" gemacht. Es verdeckte das eigentliche Cover, weil es wieder irgendwer obszön fand, weil Jesus, ich sage mal, nicht im Sinne der Kirche dargestellt wurde. Aber dass jemand heutzutage Alben einer Band verbrennt und so versucht, sie aus dem Land zu verbannen, wie in Indien, das hat mich echt fasziniert. Und bei allem, was sie dort gegen SLAYER zu haben scheinen, bessere Werbung hätten sie für die Platte kaum machen können.