CRAPOULET RECORDS

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Das Label der coolen Leute

Auf den verschiedensten meiner Lieblingsplatten prangt das rot-weiß-gestreifte Logo des französischen Labels Crapoulet Records. Das machte mich neugierig, so dass ich unserem gewohnten Fragenkatalog noch ein paar Punkte hinzugefügt habe.

Wo und wann gegründet, heute wo ansässig?


Angefangen habe ich 1999 in Paris unter dem Namen Rudeboi! Records. Ich war damals irgendwas zwischen Skin, Punk und Hardcore-Kid. 2006 habe ich das Label umbenannt in Crapoulet und mit dem Skinhead-Kram aufgehört – zu viele Probleme, nicht genug Spaß. Seit drei Jahren lebe ich in Marseille, Südfrankreich.

Wer steckt heute dahinter?

Ich, Olivier, und meine Katze Zamel. Und es gibt Ableger, in der Normandie Arc Crapoulec, betrieben von Fab von THRASHINGTON D.C., in der Bretagne Crapoulissac von Eric „le violeur du camping“ und in Deutschland Der Krapulet, das macht eine gute Freundin, Marie Laforge. Wir sind vereint unter dem Meerschweinchen-Logo, aber agieren autonom.

Ist da eine Story hinter dem Logo und dem Namen?

Crapoulet hieß ein Reporter vom französischen Fernsehen, der mich und meine Freunde interviewen wollte zum Thema Fußballfans. Für französische Ohren klingt sein Name ziemlich lächerlich, also haben wir ständig Witze gerissen. In der Sendung wurden wir schließlich als dämliche Spinner hingestellt. Das Meerschweinchen auf dem Logo habe ich im Internet gefunden, für den Hintergrund wollte ich zuerst eine Spirale, doch das habe ich am Computer nicht hinbekommen. Ich liebe einfach Meerschweinchen.

Es gibt auch einen Aufnäher von dir mit der Aufschrift „Animal Tendencies“, unverkennbar dem Suicidal-Logo nachempfunden. Setzt du dich für Tierrechte ein?

Nein, es ist nur so, dass ich Tiere liebe und mich damit zugleich ein bisschen lustig mache über gewisse Hardcore-Punk-Fans. Hier bei uns gibt es ein paar Typen im SUICIDAL TENDENCIES-Look, die sehen toll aus, haben tolle Tattoos ... das Problem ist nur, die kommen nie zu irgendwelchen Konzerten. Da entwerfe ich gerne mal was Hübsches, um sie ein bisschen zu verarschen. Das mögen die gar nicht, ich mag das sehr und die meisten anderen, die cool sind, auch. Ich war nie fanatischer Anhänger von einer Band oder sonst wem – ausgenommen meiner Katze Zamel. Ich habe auch mal ein T-Shirt gemacht, dafür habe ich das MINOR THREAT-Foto von der Dischord-Compilation „Flex Your Head“ genommen und Ian einen Kaninchenkopf verpasst. Darunter steht: „We’re just Animal Threat“. Ein paar meinten, das sei dumm und albern, ich wäre respektlos, blabla. Aber es gibt ein Bild von Ian MacKaye mit dem Shirt, also schätze ich, ihm hat’s gefallen. Außerdem war es eine Benefiz-Aktion zugunsten ausgesetzter Kaninchen.

Auf deinen Label-Flyern tummeln sich einige niedlich-schräge Tierchen.

Diese ganzen Totenköpfe, Atompilze und Gasmasken kann ich nicht mehr ertragen, bäh! Ein netter Nasenbär oder ein Ameisenbär ist doch so viel cooler, oder? Ich schaue mir lieber etwas Hübsches an, als immer diese Leichen, und ich weiß zum Glück, dass es überall auf der Welt Leute gibt, die meine Flyer sammeln. Mir wäre natürlich lieber, wenn sie meine Platten kaufen würden, aber nun, okay ...

Lebst du von deinem Label?

Crust aus Peru oder kroatischer Post-Punk sind zunächst mal keine wirklichen Verkaufsschlager. Mir ist wichtiger, Spaß zu haben und die Freiheit, nur das zu veröffentlichen, was ich wirklich mag, ohne ans Geldverdienen zu denken. Hin und wieder gab es Angebote, Platten herauszubringen, die sich richtig gut verkaufen würden, da war zum Beispiel eine AGNOSTIC FRONT-LP, aber ich wollte nie, dass Geschäftsinteressen mehr zählen als künstlerischer Anspruch.

Was machst du sonst noch?

Zur Zeit arbeite ich in einem Bahndepot und sorge dafür, dass die Züge gewartet sind und wieder fit für die Fahrgäste. Gut bezahlt ist das nicht, aber ganz cool und es ist ein Nachtjob, spätestens um vier Uhr morgens fange ich an. Im Zivilleben organisiere ich Konzerte, habe ein Fanzine, das Capybara Social Club heißt, mache Kunstausstellungen, bin DJ und helfe in einem Punkrock-Club namens La Salle Gueule aus. Freunde in Südamerika behaupten, ich würde nie schlafen ... so ganz falsch ist das nicht. Dann veranstalte ich noch etwas namens „Biströ//Diströ“, da können alle Labels, Vertriebe und Interessierte der Stadt hinkommen und vielleicht ein paar Platten verkaufen. Es ist eine Gelegenheit, uns mal abseits von Konzerten zu treffen, die Leute können die Perlen unter unseren Releases entdecken, wir trinken Bier. Zusammenzuarbeiten ist wichtig, finde ich.

Welche sind deine bevorzugten Stilrichtungen?

Punk und Hardcore, und ich höre gern alten Reggae und Dub von Labels wie Studio One oder Trojan.

Deine Label-Vorbilder?

Dischord Records vor allem. Dann Jungle Hop International und New Wave Records, um auf dem Laufenden bleiben, was sonst so auf der Welt passiert.

Die ersten Bands, die heutigen Bands?

Die ersten waren SKADICHATS, WARRIOR KIDS und TAKE SHIT BACK, französische Bands, von denen du garantiert noch nie gehört hast. Gerade rausgekommen ist zum Beispiel die LP von ELECMATICS, einem französischen Garage/Psychobilly-Duo, die Split-7“ von CHRESUS JIST und MODERN DELUSION als eine serbisch-kroatische Kooperation, eine 7“ von den Finnen TIISTAIN KYYNEL, die ALIEN TV/THE JIM TABLOWSKI EXPERIENCE-LP aus Deutschland und auf Kassette ein Rerelease des 1986er Demos von LOS INVASORES, der ersten Punkband aus Uruguay.

Was waren deine wichtigsten, besten oder meistverkauften Veröffentlichungen?

Verkaufszahlen sind mir egal. Ich bin sehr stolz auf die 7“ und LP von LOS CAIDOS, das sind großartige Jungs und ich stehe total auf ihre Musik. Viel bedeuten mir auch die Platten von ORIONS, KIDS INSANE und SWEATSHOP BOYS, die kommen alle drei aus Israel und ich bin glücklich, wenn ich Bands aus dieser begrenzten Szene helfen kann, ihren Krach noch mehr in Europa zu verbreiten. Es ist toll, Leute zu unterstützen, die was auf die Beine stellen. Gerade in Südamerika, Osteuropa oder eben Israel gibt es so viele geile Bands, eine Schande, dass man ihnen bislang kaum Beachtung schenkt.

Gerade in Süd- und Mittelamerika scheinst du über ausgezeichnete Beziehungen zu verfügen.

Mein erster Kontakt war RASH Guadalajara, also Red and Anarchist Skinheads in Mexiko. Ich habe natürlich Platten und Tapes mit nach Hause genommen und dadurch einen Haufen Bands entdeckt. Fast logisch, dass ich anfing, sie zu veröffentlichen, DIFERENT, LOS CAIDOS, GERK, BEAUTIFUL SUNDAYS ... Ich tue für sie, was ich kann. Leider ist es nicht so leicht, eine Europatour für sie zu buchen. Anscheinend ist südamerikanischer Hardcore den Veranstaltern hier zu „exotisch“ oder es interessiert sie nicht, ist nicht „schick“ genug. Das Gleiche gilt für osteuropäische Punkbands, du erreichst weniger Menschen mit einer unglaublichen Hardcore-Band aus Budapest als mit jeder mäßig spannenden Combo aus Portland. Das ist ein bisschen traurig, weil ich dachte, im Punkrock wären Grenzen und Fragen der Herkunft längst überwunden und bedeutungslos.

Was fasziniert dich am Labelmachen?

Die dicken Muskeln, die du bekommst, wenn du tonnenweise Platten in deine Wohnung schleppst – besonders wenn du auf der dritten Etage wohnst. Ha, und alle halten dich für einen Nerd.

Deine Labelpolitik?

Das Label der coolen Leute.