Crank! Records ist ein kleines, feines Label aus Los Angeles, das vor allem mit MINERAL sowas wie einen "Hit" landen konnte. Jeff, der Macher des Labels, beantwortete mir via Email ein paar Fragen, die ich ihm freilich auch persönlich hätte stellen können, traf ich ihn doch zufällig einige Zeit später in Austin bei der Musikmesse SXSW.
Wann hast du das Label gestartet?
In Gedanken mit 10 Jahren, tatsächlich begonnen habe ich am 2. September 1994 - das war der Tag, als ich in das Büro meines Chefs ging und ihm sagte, dass ich kündige und mein eigenes Label starten werde. Oh, dieser Genuss dort einzulaufen und überraschend zu kündigen! Ich kann immer noch den Schock auf seinem Gesicht sehen. Wenn ich daran denke, kommt auch jetzt noch ein freudiges Gefühl in meiner Magengegend auf.
Warum?
Ich arbeitete für einige Majorlabels wie EMI, A&M, etc., und mich kotzte es wirklich an, wie diese geführt wurden. Ehrlich gesagt, traf ich dort einige wirklich coole Leute und lernte´ ne Menge über das Musikbusiness, aber ich habe nie richtig kapiert, warum die Plattenfirma nie auf die Bands gehört hat, als es um deren Musik ging. Ich habe auch nicht verstanden, warum gerade die Person die Entscheidungen trifft, die wahrscheinlich nicht mal wusste, wo der Ein/Aus-Schalter eines Radios liegt geschweige denn verstand, um was es bei der Musik geht. Die Plattenfirmen haben sich auch nie ernsthaft darum gekümmert herauszufinden, wer ihre Platten kauft und warum. Es war auch frustrierend, dass es so wenig ehrliche Musik-Fans bei diesen Firmen gab. Ich fing an mit dem Musikbusiness, weil ich die Musik geniesse. Wasfür ein Konzept, hm? Nun, ich versuche immer noch herauszufinden, warum einige Leute, mit denen ich arbeitete, überhaupt in diesem Business anfingen. Jedenfalls, jeder Tag war für mich ´ne Art Diskussion die zunehmend frustrierender verlief. Der letztendliche Ausschlag dort aufzuhören war, als das Label nicht die Band VITREOUS HUMOR signen wollte, die ich wirklich liebte und signen wollte. Sie sagten "nein" und ich "ich kündige" und das Nächste an das ich mich erinnern kann ist, dass ich ein Interview fürs Ox gebe.
Wie kamst du zum Punkrock, bzw. dem Musikstil, wie auch immer du ihn nennen willst, den du präferierst? Welche Bands waren damals wichtig für dich?
Ehrlich gesagt, I´m a nerd. Ich wuchs mit Pop auf und bin immer noch Popfan. Aber ich war nie richtig in dem Punk/Hardcore/Indierock-Dingens oder ähnlichem Zeugs involviert, bis auf die letzten, na ungefähr, sieben Jahre. Ich kaufte mich in das Zeugs rein wie ein Verrückter, als Anfang der 90er dieser "American Metal" am Verschwinden war. Ich muss sagen, dass NIRVANAs "Nevermind" einen Wendepunkt für mich bedeutete. Dann hörte ich SUNNY DAY REAL ESTATEs "Diary" und ich hatte mit SOUNDGARDEN, die grossartig sind, bei A&M gearbeitet. Ab diesem Zeitpunkt rutschte ich in diesen ganzen Indie-Sumpf rein. Und so weit meine Hörgewohnheiten auch gehen, höre ich doch´ ne ganze Menge Indierock, natürlich bin ich auch riesiger Fan aller Crank!-Bands. Aber ich höre auch Pop, Klassik, Jazz, Metal und was auch immer.
Wie gingst du bei der Labelgründung vor? Ich meine, ein paar Erfahrungen hast du ja aus deinem Job mitgebracht. Und wie hast du das Label anfangs finanziert?
Das ist entweder mein Problem oder mein Vorteil, was ich noch nicht ganz herausgefunden habe, aber einige der wichtigsten Entscheidungen die ich in meinem Leben getroffen habe waren rein instinktiv - ich hab da nicht richtig darüber nachgedacht. Als ich meinen Job gekündigt habe um das Label zu starten, war ich einfach zu naiv, um mir über Kohle oder darüber, wie es jetzt weitergehen soll, Gedanken zu machen. Ich wusste nur, dass es an der Zeit ist meinen Job zu kündigen und mein eigenes Label zu starten. Klar, ich hatte ´ne Menge Erfahrung im Platten releasen, ich wusste wie und wann eine Band im Studio sein sollte, ich kannte ´ne Menge Production-, Radio-, Presse-, Einzelhandels-, Vertriebs- und sonstwie Industrieleute. In diesem Sinne waren meine Majorerfahrungen von unschätzbarem Wert, aber ich habe noch´ ne ganze Menge gelernt, seitdem ich Crank! gestartet habe, und ich lerne jeden Tag dazu. Was den finanziellen Aspekt anbelangt, so ist Geld immer ein Faktor für Indielabels, ja sogar für Majors. Ich hatte von meinen vorherigen Jobs soviel gespart, dass ich davon die ersten Platten rausbringen konnte. Danach hatte ich einfach Glück, dass meine Releases ankamen und konnte so für mein Label und die Bands ein solides Fundament schaffen.
Welche anderen Labels, Personen oder Ideen inspirierten dich das Label zu starten?
Eigentlich gab es einige Leute, die mich beeinflussten. Zuallererst Brett Gurewitz von Epitaph: als der acht Millionen OFFSPRING-Platten verkaufte, hat mir das bewiesen, dass ein Indielabel mit dem Musikbusiness mithalten kann! Und dann gab´s da noch diese andere Person, die ich kannte und ein Label hatte, die ich aber nicht nennen werde, aus Angst, dass du sie kennst. Sein Label lief ziemlich gut und ich dachte "Verdammt, wenn der das hinkriegt, weiss ich, dass ich das sogar besser kann". Diese zwei waren meine unmittelbaren Inspirationen, um meinen Arsch hochzukriegen und was aus meinem Leben zu machen. Und dann gibt´s da natürlich noch Touch & Go, Dischord und ähnliche Labels, wo es sehr offensichtlich ist, warum ich und so viele andere sie respektieren.
Wer sind die Leute hinter dem Label?
Da ist Paul "Opie" Fischer (weil er wie Opie aus der Andy Griffith Show aussieht), unser Verkaufs/Marketing-Mensch, der auch den Radio-Kram koordiniert, Frederic Emery (unser Alibifranzose), das Mädchen für alles. Ich hab auch noch´ nen Mailorder und´ nen Vertrieb namens Saul Good Man gegründet, der alle coolen Labels wie Sub Pop, Touch & Go, Merge, Kill Rock Stars, Dischord etc. führt. James Tweedy ist derjenige, der sich da ums Marketing und die Geschäftsentwicklung kümmert. Und ich kümmere mich um den Rest. Wir haben auch´ ne bezaubernde Gruppe weiterer Mitarbeiter die sich um den Mailorder und den Einzelhandels/Promo-Kram kümmert. Oh, und dann haben wir noch 25 Leute in den ganzen Staaten verteilt, die Crank!-Promotion machen und sich darum kümmern, dass die Plattenläden mit Crank!-Zeugs versorgt sind.
Steckt ´ne Story hinter dem Namen?
Da gibt´s ne Story, allerdings weiss ich nicht, wie faszinierend die ist. Eigentlich sollte das Label Geerhead heissen, da ich ein süchtiger Mountainbiker bin. Geerhead ist ein Name für Mountainbiker. Wenn du den Labelnamen kennst, erklärt sich das Logo von selbst. Nun, ich fand heraus, dass es schon ein Label namens Gearhead gibt, deshalb musste ich den Namen ändern. Ich wollte aber, dass der Name weiterhin einen Bezug zum Biken hat. Eines Tages fuhr ich "brainstormend" in meinem Auto zum Skifahren, als mir plötzlich Crank! als Name in den Sinn kam. Mit all den verschiedenen Assoziationen, die der Begriff hervorruft, dachte ich gleich, dass das ein grossartiger Name sei. Also nahm ich ihn sofort. Leider denken meine Grosseltern jetzt, dass ich auf Drogen bin...
Hast du selbst in einer Band gespielt oder warst sonst irgendwie in der Szene aktiv?
Ja, ich spielte in einer ganzen Reihe von richtigen Scheissbands. Ich nenne aus Furcht, dass da jemand mal was von denen mitgekriegt hat, lieber keine von denen mit Namen. Ich war auch DJ, Produzent, Engineer, Bandmanager, usw. Überall hab ich es geschafft zu beweisen, wie inkompetent ich bin.
Angesichts deiner bisherigen Äusserungen schliesse ich, dass das Label kein reines Hobby mehr für dich ist und du es schaffst, damit deinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Das Label ist sowohl ein Hobby als auch ein Full-Time-Job für mich. Das Wort "Job" ruft so viele schlechte Assoziationen hervor. Es ist ein Hobby, für das ich 20 Stunden pro Tag aufwende. Ja, ich verdiene mit dem Label und dem Mailorder meinen Lebensunterhalt, und glücklicherweise bin ich in der Lage es mir leisten zu können, noch ein paar andere Leute zu beschäftigen und so für ihr Einkommen zu sorgen.
Hast du eine bestimmte "Labelpolitik"?
Grossartige Musik, grossartige Leute, Spass haben, zuhören, nicht gewalttätig sein, nach dem Essen saubermachen, nicht die Strasse überqueren, ohne in beide Richtungen geschaut zu haben, immer den Blinker setzen, was du nicht willst das man dir tu, dass füg auch keinem andren zu...
Ich schätze mal, nach deinen Majorerfahrungen wird es für dich wichtig sein, ein Indielabel zu sein.
Ich würde nicht sagen, dass ich viele negative Erfahrungen mit Majors gesammelt habe. Ich habe viele Freunde bei Majorlabels. Majors haben ein Ziel, und das ist Millionen von einer Platte zu verkaufen. Sie sind nicht an "artist development" interessiert und die meisten Indies wiederum haben nicht das Ziel Millionen zu verkaufen. Deshalb denke ich, dass diese beiden Gruppen in friedlicher Koexistenz leben können. Ein Indielabel zu sein hat für mich weniger Bedeutung, für mich ist es wichtiger, dass es mein Label ist, auf das ich sehr stolz bin. Ich denke nicht, dass eine Zusammenarbeit mit den Majors unbedingt schlecht sein muss, wenn sie aus den richtigen Gründen geschieht und fair verläuft, doch natürlich gibt es sehr wenige Fälle, wo dies geschehen kann. Aber das ist wieder ´ne völlig andere Diskussion.
Vinyl? CD? Was ist dir lieber? Wie siehst du die Situation auf den verschiedenen Märkten, wie USA, Deutschland/Europa?
Ich hab da keine bestimmte Vorliebe. Ich bin keiner dieser Diehard- Vinyl-Fans. Tatsächlich glaube ich, dass CDs in vielen Fällen wesentlich besser klingen. Wir machen jetzt eine 10"-Serie, bei der ich denke, dass sie sehr cool ist. Das Artwork lässt es von der Grösse her zu einige wirklich coole Sachen zu machen und währenddessen wird der Hörer nicht mit Musik "überladen". Wir veröffentlichen hier alles, allerdings hatten wir bisher noch kein Shaped Vinyl, aber dafür besitze ich einige wirklich coole Dinger davon.
Wie werdet ihr vertrieben?
Durch die ganzen unabhängigen Vertiebe. In Deutschland durch Cargo und Green Hell, und in den Staaten durch die ganzen Indievertriebe wie Revolver, Lumberjack, No Idea, Nail, etc.
Was/Wen würdest du als Bands, Stilrichtungen nie veröffentlichen?
Ich werde wahrscheinlich nie was mit Techno machen, einfach weil ich mich da nicht gut genug auskenne, um was interessantes herauszubringen.
Was war bisher dein grösster Erfolg und was deine grösste Enttäuschung?
Mein grösster Erfolg war es, dass es mir möglich war die Firma zu starten und mit ihr regelmässig zu wachsen. Jeden Tag bin ich davon entzückt. Das macht so viel Spass. Meine grösste Enttäuschung? Das ich ein bischen zu spät dran war um zu versuchen die BEATLES signen zu können.
Was ist deine Lieblingsband, die nicht auf dem Label ist? Welche Bands würdest du gerne auf dem Label haben?
Ich habe nicht wirklich eine Lieblingsband. Meine Lieblingsband wechselt ungefähr jede Stunde. Bands, die ich gerne auf meinem Label hätte? THE BEATLES, NIRVANA, BEETHOVEN, ELTON JOHN, die üblichen Sachen, weisst du, hehe.
Welche Releases können wir in der Zukunft erwarten?
Es kommen noch mehr FIRESIDE-Sachen raus. Mehr Platten von THE GLORIA RECORDS. Wir haben auch gerade eine LA-Band namens SUNDAYS BEST gesignt. Dann THE VEHICLE BIRTH und eine neue schwedische Band namens JUPITHER. Es kommen also noch viele Sachen dieses Jahr.
Übersetzung: David Häußinger
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #35 II 1999 und Joachim Hiller